Behemoth. Franz Neumann

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Behemoth - Franz Neumann eva taschenbuch

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die Macht der Staatsbürokratie. Hinzu kommt die Tendenz der betroffenen Parteien wie Gewerkschaften, Kartelle, Unternehmerverbände und politische Gruppen, selbst bürokratische Einrichtungen zu werden50, deren Zweck entweder darin besteht, ihre Organisationen funktionsfähig oder sich selbst an der Spitze zu halten. Die spontanen Wünsche der breiten Masse werden dabei unweigerlich geopfert.

      Konfrontiert mit der Wahl zwischen zwei Arten von Bürokratie, mag die Bürgerschaft die öffentliche der privaten Bürokratie vorziehen; denn private Bürokratien verfolgen egoistische Gruppeninteressen, während öffentliche Bürokratien, selbst wenn sie von Klasseninteressen beherrscht werden, dem Allgemeinwohl eher zuneigen. Das ist darin begründet, daß Staatsbürokratien festgesetzten und nachprüfbaren Regeln gehorchen, während private Bürokratien geheime Anweisungen befolgen. Der Staatsdiener wird nach einem Laufbahnsystem ausgewählt, das auf dem Prinzip der Chancengleichheit für jeden Bewerber beruht, wenngleich dieses Prinzip in der Praxis häufig pervertiert wird. Private Bürokratien kooptieren ihre Mitglieder, und dieser Vorgang entzieht sich der Kontrolle durch die Öffentlichkeit.

      Max Webers soziologische Analyse der Bürokratie hat, obwohl sie von einem Idealtypus ausgeht, einen gewissen Wahrheitsgehalt, der auf alle bürokratischen Institutionen zutrifft. Präzision, Stetigkeit, Disziplin, Verläßlichkeit und Rationalität kennzeichnen danach den Beamten, der »unpersönlich« seines Amtes waltet, d. h.: »sine ira et studio, ohne Haß und Leidenschaft … unter dem Druck schlichter Pflichtbegriffe; ›ohne Ansehen der Person‹, formal gleich für ›jedermann‹«.51 Zwar kann die Bürokratie durchaus zu einer antidemokratischen Kraft werden, aber ob das tatsächlich geschieht, hängt in viel größerem Maße von der Stärke der demokratischen Kräfte als von den ihr innewohnenden Tendenzen ab. Selbst wenn sie reaktionär werden sollte, wird die Bürokratie dazu neigen, ihre Maßnahmen auf gesetzlichem Wege durchzuführen, in Übereinstimmung mit den festen Regeln, an die sie sich halten muß. Sie wird ein Minimum an Freiheit und Sicherheit bewahren und so die Auffassung stützen, daß jedes rationale Gesetz, gleich welchen Inhalts, eine unbestreitbare Schutzfunktion hat.

      Aus den genannten Gründen erscheint das rationale Verfahren der Bürokratie als unvereinbar mit dem Nationalsozialismus. Die Ablehnung der staatlichen Obergewalt ist daher mehr als ein ideologisches Mittel, das den Verrat der Partei an Armee und Beamtentum verbergen soll; sie ist Ausdruck der realen Notwendigkeit des System, sich der Herrschaft des rationalen Gesetzes zu entledigen.

      Wir dürfen uns indes nicht dazu verleiten lassen anzunehmen, daß die Zentralisierung des bürokratischen Apparates in Deutschland in irgendeiner Weise geschmälert wurde, die Existenz der NSDAP die Macht der Bürokratie in irgendeiner Weise beschränkt hat. Im Gegenteil: Aufrüstung und Krieg haben die autoritäre Kontrolle der Bürokratien in Reich, Ländern und Gemeinden spürbar verschärft.

      Wir haben es also mit zwei gleichzeitig auftretenden Entwicklungen zu tun: einerseits dem enormen zahlen- und funktionsmäßigen Wachstum der staatlichen Bürokratien, andererseits der ideologischen Verteufelungskampagne, die sich gegen die Bürokratie richtet und von einer Kampagne zur Machtstärkung der Partei begleitet wird. Die Partei selbst stellt eine riesige Bürokratie dar; der Kampf der NSDAP gegen den Staatsapparat hat den Bürokratisierungsprozeß innerhalb der Partei keineswegs verlangsamt. Im Gegenteil hat die private Bürokratisierung, in völligem Einklang mit der allgemeinen Regel, gleichzeitig mit dem Staatsinterventionismus zugenommen. In dem Maße, wie die öffentliche Reglementierung fortschritt, nahmen die privaten Verbände einen bürokratischen Charakter an. Aufgrund der Komplexität staatlichen Handels sind die Individuen gezwungen, Organisationen beizutreten, ohne die sie keine Chance hätten, sich in dem Labyrinth der Reglementierung durchzusetzen. Derselbe Prozeß zwang die Organisationen, Experten zu bestellen, unter ihren Mitgliedern eine Funktionsteilung zu schaffen und feste Regeln ihres Handels aufzustellen. Als Folge davon ist die Partei nicht nur ein Verband gläubiger Gefolgsleute, sondern ebensogut eine Bürokratie. Sie stellt eine Mischung zweier Herrschaftstypen dar: des »charismatischen« und des »bürokratischen«52, und der Umfang ihres Verwaltungsapparates kann sich mit dem des Staates messen. Daher unterscheiden die Parteijuristen streng zwischen Parteiführung und Parteiverwaltung. Einem Juristen im Stabe des Reichsschatzmeisters zufolge ist »äußeres Sinnbild der Unterscheidung von politischer Führung und Verwaltung … die Errichtung eines Führerbaues«, der sich durch »künstlerische Vielgestaltigkeit« auszeichnet, »und eines Verwaltungsbaues«, der von »strenger Sachlichkeit und nüchterner Zweckmäßigkeit« beherrscht ist.53 Wir werden auf diese allegorische Darstellung noch einmal zurückkommen. Für den Moment ist es wichtig festzuhalten, daß die vollkommene Kontrolle der Parteiverwaltung seit dem 16. September 1931 in den Händen des Reichsschatzmeisters liegt. Dies ist in den Verordnungen vom 2. Juni 1933 und 23. März 1934 bekräftigt worden. »Die Verwaltung der NSDAP liegt völlig in meiner Hand«, bemerkt Franz Schwarz, der Reichsschatzmeister, »weil sie einheitlich sein muß.«54 Schwarz kontrolliert die gesamte Partei, ihre Gliederungen, namentlich die SA und die SS, und die ihr angeschlossenen Verbände (die Deutsche Arbeitsfront, die Verbände der Ärzte, Juristen, Techniker, Lehrer, Dozenten, Beamten; das NS-Kraftfahrzeug-Korps, die Hitlerjugend, den NS-Studentenbund). Eine dritte Kategorie, die sogenannten von der NSDAP »betreuten« Organisationen55, unterstehen ähnlich der Parteiaufsicht. Dazu gehören der Deutsche Gemeindetag, das Deutsche Frauenwerk, der Reichsbund der Kinderreichen und der Reichsbund für Leibesübungen.

