aWay. Nic Jordan

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aWay - Nic Jordan

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in dem meine Mutter ratlos nach einer Antwort grübelte und letztendlich sagte: »Okay, ich möchte, dass du mich jede Stunde anrufst, und schick mir die Kennzeichen aller Autos, in die du einsteigst, per SMS. Pass auf dich auf.« Ich umarmte sie, triumphierend über diesen kleinen Sieg, und erzählte ihr von diesem Moment an absolut alles, was in meinem Leben vor sich ging. Bis zum heutigen Tag hat sich das nicht geändert. Sie war nicht nur meine Mutter, sondern auch meine Freundin, und diese Verbindung konnte nichts mehr brechen.

      Wir saßen uns gegenüber am Tisch bei unserem Lieblingsinder, führten Gespräche übers Leben und über die Welt. Wir philosophierten über meine Reise und all die Orte, die ich sehen würde. Es war ein Mittagessen wie viele andere, auch wenn sich von heute an alles ändern würde. Wie immer bestellten wir zu viel und versuchten mühsam, alles aufzuessen. Ich war meiner Mutter sehr dankbar, dass sie mich nicht mit Sprüchen wie »Sei vorsichtig« nervte, denn sie wusste, dass ich immer vorsichtig war. Stattdessen gab sie mir noch mit ihrem sympathischen polnischen Akzent, den ich bis heute nicht nachmachen kann, eine Motivationsrede mit auf den Weg: »Weißt du, Eltern sagen immer, sie möchten, dass ihre Kinder glücklich sind. Doch am Ende machen sie ihnen Druck wegen Schule, wegen Job, weil sie sich verkehrt anziehen und, und, und. Mir ist wirklich – Hand aufs Herz, besonders seit dein Bruder gegangen ist – nichts wichtiger, als dass du glücklich bist. Deswegen macht es mich stolz zu sehen, dass du alles tust, um das zu sein.«

      Ich versprach, mich zu melden, jedenfalls so oft es ging. Mir war bewusst, dass ich an Orte kommen würde, an denen es kein Netz und keinen WLAN-Anschluss gab, aber sobald ich irgendwo genug Zeit hatte und das Internet einigermaßen funktionierte, waren sie und Marcel die ersten Menschen, bei denen ich mich rühren wollte.

      Ich wartete abfahrbereit auf meine Freundin Kau. Der Plan war, dass sie mich abholte und nach einem Abstecher nach Österreich, wo wir eine Nacht verbringen wollten, am ersten Rastplatz auf dem Weg nach Prag rausließ, sodass ich von da per Anhalter weiterkonnte. Früher waren wir immer zusammen auf Reisen und unzertrennlich gewesen. Heute hatte sie eine Tochter, die zu diesem Zeitpunkt erst ein paar Monate alt war. Das hinderte Kau daran, zu großen Reisen aufzubrechen. Aber wenn die Kleine ein wenig älter wäre, wollten wir alle zusammen reisen, das stand fest.

      Wir spielten unsere Lieblingssongs, wie I’m Like a Bird von Nelly Furtado oder Budding Trees von Nahko Bear, dazu sangen wir laut mit und ließen alte Reisegeschichten Revue passieren. Zum Beispiel erinnerten wir uns an die Zeit, als wir gemeinsam in Brüssel lebten, in einem Apartment, das nicht größer war als ihr heutiges Badezimmer, sagte sie lachend. Unsere Nachbarn waren Junkies, und das ganze Stockwerk hatte nur ein Badezimmer und eine Küche, die sich alle teilten. Regelmäßig fanden wir benutzte Spritzen und leere Tütchen auf den Toiletten. Die Küche war so dreckig, dass sich der Boden bewegte, wenn das Licht aus war. Die Zustände dort waren ekelerregend, aber wir mussten keine Miete zahlen, also beschwerten wir uns nicht. Am Anfang des damaligen Sommers hatte ich auf einem französischen Musikfestival ein paar Jungs aus Belgien kennengelernt, und einer von ihnen hatte dieses Apartment als Studentenwohnung gemietet, doch in den Semesterferien war er bei seinen Eltern in der Heimat, und so konnten wir die Bude für uns nutzen. Wir hatten so unglaublich viele gemeinsame Erinnerungen und Geschichten, aber nach unserem kleinen Roadtrip stand diese Reise nur mir allein bevor.

      Als wir uns am nächsten Tag dem tschechischen Rastplatz näherten, bemerkten wir eine riesige Baustelle, die sich kilometerweit in die Ferne zog. Den Rastplatz, von dem aus ich Abschied nehmen und lostrampen wollte, schien es nicht mehr zu geben. Der nächste war eine halbe Stunde Fahrt entfernt. Kau sah mich einen Moment lang an und fragte: »Wie weit ist Prag noch mal von hier? Ich fahr dich einfach bis dahin und fahre morgen zurück.« Einen kurzen Augenblick lang herrschte Stille, da ich sie ungläubig ansah, und dann brachen wir beide synchron und hysterisch in Gelächter aus. Kau rechtfertigte ihre Spontanität damit, dass ihre Kleine sicher bei ihrem Papa war und sie ja nicht wusste, wann sie mich wiedersehen würde. Also wollte sie noch so viel Zeit wie möglich mit mir verbringen.

