Nebelrache. Nancy Farmer

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Nebelrache - Nancy  Farmer

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war einfach einsam, die arme Seele. Er war aus seinem Grab gewandert und hat gesehen, wie seine Freunde das Totenfest feierten. Nachdem wir das Problem erkannt hatten, haben wir ihm Bier in sein Grab gegeben. Und seine großen Zehen zusammengebunden, damit er nicht weit kam.“

      Jack steckte sich den Finger in den Mund, ohne daran zu denken, dass er voller Wermut war. Er rannte nach draußen, um auszuspucken. Hausreiten! Es war typisch für die Nordmänner, dass es ihnen vollkommen gleichgültig war, wenn Draugr Löcher in ihre Dächer schlugen. Er war nur froh, dass so etwas nicht passiert war, während er im Nordland gewesen war.

      Jack spülte sich den Mund aus und hielt mit der Hand über den Augen Ausschau nach Thorgil. Sie war mit Seefahrer zu einem Übungsflug aufgebrochen. Der Albatros hatte sich eng an sie angeschlossen, und Jack hatte den Verdacht, dass er nicht mehr fortwollte. Thorgil hatte Jack noch mehr Vogelsprache beigebracht, aber so fließend wie sie würde er diese Sprache wohl nie beherrschen. Aber zumindest konnte er jetzt Dinge sagen wie Komm her oder Lass das oder Hast du Hunger? Seefahrer hatte eigentlich immer Hunger.

      Irgendwo im Süden erledigten Skakki und seine Besatzung ihre Geschäfte, wie Thorgil es genannt hatte. Vermutlich plünderten sie. Brannten Dörfer nieder. Jack wusste nicht, wie er ihnen gegenübertreten sollte, wo er doch von ihren Untaten wusste. Er ging wieder ins Haus.

      Der Barde band gerade die Deckel auf die vollen Gefäße. „Ekliges Zeug, dieser Wermut“, bemerkte er. „Ich finde, dass es nichts bringt, aber die Menschen vertrauen einer Medizin mehr, wenn sie widerlich schmeckt.“

      „Wieso war Ragnar Feuchtbart noch da?“, fragte Jack. „Ich dachte, Krieger gehen nach Walhall.“

      „Nur die, die in der Schlacht fallen.“ Der Barde stellte die Wermutfläschchen für den Transport zu Skakkis Schiff in einen Korb. Jack war sicher, wenn man vorher noch keine Bauchschmerzen hatte, dann würde ein Schluck von dem Elixier ausreichen, um welche zu bekommen. „Der arme alte Ragnar hat diese Chance verpasst. Er lungerte ein paar Monate herum, stöhnte und hämmerte gegen Türen. Sehr weit konnte er mit den zusammengebundenen Zehen ja nicht hüpfen. Schließlich verzog er sich dann doch in Freyas Himmel – oder, wenn man bedenkt, dass er ertrunken ist, ist er vielleicht doch im Reich von Ran und Ägir unter dem Meer gelandet.“

      „Es klingt, als wäre er ein netter Kerl gewesen“, sagte Jack. Fast alle Kräuter, die er gesammelt hatte, waren aufgebraucht. An der Wand standen zehn volle Körbe, aber zehn weitere warteten auf Füllung. Das bedeutete einen weiteren Ausflug in den Haselwald, eine Wanderung, auf die Jack gut verzichten konnte.

      „Ragnar? Der war so sanft wie ein Kätzchen, außer wenn er zum Berserker wurde. Unser Draugr ist allerdings ein ganz anderes Problem. Zum einen ist sie eine Meervettel, und die sind immer gefährlich. Und zum anderen hat sie einen guten Grund für ihre Wut.“

      „Wir haben ihr doch nichts getan“, sagte Jack.

      „Die Heitere Wehklage hat sie aus ihrem Grab geholt. Und jetzt wird sie nicht eher ruhen, bis sie sich gerächt hat, und wir waren am leichtesten zu finden.“ Der Barde setzte sich und bedeutete Jack, es ihm gleichzutun. Einen Moment lang schwieg er, strich sich über den Bart und betrachtete die gemalten Vögel an den Wänden des römischen Hauses. „Wir können in Bebbas Town kein Getreide kaufen, solange sie dort nicht die Ernte eingebracht haben. Außerdem ist Skakki noch unterwegs. Ich hatte vor, den Draugr mit uns zu locken, wenn wir aufbrechen, aber das Dorf kann jetzt nicht ungeschützt bleiben.“

      Es gefiel Jack gar nicht, was er da hörte. Er hatte erwartet, dass der Barde die untote Meervettel mit einem Zauber vertreiben würde. Was sollte das bedeuten, sie mit sich zu locken?

