Zukunft braucht Herkunft. Philosophische Essays. Odo Marquard

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Zukunft braucht Herkunft. Philosophische Essays - Odo Marquard Reclam Taschenbuch

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man nicht an sie glaubt.«

       2

      Das ja, direkt genommen, gegen die Fachräson verstößt, indem es die Philosophie als etwas vorstellt, zu dem – und zwar sowohl zum Dogmatismus der Kritik wie zum Skeptizismus der zur Position gemachten Nichtigkeit – man gegenwärtig skeptisch sich verhalten sollte. Aber – zumal es sich ja auch lesen lässt als Dialektik ihrer Fehlleistungen, die eine Analytik ihrer Leistungen provozieren will – indirekt gilt schließlich das Gegenteil; denn welch unerschütterliche Lebenskraft beweist doch die Philosophie als Fach schon allein dadurch, dass sie sich dies leisten kann: bei einem repräsentativen Anlass justament den (was seine Haupttätigkeit betrifft) notorischen Defätisten der Innung als Mutmacher zu engagieren.

      Lob des Polytheismus

      Über Monomythie und Polymythie

      Das Bewusstsein der hohen Ehre, die mir widerfährt durch die Einladung, in Ihrem Mythenkolloquium zu sprechen, verbindet sich bei mir mit einer heftigen Furcht und einer zaghaften Hoffnung. Ich fürchte, Sie haben mich eingeladen, weil Sie bei mir mythologiephilosophische Kompetenz vermuten. Das wäre ein glatter Irrtum: ich habe keine. Wohl aber habe ich etwas anderes, nämlich die eben erwähnte zaghafte Hoffnung, dass Sie mich ganz im Gegenteil – um diese meine mythologiephilosophische Inkompetenz mehr als mir lieb sein kann wissend – aus zwei sehr anderen Gründen eingeladen haben, entweder aus dem einen oder aus dem anderen oder sogar aus beiden. Der eine Grund wäre dieser: Sie lassen mich nicht nur trotz, sondern gerade wegen meiner mythologiephilosophischen Inkompetenz sprechen: weil man hier in diesem Kolloquium – sagen wir einmal: aus Paritätsgründen – einen Nichtsachverständigenvertreter zu Wort kommen lassen will mit einer paradigmatisch inkompetenten Äußerung; nur einen zwar (schließlich haben alle Paritätsregelungen einmal klein angefangen), aber immerhin wenigstens einen; und in diesem Fall ist es ganz plausibel, dass man, wenn schon nicht notwendigerweise mich, so doch jedenfalls einen Auswärtigen chartert: Wer will schon eine Untat verrichten und dann am Tatort bleiben müssen? Der andere Grund wäre dieser: Sie haben erfahren, dass ich der Philosophie »Inkompetenzkompensationskompetenz« zuspreche; wenn das – so mögen Sie folgern – generell zutreffen soll, muss es auch im speziellen Fall – also für das Thema Mythos – zutreffen; und dann soll eben der Urheber dieser philosophiebezüglich halbüblen Nachrede einmal zeigen, was er einschlägig zu bieten hat.

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