Das Geheimnis der Madame Yin. Nathan Winters
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Das Geheimnis der Madame Yin - Nathan Winters страница 8
„Was zum Teufel meinen Sie?“
„Nun, dass die Leute immer sterben, wenn Sie gerade Dienst haben. Wo Sie doch bequem vor dem Ofen sitzen könnten, um ihre Pfeife zu rauchen.“
Kippwell erstarrte. „Gibt es nicht irgendwo eine Prügelei, die Ihre Anwesenheit erfordert?“
„Nein, momentan nicht. Es sei denn, Sie wollen eine mit mir anfangen.“
„Verschwinden Sie. Scotland Yard ist hier überflüssig.“
„Das sieht der Chief Inspector wohl anders.“
„Ich bin der leitende Beamte“, schnappte Kippwell, missgünstig sein Revier bewachend.
„Sie können ihn ja selber fragen, alter Knabe. Er will herkommen. Solange werde ich Ihrem messerscharfen Verstand bei der Arbeit zusehen.“
Kippwell pustete eine Rauchwolke in die Luft und glich dabei einem Drachen, der seinem nächsten Opfer giftigen Odem entgegen spie. Es bereitete Edwards eine diebische Freude zu sehen, wie er seinen ehemaligen Vorgesetzten aus der Fassung brachte. Dann erstarrte er, als er einen Blick auf das Gesicht der Toten erhaschen konnte. Sofort schob er Kippwell beiseite, um neben ihr niederzuknien.
„Kennen Sie die Frau?“, fragte der Sergeant, der bis dahin schweigend daneben gestanden hatte.
„Würde mich nicht wundern, wenn er so eine abgetakelte Schabracke kennen würde.“
„Halten Sie den Mund, Kippwell“, schnaubte Edwards. Für ihn war der Blick in das Gesicht der Toten wie ein Blick in die Vergangenheit. Damals, als er noch als Constable Dienst in Whitechapel getan hatte. Er schloss ihr die Augen. „Das ist Madame Yin.“ Ein seltsames Gefühl der Verbundenheit überkam ihn.
„Und wer soll das sein?“, knurrte Kippwell.
„Sie war eine der wichtigsten Frauen in Lambeth und Whitechapel. Opium, Huren, Glücksspiel. Sie hatte überall ihre Finger drin. Sollten Sie Ihr Klientel nicht etwas besser kennen, Kippwell?“
„Ersparen Sie mir Ihre verfluchte Klugscheißerei und hauen Sie endlich ab. Sie stören mich.“
„Wobei? Beim Rauchen?“
„Jetzt hab ich aber genug von Ihnen. Runter vom Schiff.“
Edwards sah auf Kippwells geballte Fäuste. „Versuchen Sie es doch. Den ersten Schlag gestatte ich Ihnen.“
„Gentlemen, sollten wir uns angesicht der Toten nicht ein wenig beherrschen?“ Die Worte des Sergeant fielen wie Blei auf Deck.
Kippwell nagte an seiner Pfeife wie ein Hund an seinem Knochen.
„Ihr Sergeant hat recht, aber an einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.“ Edwards hatte Mühe sich zu beherrschen. Er sah wieder zu der Toten. „Armes Ding.“
„Armes Ding?“, höhnte Kippwell. „Dass ich nicht lache. Wie sie selbst gerade sagten, war sie ja wohl eine Kriminelle. Dass sie tot ist, bedeutet nur eine weniger, um die wir uns Sorgen machen müssen.“
„So sehen Sie das also? Und was ist mit dem Schwein, das sie umgebracht hat? Der hat der Stadt dann wohl einen Gefallen getan?“
Zwei Kutschen hielten am Pier und zogen die Aufmerksamkeit aller auf sich, ehe der Streit erneut aufflammen konnte.
Doktor Noah Aeglewood, der Polizeiarzt des Yard, und Chief Inspector Hendrik DeFries stiegen aus.
DeFries war wie immer tadellos gekleidet. In den schwarzen Hosen, mit Mantel, Gehrock, Weste und Zylinder schien er eher für die Oper oder den Gentlemen's Club gekleidet als für einen Tatort. Sein langes Gesicht mit der spitzen Nase war, ebenfalls wie immer, ausdruckslos.
Seite an Seite kamen die beiden Männer auf die Princess zu.
Kippwells Miene verriet tiefe Verunsicherung, als sich der Doktor unverzüglich mit der Leiche beschäftigte und ihm nur knapp zunickte. DeFries bedachte ihn mit einem adlergleichen Blick. „Inspector Kippwell. Kann ich Sie einen Moment sprechen? Unter vier Augen.“
„Ja … natürlich, Sir.“
Sie entfernten sich ein Stück, bis DeFries stehenblieb und die Hände hinter dem Rücken verschränkte.
„Ich möchte es kurz machen. Scotland Yard übernimmt von jetzt an die Ermittlungen.“
„Was? Das können Sie doch nicht machen!“ Das mopsige Gesicht lief puterrot an.
„Sie sind in dem einen Monat seit dem letzten Mord nicht ein Stück vorangekommen. Ihre Berichte sind absolut nicht befriedigend und jetzt gibt es ein zweites Opfer mit dem gleichen Stück Stoff im Mund. Aber deswegen entziehe ich Ihnen den Fall nicht.“ Er zog ein Heft aus billigem Papier aus der Manteltasche.
Das Titelbild zeigte einen riesenhaften Schatten, der über einer jungen Frau stand, die er mit langen Krallenhänden erwürgte. „Der Würger im Schatten von P.D. Wolkins“, las DeFries die Überschrift.
Kippwell blinzelte überrascht. „Woher haben Sie das?“
„Diesen Schund kann man bei jedem Zeitungshändler kaufen.“
„Damit habe ich nichts zu tun.“
„Ach nein? Und woher weiß der Kerl dann so viel über diesen Fall? Die Strangulation? Das Stück Stoff, die Haarlocke? Verdammt noch mal. Sie sind der leitende Beamte. Sollte ich nachweisen können, dass Sie Informationen an diesen Schmierfinken weitergegeben haben, sind Sie die längste Zeit Ihres Lebens Polizist gewesen. Haben Sie mich verstanden, Inspector?“
Kippwells Halsmuskeln zuckten, während er nach einer Antwort suchte und doch nur ein klägliches „Ja, Sir“ zustande brachte.
„Gut. Sie werden die Akten zum Mord an Estelle Wiggins unverzüglich zum Yard bringen lassen. Inspector Edwards wird von nun an übernehmen.“
„Ja, Sir.“ Kippwell knirschte mit den Zähnen.
„Sie können jetzt gehen.“
Ohne ein Wort wirbelte der Inspector herum und rauschte davon. Sein Sergeant folgte ihm und hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten.
Edwards sah den beiden hinterher. Als sein Vorgesetzter neben ihn trat, sagte er: „Kippwell sah nicht gerade glücklich aus.“
„Dazu hat er auch keinen Grund. Sie übernehmen jetzt seinen Fall. Wollen wir?“
„Sicher, Sir.“
Die beiden Watermen, Dorsey und Potts, standen da wie Salzsäulen und hatten sich die ganze Zeit über nicht gerührt. Dabei machten sie Gesichter, als wären sie die unschuldigsten Burschen in ganz London.
„Dann erzählen Sie mal“, begann Edwards, „was ist passiert?“
Dorsey machte den Mund auf und spie ihm seinen Gin-Atem entgegen. „Wir schippert 'n da so in der Midde der Themse, da fand der Potts so was, was im Wasser rumschwamm.“