      „Es gibt Gesetze in der Welt, die ich nicht brechen darf“, erklärte der alte Mann, der wieder einmal Jacks Gedanken gelesen hatte. „Da die Meervettel einen echten Grund für ihre Rachegelüste hat, darf ich keine Magie einsetzen. Sie hat ein Recht auf Vergeltung. Deswegen werden wir beide heute Nacht in den Haselwald gehen und ihr einen Handel vorschlagen.“

      „Wir beide?“ Jack war so überrascht, dass er es beinahe schrie.

      „Bei Odins Augenbrauen! Hast du etwa geglaubt, um ein Barde zu sein, reicht es, an einer Harfe zu zupfen und Kräuter zu pflücken?“ Aus den Augen des Barden blitzte Empörung, und Jack wurde ganz verlegen. Aber nachts in den Haselwald? Wenn er dieses Heulen noch einmal hören müsste, wäre er schneller weg als eine verbrühte Katze. „Du bist einem Drachen gegenübergetreten und Frith Halbtroll“, erinnerte ihn der alte Mann. „Du hast den Bann des Unlebens gebrochen, unter dem Din Guardi stand. Stell dein Licht nicht unter den Scheffel, Junge. Morgen wirst du mit den Fingern schnippen, wenn dir eine Meervettel begegnet.“

      Wenn ich dann noch lebe, dachte Jack mürrisch. Gerade kam Thorgil mit Seefahrer zurück, und es gab viel Gekrächze und Eigenlob. Seefahrer hatte ein junges Schwein aus seinem Versteck gescheucht, und Thorgil hatte es fürs Abendessen erlegt.

      „Halte sie gut fest“, warnte der Barde auf ihrem Weg über die dunklen Felder. „Wir wollen den Draugr nicht hier treffen. Erst im Haselwald – dort kann ich aus verschiedenen Quellen Kraft schöpfen.“

      Jack umklammerte die eingewickelte Glocke fester. Durch ihre Größe und Form war sie schwierig zu tragen. Das ist totaler Wahnsinn, dachte er. Wenn es nach ihm ginge, würde er die Heitere Wehklage an der tiefsten Stelle ins Meer werfen, aber der Barde hatte gesagt, dass es dafür schon zu spät war.

      Ein Kiebitz schoss unter seinen Füßen hoch, und er sprang zurück. Die Glocke gab ein leises Kling von sich, wie eine Muschelschale, die auf Gestein fällt.

      „Pass auf!“ Der Barde fuhr herum und legte die Hand auf das Bündel. „Der kleinste Laut hallt durch die neun Welten.“

      Sie hasteten weiter. Der Boden war sumpfig, und es tauchten Bäche auf, wo Jack nicht mit ihnen gerechnet hatte. Wasser drang in seine Stiefel ein. Außerdem juckte eine Stelle an seinem Rücken ganz furchtbar, und dort nicht kratzen zu können, machte ihn fast verrückt.

      Der Mond war gerade etwas über halb voll. Er schien über den weit entfernten Eichenwald und beleuchtete die Lücken zwischen den Bäumen, vor allem die Schneise, die Odin und seine Reiter in den Wald geschlagen hatten. Im Haselwald waren keine Lücken zu sehen, obwohl Jack wusste, dass es darin ein paar kleinere Grasflächen gab. Er wünschte, sie hätten Thorgil mitnehmen können. Sie würde nicht jedesmal zusammenzucken, wenn ein Vogel aufflog. Außerdem – und das gestand Jack sich nur sehr ungern ein – würde er vermutlich viel weniger zu panischer Flucht neigen, wenn sie dabei war.

      Aber der Barde hatte gesagt, dass sie diese Aufgabe überlegt angehen mussten. Sie konnten nicht riskieren, dass Thorgil wieder einer ihrer verrückten Eingebungen folgte.

      Der Haselwald ragte vor ihnen auf. Noch vom Mondlicht angestrahlt, blieben sie vor dem dunklen Schatten des Waldes stehen. „Hätten wir nicht eine Lampe mitnehmen sollen?“, begann Jack.

      Der Barde brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. „Sieh zu und lerne. Vielleicht wirst du dies eines Tages allein machen müssen. Und jetzt richte deinen Geist auf die Magie dieses Waldes. Hier gibt es Pfade, die das Tagauge nicht sieht.“

      Na, sehr gut, dachte Jack. Vermutlich treffe ich gleich einen Trupp Oger bei ihrem Nachtspaziergang. Ich hoffe nur, dass sie kein Problem damit haben, einen Draugr zu fressen. Er atmete tief ein. Die Luft unter den Bäumen war mit dem Geruch nach feuchter Erde und verborgenen Blüten gesättigt. Er suchte nach der Erdmagie und fand sie sofort. Alles im Wald wirkte angespannt. Jack spürte einen Hasen, der unauffällig aus einer Mulde im Boden schlüpfte, und dann war er selbst in dieser Mulde, in der sich vier winzige Kopien

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