Die Messermacher. Petra Mehnert

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Die Messermacher - Petra Mehnert

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      „Ich bin die Helene. Hier duzen sich alle.“

      „Reno … ato. Entschuldigen Sie … schon wieder … aber meine Freunde nennen mich Reno, deshalb verplappere ich mich andauernd“, stammelte er und wurde rot wie ein kleiner Schuljunge, während er das Holzstück unbeholfen in seinen Händen hin und her wandern ließ. Der Hund ließ ihn dabei keine Sekunde aus den Augen, so als wolle er den Zeitpunkt des Wurfes auf keinen Fall verpassen.

      „Kein Problem … Reno. Wenn ich Sie auch so nennen darf?“, fragte Helene und auch ihre Wangen zeigten eine leichte Röte, die man wegen ihrer braungebrannten Haut aber kaum wahrnahm.

      „Selbstverständlich können Sie … äh … kannst du mich Reno nennen. Wenn hier alle per Du sind …“, sagte Reno, war jedoch mit seinen Gedanken schon wieder ganz woanders. Immer wieder schweifte er ab, was man ihm wohl erneut ansah, denn Helene winkte ihm lächelnd zu, während sie ihren Hund am Halsband schnappte und mit ihm in ihren kleinen Bungalow ging. Widerwillig ließ sich Amigo mitziehen, denn eigentlich wollte er viel lieber mit seinem neuen Freund Stöckchenwerfen spielen. Das Holzstück hatte Reno inzwischen, ohne es bemerkt zu haben, fallen gelassen und so kostete es Helene einige Mühe, ihren Hund davon zu überzeugen, dass das Stöckchen nicht mehr für ihn bestimmt war.

      Gebeugten Hauptes ging der Vierundsiebzigjährige nun zurück zu seinem gemieteten Häuschen. Mit seinem schlurfenden Gang sah er um Jahre älter aus. Gerade so, als müsse er alle Last der Welt alleine tragen. Helene schaute nochmals kurz zu ihm herüber und fragte sich, was diesen eigentlich noch recht attraktiven Mann wohl so bedrückte. Kopfschüttelnd ließ sie sich in ihren Liegestuhl fallen, schnappte sich einen dicken Wälzer und begann zu lesen. Schnell war sie in der Geschichte versunken und hatte fürs Erste ihren neuen Nachbarn vergessen. Ihr Hund aber nicht. Er lag zwar ganz artig neben seiner Herrin, ließ Reno dabei aber nicht aus den Augen. Wann würde dieser wohl wieder mit ihm spielen?

      Ans Spielen dachte Reno jedoch überhaupt nicht mehr, vielmehr rang er mit sich, ob er seine Familie nun endlich anrufen sollte. Er musste ihnen sagen, warum er abgehauen war, sonst kamen sie womöglich noch dazu, falsche Schlussfolgerungen zu ziehen. Er war einfach auf und davon, als er Adele nachts tot in ihrem Bett liegen sah. So banal war das! Jeder Mensch reagierte unterschiedlich und völlig unberechenbar in so einer Situation, oder nicht? Jeder verarbeitete seine Trauer anders, dafür gab es keine Richtlinien und keine Regeln. Er musste allen nur erklären, dass er einen Schock bekommen und auch immer noch hatte und darum konnte er auch heute nicht mehr zurückfahren. In seinem Zustand nochmal ins Auto zu steigen wäre sehr fahrlässig. Andererseits … wäre es nicht das Beste, wenn er durch einen Autounfall ebenfalls ums Leben käme? Wie konnte er ohne Adele weiterleben und vor allem mit seiner Schuld? Entweder hatte er sie umgebracht oder sie hatte sich über ihn so aufgeregt, dass sie gestorben war. So oder so hatte er sie auf dem Gewissen! Nur verurteilt werden konnte er nur für Ersteres und das musste man ihm erst mal nachweisen. Er würde zu Hause anrufen und einfach fragen, was inzwischen geschehen war. Vielleicht kam der Arzt ja zu dem Schluss, dass es eine natürliche Todesursache war und er war dann aus dem Schneider? Falls nicht, konnte er immer noch untertauchen. Doch wo sollte er hin? Zu Rüdiger konnte und wollte er nicht mehr – nie mehr! Das war aus und vorbei!

