Die Messermacher. Petra Mehnert

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Die Messermacher - Petra Mehnert

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musste ihren Opa wirklich sehr gerne haben. Das erlebte man heutzutage nicht mehr so oft, dass sich die Generationen so gut verstanden. Er freute sich für die Familie, dass es hier offenbar so harmonisch zuging. Dennoch fragte er in die Runde:

      „Sehen Sie das auch so?“

      Nach einem kurzen Seitenblick auf ihre Brüder, der den Polizisten jedoch entging, weil sie gerade auf die Kuckucksuhr geschaut hatten, deren Vogel beim Zwölfuhrschlagen herausgekommen war, antwortete Marianne bedächtig:

      „Ja, meine Nichte hat da vollkommen Recht. Mein Vater ist ein rundum glücklicher Mensch und sehr harmoniebedürftig. Mit ihm kann man gar nicht streiten, und dass er jetzt einfach so weg ist, kann ich mir nur damit erklären, dass er einen Schock bekommen hat, als er Adele tot aufgefunden hat. So muss es gewesen sein, etwas anderes kann ich mir gar nicht vorstellen! Ihr etwa?“, fragte sie mit eindringlichem Blick ihre Brüder, als wolle sie ihnen nachdrücklich raten, nur ja nichts anderes zu sagen. Diesen Blick hatten die Beamten nun aber doch registriert – Nora ebenso und sie hoffte inständig, dass der junge Kommissar nicht auf die Idee kam, sie getrennt voneinander zu befragen. Doch genau das ordnete er nun an, weil er glaubte, so etwas mehr über diesen Reno erfahren zu können. Irgendwas stimmte hier nicht und er wollte sichergehen, alles versucht zu haben, um dahinter zu kommen. Würde er das nicht tun, wäre seine Chefin erstens stinksauer auf ihn und zweitens auch unzufrieden mit seiner kriminalistischen Arbeit, denn sie hielt große Stücke auf ihn. Joska wollte sie auf keinen Fall enttäuschen. Außerdem wollte er diesem Clemens zeigen, dass er sehr wohl in der Lage war, eine Befragung korrekt und ergebnisorientiert durchzuführen.

      Also wurde das Wohnzimmer zum Vernehmungszimmer umfunktioniert und der Rest der Familie begab sich entweder zur Ablenkung in die Werkstatt oder in die Küche, denn trotz der ganzen Aufregung hatten sie jetzt um die Mittagszeit doch Hunger bekommen. Auf Mariannes freundliche Nachfrage, ob sie auch Maultaschen mit Ei mitessen wollten, lehnten die Beamten jedoch ab. Sie mussten diese Befragung schnell hinter sich bringen, da ihre Chefin sie zur nachmittäglichen Besprechung wieder sehen wollte. Also wurde Jakob als Erster gebeten, im Wohnzimmer zu bleiben. Unbehaglich rutschte der Sechsundfünfzigjährige, der zwar schon ziemlich ergraut, aber immer noch mit dichtem, welligem Haar gesegnet war, in seinem Sessel hin und her. Es war das erste Mal, dass er polizeilich vernommen wurde und somit war er sehr nervös. Wie viel sollte er von den Problemen in der Familie erzählen, ohne ein schlechtes Licht auf Adele oder Reno zu werfen? Er würde erstmal abwarten, welche Fragen sie ihm stellen würden. Doch gleich die Erste brachte ihn schon in Bedrängnis.

      „Wie gut verstanden sich Ihre Eltern?“, wollte Herr Kiss wissen und Herr Clemens zückte seinen Notizblock, um mitzuschreiben.

      „Sie haben gemeinsam unsere Firma aufgebaut, nachdem mein Vater sich mit fünfzig Jahren von seinem Vater und Firmeninhaber losgesagt hat, um nochmal alleine von vorne anzufangen. Meine Mutter kam dann erst später mit uns Kindern nach Stuttgart. Vorher haben wir im Osten gelebt, in der Nähe von Görlitz“, erklärte Jakob und hoffte, damit die Frage hinlänglich beantwortet zu haben. Doch Herr Kiss war nicht zufrieden.

      „Das erklärt aber noch lange nicht, ob die Ehe Ihrer Eltern nun gut war oder nicht“.

      „Nun ja – was soll ich dazu sagen?“, fing Jakob an und knetete dabei unruhig seine Finger. „Sie haben sich respektiert, und wie meine Schwester bereits erwähnte, mit Reno konnte man nicht streiten. Er hat immer versucht, es allen recht zu machen.“

      „Bedeutet das, dass Ihre Mutter das Sagen hatte?“, warf nun Herr Clemens ein und Joska Kiss, der diese Frage vermutlich etwas später im Verlauf dieses Gespräches angebracht hätte, biss sich auf die Lippen, um seinen Assistenten nicht zu rügen. Vor den Augen eines Zeugen wollte er das nicht tun und so war er nun selbst gespannt auf die Antwort des Messermachers.