      Die Führerverordnung vom 29. März 1935 legt den Umfang der Finanzkontrolle des Reichsschatzmeisters fest. Danach bilden die Partei und ihre Gliederungen eine Finanzeinheit unter Aufsicht des Schatzmeisters, der in Erfüllung seiner Aufgaben auch jede beliebige staatliche Behörde um Rechtshilfe anrufen kann. Der Reichsschatzmeister hat den finanziellen Oberbefehl über das Vermögen der Partei sowie ihrer Gliederungen und zugleich die Aufsicht über die Gelder aller der NSDAP angeschlossenen Verbände. Faktisch setzt er die Beträge fest, die jeder einzelne angeschlossene Verband aus den Reihen seiner Mitglieder aufbringen muß. Die Finanzkontrolle der Partei beschränkt sich nicht auf Parteiorganisationen, sondern erstreckt sich auch auf außerparteiliche Aktivitäten wie z. B. die Sammlungen des Winterhilfswerkes (Verordnungen vom 1. Dezember 1936 und 24. März 1937), obwohl die meisten Beiträge von Nicht-Mitgliedern gezahlt werden. Von der Finanzaufsicht des Reichsschatzmeisters ausgenommen dagegen sind der Reichsarbeitsdienst und das NS-Fliegerkorps (Verordnungen vom 17. April 1939). Dieser allgemeine Trend zur Ausnahme ist auch für die SS zu beobachten: diejenigen NS-Formationen, die im wesentlichen als Glieder der staatlichen Zwangsgewalt fungieren, werden schrittweise von der Parteikontrolle befreit.

      Grundlage der Parteifinanzen sind die Beiträge der Parteimitglieder, wobei die alten Parteigenossen (die der NSDAP vor dem 1. April 1933 beitraten) einen Einheitssatz bezahlen, während für die neuen Mitglieder eine Staffelung der Beiträge nach der Höhe des Einkommens vorgenommen wurde. Hinzu kommen Bearbeitungsgebühren (Aufnahmegebühren, Zustellungsgebühren usw.), Lizenzgebühren für die Herstellung von Parteiuniformen, -abzeichen und dergleichen, durch besondere Sammlungen aufgebrachte Gelder (Gesetz vom 5. November 1934), Lotterien (Verordnung vom 6. März 1937) und staatliche Subventionen. Wie aus der Mitgliederzahl geschlossen werden kann, handelt es sich um riesige Beträge (Ende 1934 hatte die NSDAP rund 2 400 000 Mitglieder; diese Zahl blieb bis zum 1. Mai 1937 ungefähr konstant und stieg dann stark an). Seit dem 10. Mai 1939, als die Beitrittsbedingungen entschärft wurden, ist der Mitgliederzuwachs noch größer geworden. Nach Hitlers Vorstellung liegt das ideale Zahlenverhältnis von Parteimitgliedern zur übrigen Bevölkerung bei etwa 10 Prozent. Die Bestimmungen vom 11. August 1937 sehen die Rekrutierung neuer Mitglieder aus der Hitlerjugend vor, sofern sie diesem Verband für vier Jahre ohne Unterbrechung angehört und das 18. Lebensjahr erreicht haben. Ihre Aufnahme findet auf dem alljährlichen Parteitag der NSDAP statt. Die Partei hat nicht nur einen gewaltigen Spitzenapparat, sondern auch 760 Kreisleiter, 21 354 Ortsgruppenleiter, 70 000 Zellenleiter und 400 000 Blockleiter.56 Als Ergebnis stehen Staat und Partei Seite an Seite. Rechtlich kontrolliert keiner von beiden den anderen, jeder ist in seinem eigenen Bereich souverän – eine verfassungsmäßig in

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