aWay. Nic Jordan
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Nach dem Frühstück war es an der Zeit, unsere Sachen zu packen und aufzubrechen. Dave überreichte uns noch einen Beutel, gefüllt mit Obst für den Weg. Wir bedankten uns für die warmherzige Gastfreundschaft und stiegen ins Auto. Als wir losfuhren, standen alle draußen und winkten uns zum Abschied.
Davey schob dieselbe CD wie am Vortag in den Spalt der alten Anlage. Country-Songs waren von nun an der Soundtrack für meine ersten Tage in Freiheit, sie waren mein Soundtrack für den französischen Spätsommer, die saftigen Felder und den Blues, der den Herbst ankündigte. Davey konnte alle Lieder mitsingen, und seine Stimme blieb in meinem Kopf, als gehörte sie zu den Songs dazu.
Wir fuhren im Gleichklang mit dem Wind, der die rauschende Melodie der alten Musikanlage mitsummte. Ich streckte meine Hand aus dem Fenster und beobachtete, wie sie im Gegenwind hoch und runter surfte. Während wir an unzähligen Kuhweiden vorbeifuhren, konnte ich nicht fassen, dass das gerade erst der Anfang meiner Reise war.
Wir machten in Brüssel halt. Von hier musste Davey weiter nach Italien. Ich hingegen wollte nach Luxemburg und dann nach Köln. Mit meinem Rucksack auf dem Rücken stand ich vor seinem Auto. Es war Zeit, Abschied zu nehmen, doch Davey sah mich einen Moment an, und statt des erwarteten ›Goodbye‹ sagte er: »Hey, weißt du, was ich mir überlegt habe? Mir hat da mal ein Mädchen erzählt, dass man immer mit dem Flow gehen sollte. Also werde ich dich noch bis nach Köln fahren. Ich habe keinen Zeitdruck, und du bist mir ans Herz gewachsen.«
Manche Sachen ändern sich nie
VON KÖLN NACH PRAG
In Köln kam ich erst mal zur Ruhe. Wie immer wohnte ich bei meinen lieben Freunden Markus und David. Die beiden waren in jeder Lebenslage für mich da, und egal wie spontan ich meinen Besuch auch ankündigte, gab es immer Platz für mich in ihrer Wohnung, und wenn mal kein Platz war, wurde Platz gemacht. Sie gaben mir ein Gefühl von Sicherheit in meinem strukturlosen Leben.
Da ich länger in Köln gewohnt hatte, hatte ich hier eine Art Base. Neben Markus und David zählte dazu auch meine liebste Katja, die für alle meine verrückten Ideen immer Verständnis hatte. Trotzdem wurde ich immer wieder gefragt, ob ich denn wirklich vorhätte, bis nach Australien zu reisen. Die Frage war für mich einfach zu beantworten, die letzten Tage waren nur ein kleiner Vorgeschmack auf das gewesen, was mich da draußen erwarten würde. Jeden Tag neue Herausforderungen. Jeden Tag neue Gesichter, neue Sprachen, neue inspirierende Geschichten. Wie könnte ich da noch einen Rückzieher machen? Verdammt, selbstverständlich wollte ich nach Australien, und in erster Linie wollte ich die Wege dahin beschreiten und mich durch den Dschungel des Lebens kämpfen.
Als ich den Abschied in Köln hinter mich gebracht hatte, kam der nächste und schwerste Schritt: München, mein vermeintliches Zuhause. Am meisten lag es mir nun am Herzen, meinen besten Freund Marcel noch einmal zu sehen. Tatsächlich waren wir jahrelang zusammen gewesen und hatten nach unserer Trennung eine tiefe, unvergleichliche Freundschaft aufgebaut, und es gab niemanden, der mir so nahstand wie er.
Wir verbrachten ein paar Tage miteinander, und ich hatte das Gefühl, er war nervöser und besorgter wegen meines Vorhabens, als ich es war. Er begleitete mich zum russischen Konsulat, um mein Visum zu beantragen, und half mir, alle anderen Dinge zu regeln. Er hatte sogar Geld als Notpolster für mich gespart. Schon immer haben wir alles füreinander getan und uns gegenseitig geholfen, wenn es brenzlig wurde. Während unserer Beziehung konnten wir immer aufeinander zählen, und danach wurde dieses Vertrauen fast noch stärker. Ungerne lasse ich mir bei meinen Plänen oder Aufgaben unter die Arme greifen, doch bei Marcel machte ich eine Ausnahme und war froh, so eine Stütze in meinem Leben zu haben.
