Behemoth. Franz Neumann

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Behemoth - Franz Neumann eva taschenbuch

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des Generalbevollmächtigten für die Bauwirtschaft (Todt) und des Beauftragten für den Vierjahresplan (Göring).

      Parteiführer haben nicht nur häufig hohe Regierungsämter inne, sondern die Rechtshoheit der Partei hat auch einen offiziellen Status erhalten. Der Stellvertreter des Führers hilft bei der Ausarbeitung von Legislativ- und Exekutivvorschriften (z. B. den Verordnungen vom 25. Juli 1934 und 6. April 1935) und bei der Auswahl der direkt vom Führer zu ernennenden Beamten (§ 31 des Deutschen Beamtengesetzes vom 26. Januar 1937). Dasselbe gilt für die Reichsarbeitsdienstleiter (3. April 1936). In der Gemeindeverwaltung ist und bleibt der Vertreter der Partei ein Parteifunktionär (§ 6 der Reichsgemeindeordnung).

      Aus alledem können wir folgern, daß es unmöglich ist, die NSDAP als Körperschaft des öffentlichen Rechts zu beschreiben. Diese Tatsache wird noch deutlicher, wenn wir die Frage der richterlichen Kontrolle, die entscheidende Frage für jede Körperschaft des öffentlichen Rechts, untersuchen. Die einhellige Meinung hierzu lautet, daß die Partei keiner wie auch immer gearteten Kontrolle unterliegt. Eine Zwangsvollstrekkung über das Vermögen der Partei wegen öffentlich- oder privatrechtlicher Forderungen ist nicht zulässig.25 Darüber hinaus sind die interne Verwaltung der NSDAP, ihre Gesetzgebungsstruktur und ihre Gerichtsbarkeit nicht mit anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts vergleichbar. Dokumente, die von den Parteiführern herausgegeben werden, sind Staatsdokumente, parteipolitische Führer sind Staatsdiener. Parteigerichte haben dieselben Befugnisse wie ordentliche Gerichte: sie haben das Recht, Zeugen und Sachverständige unter Eid zu vernehmen; einem unteren Parteifunktionär ist es nicht gestattet, vor einem Staatsgericht oder einem Verwaltungsorgan ohne Zustimmung der Parteichefs auszusagen. So werden staatliche Prärogativen, die die Beamten genießen, auf die Parteihierarchie übertragen, und so genießen Parteiuniformen und -einrichtungen denselben Schutz wie die Uniformen und Einrichtungen des Staates (Gesetz vom 20. Dezember 1934); das Parteivermögen ist steuerfrei (Gesetze vom 15. April 1935 und 1. Dezember 1936).

      Die autonome Stellung der Partei kommt am besten in der Tatsache zum Ausdruck, daß sie nicht für schuldhafte Handlungen ihrer Amtsträger haftet, obwohl diese Haftung nach deutschem Recht für Amtsträger privater Körperschaften und für Staatsbeamte gilt (Artikel 131 der Weimarer Verfassung). Einige Oberlandesgerichte und das Reichsgericht haben auf Haftung der Partei für schuldhaftes Verhalten ihrer Amtsträger entschieden, insbesondere bei unpolitischen Angelegenheiten26, doch die Mehrzahl der Juristen und die meisten unteren Gerichte akzeptieren keinerlei Haftung. Die Partei beansprucht für sich ausdrücklich alle Privilegien des Staatsdienstes, lehnt aber jegliche Haftung ab. Sie kann nicht für schuldhafte Handlungen ihrer Beauftragten belangt werden, es sei denn, sie stimmt dem staatlichen Gericht in einem Sonderfall aus freiem Willen zu.27 Die NSDAP nimmt damit die Position ein, die normalerweise einem souveränen Staat gegenüber einem anderen zukommt. Sollte sich diese Situation auf sämtliche Bereiche erstrecken, dann wird die Partei letzten Endes über dem Staat stehen.

      Die Partei ist kein Organ des Staates. Ihre Rechtsstellung läßt sich nicht mit den Begriffen unserer traditionellen Verfassungslehre definieren. Walter Buch28, oberster Parteirichter und als solcher einer der Herren über Leben und Tod, vergleicht die Partei mit dem Staat selbst. Träfe dieser Vergleich zu, dann gäbe es eine absurde Situation, denn das würde die Existenz eines dualistischen Systems bedeuten, zweier koexistierender souveräner Gewalten, die beide Loyalität beanspruchen und zweierlei Recht schaffen. Frick, Reichsinnenminister und langjähriges Parteimitglied – dem es nicht gelungen ist, sich völlig von der Tradition konservativen Denkens zu befreien, das er sich als bayerischer Beamter zu eigen gemacht hatte – bediente sich folgender Analogie, um das Dilemma zu lösen: die Parteiorganisation und der Staatsapparat gleichen zwei Säulen, die das Dach des Staates tragen, aber die staatlichen Behörden können und dürfen nur von ihren vorgesetzten Dienststellen innerhalb der Staatshierarchie Weisungen entgegennehmen.29 Diese Interpretation löste heftige Proteste aus, weil sie dem Staat wieder die Obergewalt zusprach. Reinhardt, Staatssekretär im Reichsfinanzministerium und hoher Parteifunktionär, bestand darauf: »Die fundamentale Grundlage dieser Einheit ist nicht der Staat, sondern die NSDAP.«30 Nach seiner Auffassung würde der Staat zu einem Organ der Partei; dem widerspricht die Tatsache, daß Armee und Beamtentum nur den Weisungen der entsprechenden staatlichen Behörden unterworfen sind.

