Behemoth. Franz Neumann

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Behemoth - Franz Neumann eva taschenbuch

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Führer stehen somit folgende Gesetzgebungsbefugnisse zur Verfügung:

      1 Seine direkten Gesetzgebungsakte, entweder in Form eines Gesetzes, einer Verordnung oder eines Erlasses. Von der letztgenannten Form wird in zunehmendem Maße Gebrauch gemacht, wie bei der Eingliederung von Eupen-Malmedy und Moresnet in das Reich und der Ernennung von Reichskommissaren für Norwegen und die Niederlande. Ein weiteres Beispiel ist die Erweiterung des Vierjahresplanes. Die direkte Gesetzgebungstätigkeit des Führers hat sich jedoch vermindert.

      2 Die vereinfachten Gesetzgebungsakte der Reichsregierung, gestützt auf das Notverordnungsgesetz von 1933; sie sind im Krieg praktisch aufgegeben worden.

      3 Reichstagsgesetze; von diesen ist seit 1936 kein Gebrauch mehr gemacht worden, doch lassen sie sich für propagandistische Zwecke wieder einsetzen.

      4 Die Volksabstimmung; ein weiteres Propagandawerkzeug.

      5 Die Gesetzgebungsgewalt des Ministerrates für die Reichsverteidigung, des normalen Gesetzgebers.

      6 Verordnungen des Triumvirats der Generalbevollmächtigten, zum Teil Durchführungsbestimmungen zur Verwirklichung von Gesetzgebungsakten des Ministerrates, zum Teil darüber hinausgehende Verordnungen. In diese Sparte fällt die Verordnungsbefugnis des Beauftragten für den Vierjahresplan.

      7 Die Gesetzgebungsbefugnisse des Reichsmarschalls für den Luftschutz.

      8 Die den Reichsministern in ihrem jeweiligen Kompetenzbereich übertragene Gesetzgebungsgewalt, die sich auf besondere Ermächtigungen stützt, und natürlich die große Zahl anderer Fälle von delegierter Gesetzgebung.

      Die Konzentration der politischen Macht beschränkt sich nicht auf die höchste Ebene, sondern ist auch auf die Bezirksebene ausgedehnt worden. Eine Verordnung des Ministerrats vom 1. September 1939 bestimmte 18 Reichsverteidigungskommissare mit Sitz am Ort der 18 Wehrkreiskommandos. Sie sind die Vollzugsorgane des Ministerrates auf Bezirksebene. Ihre Aufgabe ist die Vereinheitlichung der zivilen Verteidigung. Sie verfügen nicht über einen eigenen Apparat, sondern müssen sich der vorhandenen Maschinerie der Oberpräsidenten (in Preußen), der Reichsstatthalter oder der Länderministerien bedienen, je nachdem, wo das Wehrkreiskommando seinen Sitz hat. Die Reichsverteidigungskommissare sind damit die obersten Verwaltungsbeamten in den Wehrkreisen, ermächtigt, sämtlichen Verwaltungsbehörden in ihrem Amtsbereich – außer in Ausnahmefällen – Weisungen zu erteilen. Ihre Bevollmächtigten, die in der Praxis häufig die eigentliche Arbeit leisten, sind die Chefs jener Verwaltungsbehörden, von denen die Reichsverteidigungskommissare zur Erledigung ihrer Aufgaben Gebrauch machen. Diese Regelung bedeutet die völlige Zerstörung der überkommenen hierarchischen Struktur des deutschen Beamtentums und ist zugleich ein Zeugnis dafür, daß die Notwendigkeit einer leistungsfähigen Verwaltung höher geschätzt wird als traditionelle Begriffe und Wertvorstellungen. Um ein Beispiel zu geben: Der Reichsverteidigungskommissar Nummer XII für das Wehrkreiskommando mit Sitz in Wiesbaden bedient sich zur Erfüllung seiner Aufgaben des Amtes des Regierungspräsidenten in Wiesbaden. Sein Bevollmächtigter ist demnach von Rechts wegen der Regierungspräsident. Normalerweise ist dieser Regierungspräsident der Untergebene des Oberpräsidenten, aber als Bevollmächtigter des Reichsverteidigungskommissars steht er tatsächlich über seinem Vorgesetzten.

      Gemäß einer weiteren Verordnung des Ministerrates vom 22. September 1939 können die Verteidigungskommissare besondere Beauftragte für bestimmte Gebiete bestellen.

      Zum gleichen Zeitpunkt wurden 18 Reichsverteidigungsausschüsse zur Unterstützung der Reichsverteidigungskommissare gebildet. Ihnen gehören die Reichsstatthalter, die Gauleiter, die Oberpräsidenten, die Ministerpräsidenten und Minister der Länder, die höheren SS-Führer, die Regierungspräsidenten, die Reichstreuhänder der Arbeit, die Landesarbeitsamtspräsidenten und andere Männer an, die als Mitglieder berufen werden können. Die Funktion dieser Ausschüsse ist rein beratender Natur.