Am Tag meiner Abreise standen wir schweigend in seiner kalten, dunklen und verstaubten Küche. Das Licht kam kaum durch die Fensterscheibe, da diese seit Jahren nicht mehr geputzt worden war. Marcel strich seine langen Haare aus dem Gesicht und zündete sich nervös zum wiederholten Mal seinen Joint an. Seine blauen Augen glitzerten, und ich war nicht sicher, ob es am Joint oder an unserem Abschied lag. Er hatte Angst um mich, das war unübersehbar. Quer durch den Raum blickte er mich an. »Sag mal, machst du dir wirklich gar keine Sorgen?«, nuschelte er und beendete den Satz mit einem Räuspern.
Um seinem Blick auszuweichen, sah ich aus dem Fenster und beobachtete, wie ein paar Sonnenstrahlen versuchten, gegen die dicken, grauen Wolken zu kämpfen. »Nein, ich habe keine Angst. Ich will nur, dass es endlich richtig losgeht. Ich will weg hier und spüren, dass ich lebe, weit weg von jeglicher Art von Sicherheit.«
Marcel lächelte mit einer Seite des Munds, aber sein restliches Gesicht konnte nicht verbergen, dass meine Antwort seine Sorgen nicht zerstreute. »Ich würde mir in die Hose scheißen«, sagte er nervös lachend. Für einen kurzen Moment ließ er die Stille den Raum füllen, und dann fügte er hinzu: »Ich bin stolz auf dich!«
Am nächsten Morgen war es so weit. Meine Kleidung hatte ich frisch gewaschen und in Vakuumtüten in meinem Backpack verstaut. Ein letztes Mal für eine lange Zeit stand ich in dieser Wohnung. Hier roch es für mich nach Vertrautheit, hier war bis jetzt immer zu Hause gewesen.
Noch einmal forderte Marcel mich auf, mich jeden Tag zu melden. Noch einmal bat er mich, vorsichtig zu sein. Noch einmal checkte er, ob ich denn auch wirklich alles Nötige dabeihatte. Noch einmal nahm er mich in den Arm, und ich konnte mich kurz in seinem Nacken vergraben, um seine Wärme zu spüren. Ich versuchte, mir seinen Geruch einzuprägen, den Moment aufzusaugen, damit wenigstens dieser für immer mit mir reiste.
Wir verabschiedeten uns, diesmal auf unbestimmte Zeit. Ich fühlte mich, als sollte ich trauriger sein. Als sollte ich vielleicht die eine oder andere Träne vergießen. Aber noch nie hatte sich etwas in meinem Leben so richtig angefühlt. Noch nie war ich mir meines Weges so sicher gewesen. Ich befand mich in einem Zustand, in dem Traurigkeit nicht möglich war. Natürlich lag etwas Sentimentales in der Luft, und auch das Gefühl, bald völlig allein zu sein, weckte eine gewisse Unruhe in mir. Aber ich wollte mich nicht auf Zweifel einlassen, dafür war es auch definitiv zu spät. Ich blickte nicht mehr zurück und machte mir auch keine Sorgen über die Zukunft – ich war einfach nur im Moment, und der Moment war mein Ticket in die Freiheit.
In den paar Tagen in München hatte ich es noch geschafft, meinen gesamten Freundeskreis zu sehen. Keiner wollte mich ohne eine Umarmung ziehen lassen. Roxy, Mandy und Kathi gehörten in München, neben Kau, zu meinem inneren Kreis. Die meisten meiner Freunde freuten sich für mich, da sie wussten, dass mich nichts glücklicher machte, als mein Vagabundinnenherz mit Abenteuern zu füttern.
Mittags, kurz vor meinem Aufbruch, lud ich noch meine Mutter zum Essen ein. Es blieb mir nicht mehr viel Familie übrig, seit mein Vater uns, als ich klein war, verlassen und mein Bruder sich vor ein paar Jahren das Leben genommen hatte. Die Familie, die ich noch hatte, bestand aus meiner Mutter und Marcel. Sie waren das Einzige, was in meinem Leben konstant war und mir Halt gab.
Meiner Mum hatte ich viel zu verdanken, denn sie hat mich immer unterstützt und nie gezweifelt, dass ich meinen Weg finde. Als ich 14 Jahre alt war, stand ich mit gepacktem Rucksack vor der Haustür auf dem Weg nach draußen. Es war unter der Woche, und theoretisch hätte ich am nächsten Tag in die Schule gemusst. Meine Mutter sah mich verwirrt an und fragte, wo ich hinwolle. Ich sagte selbstbewusst: »Ich fahr mit den Mädels für ein paar Tage per Anhalter nach Berlin.« Meine Mutter erwiderte: »Ähm, nein, das tust du nicht!« Ich schnaufte und wandte mich ihr zu. »Schau mal, Mama, wir haben hier nun zwei Möglichkeiten: Entweder du verbietest es mir, und ich bleibe heute da, werde aber früher oder später mal bei einer Freundin übernachten und es trotzdem tun, ohne dass du es weißt. Oder du lässt mich jetzt gehen, ich werde dich