      „Wenn Sie mich so direkt fragen … ja. Meine Mutter war die Herrin im Haus und auch in der Firma. Sie stammt auch aus einer Messermacherei und die beiden Firmen wurden irgendwann, nachdem wir hierher nach Ottenbach gezogen waren, zusammengelegt. Da mein Vater einfach zu sensibel und nicht streng genug war, hat meine Mutter automatisch das Ruder in die Hand genommen. Ihm schien das nichts auszumachen – im Gegenteil. So konnte er sich ganz auf sein Handwerk und auf uns Kinder konzentrieren und die anstrengenden Gespräche mit Kunden und Lieferanten führte meine Mutter. Das lief alles hervorragend und Sie können sich ja vorstellen, welch ein Schock es für uns alle war, als wir erfahren mussten, dass Mutter Lungenkrebs hat!“ Jakob schluckte schwer und schaute verlegen aus dem Fenster. Die Polizisten sollten nicht sehen, wie nahe ihm diese ganze Sache ging. Behutsam stellte Joska nun seine nächste Frage:

      „Was glauben Sie, ist in der gestrigen Nacht passiert?“

      „Ich hab natürlich keine Ahnung, aber wahrscheinlich hat Vater wie jede Nacht nach seiner Frau geschaut und hat sie tot aufgefunden. Das muss ihn so geschockt haben, dass er in Panik davongefahren ist.“

      „Und der Hund?“, fragte Sascha Clemens schon wieder dazwischen, doch Joska schaute nur gespannt auf Jakob.

      „Nun ja – ich nehme an, dass der gute alte Moritz seinem Herrchen hinterher gelaufen ist und da der völlig von der Rolle war, hat er auf seinen Hund gar nicht geachtet und der ist dann zum Tor hinausspaziert. Der wird sicher bald zurückkommen, wenn er Hunger kriegt“, meinte Jakob hoffnungsvoll, denn etwas anderes konnte er sich einfach nicht vorstellen.

      „Nun gut. Belassen wir es vorerst dabei und hoffen, dass beide – also Hund und Herrchen – bald wieder auftauchen. Würden Sie uns dann bitte Ihren Bruder Tobias hereinschicken?“, fragte Herr Kiss freundlich, fügte aber noch bestimmend hinzu: „Herr Clemens wird Sie begleiten. Ich möchte nicht, dass Sie vorher mit Ihrem Bruder sprechen.“

      Es war dem jungen Polizisten sehr unangenehm, diesem ehrenwerten Handwerker etwas unterstellen zu müssen, aber die Vorschriften waren diesbezüglich eindeutig. Seufzend ließ sich Joska in die Polster sinken. So eine Befragung war ganz schön anstrengend. Man musste jederzeit wachsam sein, jede Gefühlsregung seines Gegenübers registrieren und (hoffentlich richtig) deuten. Das Schwierigste war aber, immer die richtigen Fragen zu stellen. Er hätte es nicht für möglich gehalten, aber in diesem Moment hätte er seine Chefin schon sehr gerne an seiner Seite gehabt. Aber das hatte ja nun alles keinen Sinn, er musste da alleine durch und hoffen, dass Herr Clemens sich zurückhielt und nichts Falsches sagte.

      Doch auch die Befragung von Tobias Angerer, der rein äußerlich das genaue Gegenteil seines Bruders war, ergab nichts Neues. Tobias war schlank, knapp zwei Meter groß mit langen Beinen und kurzem Oberkörper, sowie schütterem, blondem Haar – allein an den grauen Augen konnte man erkennen, dass Jakob und Tobias Brüder waren. Von ihrer Schwester Marianne, die ebenfalls diese grauen Augen geerbt hatte, erfuhren sie nur noch, dass ihre Mutter mit der Frau von Jakob nicht zufrieden war. Die aus Portugal stammende Delfina war Adele von Anfang an ein Dorn im Auge gewesen. Diese gutaussehende Südländerin war in Adeles Augen eine schlechte Hausfrau und mit ihrer Malerei konnte die alte Dame auch nichts anfangen. Für Adele war das alles nutzlose Zeitverschwendung. Das einzig Gute, das diese Frau hervorgebracht hatte, waren ihre Kinder: Nora und Felix.

      Die beiden Beamten hatten sich gewundert, dass Marianne ihnen diese Umstände erzählt hatte, denn danach gefragt hatten sie nicht. Wollte sie damit andeuten, dass Delfina einen Grund gehabt haben könnte, ihre Schwiegermutter umzubringen? Danach gefragt, meinte Marianne nur:

      „Natürlich nicht! Delfina weilt zurzeit in Irland. Sie hätte eine solche verabscheuungswürdige Tat gar nicht begehen können und außerdem ist meine Mutter doch eines natürlichen Todes gestorben. Ich wollte Ihnen nur alles über unsere Familie sagen, damit Sie uns besser kennenlernen“, fügte sie noch hinzu, da sie sich insgeheim nun doch ärgerte, das über Delfina erzählt zu haben. Sie mochte ihre Schwägerin sehr gerne und kam gut mit ihr aus. Immerhin half diese ihr bei

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