      Der Krieg hat mithin den totalitären Staat zu seiner vollen Entwicklung gebracht. Die politische Macht liegt ausschließlich beim Ministerrat für die Reichsverteidigung.

      Unmittelbar vor Ausbruch des Krieges wurden die durch Verwaltungsgerichte auferlegten Beschränkungen weitgehend aufgehoben. Durch Führererlaß vom 28. August 1939 wurde die Vereinfachung der Verwaltung zum Tagesordnungspunkt Nummer 1 erhoben. Unter dieser irreführenden Bezeichnung wurden die Einschränkungen der autoritären Macht der Verwaltungsbehörden weitgehend beseitigt. In Verwaltungsverfahren des Reiches, der Länder, der Gemeinden und der öffentlichen Körperschaften wurde das Recht der »weiteren Beschwerde« beseitigt. An die Stelle der Anfechtung einer Verfügung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren trat die bloße Beschwerde bei der vorgesetzten Verwaltungs- oder Aufsichtsbehörde. Nur dann, wenn die untere Beschwerdebehörde eine Anrufung des höheren Verwaltungsgerichts zuläßt, kann ein verwaltungsgerichtliches Verfahren erfolgen.

      Die am 6. November 1939 erlassene zweite Verordnung über die Vereinfachung der Verwaltung hob einfach alle unteren Verwaltungsgerichte auf, und eine weitere Verordnung vom 26. September 1939 beseitigte die untersten Verwaltungsbehörden in den Verwaltungsbezirken. Gemäß dem Führererlaß wurden die öffentlichen Körperschaften schlicht zu Organen des Staates. Sie werden nun nicht nur vom Staat beaufsichtigt, sondern sind zum untrennbaren Bestandteil des Verwaltungsapparates geworden. Die Reichsbehörden können sie nach freiem Ermessen auflösen. Nur die Partei und die ihr angeschlossenen Verbände sind von dieser Möglichkeit ausgenommen.

      Ein Erlaß vom 3. April 1941 begründete ein neues Reichsverwaltungsgericht. In ihm sind das preußische Verwaltungsgericht, das frühere österreichische Verwaltungsgericht, der frühere Reichsdienststrafhof und andere zusammengefaßt. Seine Mitglieder werden vom Führer ernannt, können aber am Ende jeden Jahres in andere Ämter versetzt werden. Außerordentliche Mitglieder, deren Aufgabe die Behandlung von Sonderproblemen ist, können für befristete Zeiträume vom Reichsinnenminister bestellt und selbst Außenseiter dürfen ernannt werden. Das neue Reichsverwaltungsgericht ist folglich keine unabhängige Instanz, und die Richter genießen keine garantierte Unabhängigkeit. In Wirklichkeit ist also die Macht des Ministerrates für die Reichsverteidigung und der ihm nachgeordneten Behörden, der 18 Reichsverteidigungskommissionen, völlig unbeschränkt und unbegrenzt. Sie unterliegt keiner institutionellen Kontrolle. Die tatsächliche Realisierung des totalitären Staates ist mithin im gegenwärtigen Krieg so weit gediehen, daß für eine weitere Entfaltung kaum noch Raum sein dürfte.

      Doch diese Realität stimmt nicht mit der Ideologie überein. In dem Maße, wie die politische Macht des Staates gewachsen ist, ist die Idee des totalitären Staates verworfen worden.

      II. Die Revolte der Partei und der Staat der »Bewegung«

       1. Der ideologische Protest gegen den totalitären Staat

      Der Anspruch der Partei und der des totalitären Staates stehen offensichtlich in Widerspruch zueinander. Ist der Staat die oberste Gewalt, dann kann die Partei nur einer seiner Arme sein, so wie das Beamtentum oder die Reichswehr, und vielleicht sogar weniger bedeutend als diese. Doch der Sieg des Nationalsozialismus war in erster Linie den Anstrengungen der Partei, ihren politischen Gruppen und angeschlossenen Militärverbänden, Handwerksvereinen, Bauernbünden, ja sogar ihrem Arbeiterflügel zu verdanken. Die Parteifunktionäre hungerten nach Beute und riefen nach den Posten der Beamten, die der Partei größtenteils nicht, oder nur um ihres Vorteils willen statt aus Überzeugung, beigetreten waren; der kleine Mittelstand forderte seinen Anteil an Warenhäusern und Genossenschaften; und die Braunhemden, geführt von Hauptmann Röhm, dürsteten danach, der Reichswehr gleichgestellt zu werden, deren Führer sie verächtlich als »Schreibtischgeneräle« bezeichneten. Alfred Rosenberg, das philosophische Orakel der Partei, war über Baron von Neuraths vorsichtige Außenpolitik ungehalten. Die Unmutsäußerungen nahmen zu. Die Partei versuchte, der Unzufriedenheit ein Ende

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