      Ich erinnerte mich an das bisherige Motto meiner Reise, einfach mit dem Flow zu gehen, und willigte ein. Kurz klärte Kau die eine oder andere Sache am Telefon ab, bevor wir wie selbstverständlich und voller Freude gemeinsam weiterfuhren.

      Einer der interessantesten Aspekte daran, per Landweg zu reisen, ist, dass man sofort merkt, wenn man die Grenze zu einem anderen Land überquert. Nehmen wir Tschechien als Beispiel: Der Boden der Autobahn ist hier wesentlich rauer und holpriger als der in Deutschland. Die Tankstellen sehen anders aus, die Snacks dort sind ungesünder, und die Menschen haben eine aggressivere Fahrweise.

      Es war bereits dunkel, als wir den Stadtrand durchquerten und in die prall gefüllten Großstadtstraßen Prags eintauchten. Es war mein erstes Mal in der tschechischen Hauptstadt, zumindest seit ich mich erinnern kann. Als ich jünger war, waren meine Eltern ab und zu mit uns dorthin gereist, aber davon weiß ich nur durch unsere zahlreichen Familienfotos. Jene klassischen family portraits, auf denen alle glücklich wirken, auf denen Momente eingefangen sind, die in Realität meistens völlig anders waren, und durch die auch die eigene Erinnerung getrübt und verfremdet wird. Sagen wir mal so: Ich war das erste Mal bewusst und gewollt in Prag – diesmal würde ich Erinnerungen schaffen, die echt sind.

      Wir parkten das Auto in einem labyrinthartigen Parkhaus im Zentrum Prags. Im Inneren des zugehörigen Shoppingcenters befand sich ein Supermarkt, in dem wir ein paar Kleinigkeiten für die Nacht kaufen wollten. Wir merkten uns genau, auf welchem Weg wir das Parkhaus verließen: Links die Fahrbahn runter und an drei Autos vorbei, schlenderten wir rechts um zwei Säulen herum, um geradeaus den gelblich leuchtenden Eingang des Ladens zu sichten. Kaus alten grauen BMW konnte man nicht mal abschließen, aber um ehrlich zu sein, war nichts drinnen, was man, würde es gestohlen, als Verlust bezeichnen könnte.

      Ich liebe es, in fremden Ländern durch Supermärkte zu bummeln. So viele Dinge, die man nicht kennt, und es würde Jahre dauern, alles auszuprobieren.

      »Die stehen hier voll auf Waffeln, scheint hier so ein Ding zu sein«, sagte Kau, als sie ein riesiges Regal erblickte mit – ungelogen – um die hundert verschiedenen Schokoriegelsorten. Davon war so ziemlich jede mit einer knusprigen Waffel gefüllt. Direkt daneben waren Regale voller getrockneter Früchte und Nüsse, die an einen türkischen Bazar erinnerten. Als wir etwas weiter gingen, entdeckten wir unzählige Gläser, gefüllt mit eingelegtem Gemüse aller Art.

      Wir verließen den Supermarkt mit sechs trüben Gurkengläsern, einem Karton voll Schokoladenriegel, natürlich mit Waffeln als Füllung, und einer Familienpackung getrockneten Früchten. Zufrieden mit unserer Ausbeute betraten wir wieder das Labyrinth, um zu unserem hässlichen Auto zurückzukehren. Wir gingen den gleichen Weg zurück, den wir gekommen waren. Geradeaus, nach der zweiten Säule links, an drei Autos vorbei, rechts die Fahrbahn hoch und da … da, äh, sollte es doch eigentlich stehen. Verwirrt kratzten wir uns am Kopf und glotzten auf den leeren Parkplatz. Wir versuchten, den Weg nochmals zu rekonstruieren, leider ohne Erfolg.

      Über unseren Köpfen entdeckten wir eine Kamera, und so beschlossen wir, einen Wachmann aufzusuchen, um unser Auto eventuell gestohlen oder zumindest vermisst zu melden. Wir gingen den ganzen Weg zurück zum Erdgeschoss, und da ich die ganze Zeit die Leckereien mit mir herumtrug, die wir im Supermarkt ergattert hatten, begannen meine Schultern langsam zu schmerzen. In einer offenen Tür stand ein kleiner Wachmann und stritt sich laut mit jemandem am Telefon. Er hatte eine selbst gedrehte Zigarette zwischen Zeige- und Mittelfinger klemmen, die aussah, als würde sie jeden Moment in der Mitte auseinanderbrechen. Als wir uns näherten, bemerkte uns der kleine Mann, sagte etwas auf Tschechisch, was nach einem abrupten Ende des aufbrausenden Gesprächs klang, und schob sein altes Nokia in eine der Ledertaschen, die an seinem Gürtel befestigt waren. Er setze seine Mütze auf, um seine fettigen, kurz geschorenen Haare zu verdecken, und grüßte uns mit »Ahoj!«.

       »Hello Sir, sorry to interrupt your phone call, but I think, we lost our car!«

      Der

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