      6

      Inzwischen hatte ich mich etwas beruhigt und war über meine plötzliche Nüchternheit selbst erstaunt. Nur noch rational denkend hatte ich im Internet nachgelesen, dass die Leichenstarre bei Raumlufttemperatur meist vom Kopf abwärts nach etwa ein bis zwei Stunden einsetzt. Bei Hitze geht das schneller, bei Kälte dementsprechend langsamer. In diesem Zimmer hatte es so um die zwanzig Grad. War das nun eine normale Zimmertemperatur? Ach was – das war ja auch egal, denn ich wollte Reno so schnell wie möglich „entsorgen“. Da die Starre nach sechs bis zwölf Stunden voll ausgeprägt war und sich zwischen vierundzwanzig und achtundvierzig Stunden wieder löst, musste ich jetzt schnell handeln. Da der Prozess bei Menschen, die vor dem Tod noch sehr aktiv waren, schneller in Gang kommt, musste ich mich jetzt echt beeilen. Denn vor Renos Tod hatten wir ja einen heftigen Streit und haben miteinander gerungen – also los jetzt! Reiß dich zusammen und fang endlich an! Mit diesen Gedanken trat ich mir selbst in den Hintern und ging hinunter in den alten Gewölbekeller, wo ich eine große Gefriertruhe stehen hatte. Als Hobbyjäger braucht man so was ab und zu, wenn die Jagd erfolgreich war. Zum Glück hatte ich in diesem Jahr noch keine Zeit zum Jagen gefunden und somit war die Truhe leer. Wenn ich meinen (ehemaligen) Freund etwas zusammenfaltete, würde ich ihn sicher dort hineinlegen können. Es war wirklich von Vorteil, wenn man alleine lebte und keine Freunde hatte. Zumindest war das fürs Erste eine gute Lösung und verschaffte mir Zeit, darüber nachzudenken, wie ich die Leiche noch ganz wegschaffen konnte.

      Zunächst vergewisserte ich mich, dass niemand in der Nähe war. Ich ging nach draußen in meinen großen Garten und spähte die lange Auffahrt hinunter. Beruhigt sah ich, dass wirklich niemand zu sehen und auch kein Motorgeräusch von einem sich eventuell nähernden Fahrzeug zu vernehmen war. Mit dem Fahrrad kam in diese abgelegene Gegend sowieso nie jemand und zu Fuß eigentlich auch nicht, denn mein Haus stand weit außerhalb von Dresden. Heute, an diesem Montagvormittag hatte ich auch keinen Kundentermin und ohne vorherige Anmeldung kam keiner zu mir in die Werkstatt.

      Wieder zurück in meinem Schlafzimmer überkam mich jedoch beim Anblick meines toten Freundes plötzlich eine so tiefe Trauer, dass ich laut aufschluchzen musste und mich neben Reno auf die Knie fallen ließ. Hemmungslos heulte ich nun Rotz und Wasser und wiederholte immer den gleichen Satz:

      „Es tut mir so leid – ich wollte das nicht!“

      Als meine Beine langsam zu schmerzen begannen und ich feststellte, dass Renos Hals bereits steif war, geriet ich wieder in Panik und fing an, ihn durchs Zimmer zu schleifen und über die engen Holzstufen nach unten zu zerren. Da ich ihn in meinem Wahn einfach an den Füßen gepackt hatte, rumpelte sein Kopf auf jeder Stufe und machte dabei ein so scheußliches Geräusch, dass es mir schon wieder schlecht wurde. Auf die Blutspur, die er hinter sich herzog, achtete ich nur am Rande – mir war nur wichtig, ihn so schnell wie möglich in die Truhe zu packen und am liebsten nie wieder sehen zu müssen. Bereits im Erdgeschoss schwitzte ich wie ein Schwein, ich schlitterte fast um die Ecke und die Steintreppe hinunter, die zum Keller führte. Die holpernden Schleifgeräusche blendete ich einfach aus, sonst hätte ich mich wirklich nochmal übergeben. Die Sauerei mit der Blutspur reichte mir schon, mehr würde ich heute nicht mehr ertragen können. Unten angekommen, riss ich den Deckel der Truhe auf, hievte und zerrte den schweren Körper über den Rand und ließ ihn zunächst unkontrolliert hineinplumpsen. Natürlich ging der Deckel so nicht mehr zu und ich musste den armen Toten regelrecht zusammenfalten, damit ich die Gefriertruhe schließen und das Schnellfrostprogramm einstellen konnte. Dabei sah ich einen kleinen Leberfleck hinter Renos linkem Ohr, der mir bisher nie aufgefallen war. Komisch – ich dachte, jeden Zentimeter seines Körpers genauestens zu kennen. Na egal – das hatte jetzt sowieso keine Bedeutung mehr, oder?

      Nachdem das erledigt war, sank ich auf den kalten Steinboden und ließ meinen Tränen abermals freien Lauf. Bevor ich mich nicht gänzlich beruhigt hatte, konnte ich auch bei den Angerers nicht anrufen und mit Reno sprechen wollen. Das hatte ich auf jeden Fall vor, um zu erfahren, ob die Familie wusste, dass er verschwunden war.

      7

      Währenddessen gingen die Ermittlungen im Falle der Familie Angerer ihren gewohnten Gang. Nachdem die Herren Kiss und Clemens mit der Ärztin gesprochen und sich von der natürlichen Todesursache hatten überzeugen können, saßen sie nun im Wohnzimmer der Angerers beisammen. Der junge Kommissar führte die Befragung durch, was Nora etwas erstaunte, denn in ihren Augen war der ältere der Chef. Zunächst wollte Herr Kiss wissen, was Reno Angerer für ein Mensch war. Ohne direkt angesprochen zu werden, ergriff Nora sofort das Wort. Sie wollte ihren geliebten Großvater in einem guten Licht erscheinen lassen.

      „Mein

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