      Und wenn Carl Schmitt versuchen sollte, das Rätsel mit seiner Beschwörungsformel, »daß Staat, Bewegung, Volk unterschieden aber nicht getrennt, verbunden, aber nicht verschmolzen sind«31, zu lösen, dann würde er in der Tat sehr wenig aufhellen – so wenig wie jene intelligenten nationalsozialistischen Theoretiker, die meinen, daß Staat und Partei in einer »Verfassungsgemeinschaft« leben, weshalb die Idee der Partei die des Staates sei.32 Viele kompetente Beobachter sind zu dem Schluß gekommen, daß nichts Definitives ausgesagt werden könne, da die politische Theorie und Verfassungslehre des Nationalsozialismus sich noch im Stadium dauernder Veränderungen befänden33. Unsere Aufgabe wird es sein nachzuweisen, daß dies nicht ganz zutrifft, daß es ein bestimmtes Modell der politischen Theorie und Verfassungstheorie gibt, wenngleich dieses Modell nicht in die rationalen Kategorien politischen Denkens, wie wir sie kennen, paßt – handele es sich um liberale, absolutistische, demokratische oder autokratische.34

      Bevor wir die Struktur der neuen nationalsozialistischen Theorie weiter entwickeln, müssen wir die Bedeutung der nationalsozialistischen Denunziation des Staates untersuchen. Ein Vergleich der nationalsozialistischen mit der faschistischen Theorie wird die ganze Angelegenheit klären.

      In Italien ist nach wie vor die Hegelsche Staatstheorie, wenn auch in verzerrter Form, vorherrschend. »Grundpfeiler der faschistischen Lehre«, so sagt Mussolini, »ist die Auffassung vom Staat, seinem Wesen, seinen Aufgaben und seinen Endzwecken. Für den Faschismus ist der Staat ein Unbedingtes, vor dem Einzelmenschen und Gruppen das Bedingte sind … Für den Faschismus ist der Staat nicht ein Nachtwächter … Er ist auch nicht eine Vorkehrung zu rein materiellen Zwekken … Und noch weniger ist er die Schöpfung reiner Politik … Der Staat, wie der Faschismus ihn will und lebendig macht, ist eine geistige und sittliche Tatsache, da er die politische, rechtliche und wirtschaftliche Obsorge am Volk verwirklicht. Und solche Obsorge ist nach Ursprung und Entfaltung eine Äußerung des Geistes«.35

      Die von den Doktrinen der italienischen Nationalisten stark beeinflußte Darstellung Mussolinis ist von der offiziellen Verfassungslehre in Italien voll und ganz übernommen worden. Alles ist »vom Staat erfaßt«.36 Der Staat ist ein Organismus; er hat ein Eigenleben.37 Giovanni Gentile gab dieser Lehre ihre weltanschauliche Prägung. Der Staat ist ein sittlicher Staat, die Verkörperung des nationalen Bewußtseins, und er besitzt eine Mission. Der Staat ist in Wirklichkeit das von allen »zufälligen Unterschieden« befreite Individuum; der Staat ist Tat und Geist.38 In Einklang mit dieser Lehre ist die faschistische Partei ein untergeordneter Teil des Staates, eine Institution innerhalb des Staates.39

      Zu einem früheren Zeitpunkt seiner politischen Laufbahn, als er ein Gegner der Regierung war, hatte Mussolini diese Apotheose des Staates, die er später zur offiziellen politischen Doktrin machen sollte, verworfen. »Ich gehe vom Individuum aus«, sagte er, »und schlage auf den Staat los. Nieder mit dem Staat in allen seinen Formen und Inkarnationen! Dem Staat von gestern, von heute, von morgen! Dem bürgerlichen und dem sozialistischen Staat! Im Dunkel des Heute und in der Ungewißheit des Morgen ist die augenblicklich absurde, aber ewig tröstliche Religion der Anarchie der einzige Glaube, der uns zum Tode verurteilten Individualisten bleibt«.40 Eine so totale Kehrtwendung wie diese ist bei Mussolini nichts Neues. Seine Einstellung zu Themen wie Privateigentum, Monarchie, Kirche, Senat, Stabilität der Lira und so weiter hat eine ganze Reihe von tiefgreifenden Wandlungen erfahren.

      Die Sophistik Gentiles erwies sich bei diesen Metamorphosen als nützlich; mit ihrer Hilfe sind praktisch alle Gegensätze auszugleichen. Selbst Anarchismus und Staatsabsolutismus sind miteinander vereinbar, wenn man den Staat als das wahre

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