Nebelrache. Nancy Farmer

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Nebelrache - Nancy  Farmer

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Mund zu einem Gähnen öffnete.

      „Schlüpfe auf keinen Fall in den Körper eines Tieres.“ Die Stimme des Barden kam von weit weg. „Das ist ein gefährlicher Trick, für den du noch nicht bereit bist.“

      Jack zog sich zurück. Genau das hätte er beinahe getan! Wie sehr hatte er den Barden immer um seine Fähigkeit beneidet, mit den Habichten zu fliegen oder mit den Hirschen zu laufen. Er selbst hatte es schon ohne Erfolg versucht, aber in dieser Nacht ging es wie von selbst. Vielleicht lag es am Haselwald.

      Jack spürte einen Igel, der am Fuß eines Baumes herumschnupperte. Doch plötzlich quiekte er auf und rollte sich zu einer Kugel zusammen.

      „Hast du das gehört?“, fragte der Barde halblaut. „Die Tiere wissen, dass etwas Gefährliches in ihren Wald gekommen ist.“

      Jack fand die Hasenmutter wieder. Sie lag geduckt auf einer Wiese. Sie wollte fliehen, aber noch stärker zog es sie zu ihren Jungen. Sie schaute auf und sah direkt in ein Paar großer, blau glühender Augen.

      „Ah!“, schrie Jack und zog sich aus dem Körper der Häsin zurück.

      „Erinnere mich daran, dich nächstes Mal zu Hause zu lassen, wenn ich mich an etwas anschleichen will“, sagte der Barde.

      „Ich … ich habe Augen gesehen“, stammelte Jack. „Sie h-haben geglüht.“ Dann fiel ihm Bruder Aidens Geschichte wieder ein. „Ach, Mist, es war nur ein Schaf.“

      „Aiden hat dir die Geschichte erzählt, nicht wahr?“, sagte der Barde. „Du hast tatsächlich ein Schaf auf der Wiese gesehen, aber was die Häsin erschreckt hat, lag dahinter.“ Plötzlich ertönte hektisches Blöken und das Geräusch von vielen Hufen, die durch Gebüsch trampelten. Die Laute verklangen allmählich. „Anscheinend ist der Draugr an Schafen nicht interessiert“, stellte der Barde fest.

      „Ich b-bitte um E-erlaubnis, H-herr, die G-glocke abzustellen und m-mein M-messer zu ziehen“, stotterte Jack, der es nicht schaffte, das Zittern aus seiner Stimme herauszuhalten.

      „Gleich, Junge. Dein Messer wird den Draugr übrigens nicht beeindrucken. Du kannst genauso gut versuchen, Stein zu schneiden.“ Der alte Mann horchte angespannt. „Sehr interessant.“

      „W-was?“, fragte Jack.

      „Ein Pfad hat sich geöffnet, durch den ein paar sehr interessante Besucher gekommen sind. Wir können nicht riskieren, dass sie auf die Vettel treffen. Pack die Glocke aus, Junge, und läute sie.“

      „Was?“

      „Mach schnell. Wir müssen den Draugr zu uns herlocken.“

      Jack ließ die Glocke beinahe fallen, als er sie von ihrer Umhüllung befreite. Ihm war klar, dass er gehorchen musste, ohne über die Folgen nachzudenken. Er schwang die Heitere Wehklage. Der Klöppel schlug gegen das Metall der Glocke und ein goldener Ton drang durch den Haselwald, vertrieb jegliche Angst und erfüllte den Jungen mit reiner Freude. So etwas Wundervolles hatte er noch nie gehört.

      Es war, als würden die besten Augenblicke seines Lebens alle gleichzeitig ablaufen – die Zeit, als er seinem Vater beim Hausbau zugesehen hatte und seine Mutter den Bienen etwas vorsang; der Moment, als der Barde ihn gefragt hatte, ob er sein Lehrling sein wollte, oder der, als er, Thorgil und Pega sich vor den abweisenden Mauern von Din Guardi in den Armen gelegen hatten. Es war aber auch eine Erinnerung an seinen Großvater, der an seinem Bett gesessen hatte, als er fieberte, und an die Schwester von John dem Böttcher, die ihm ein Apfeltörtchen gegeben hatte, nachdem er in den Teich gefallen war. Diese Menschen waren schon lange tot. Aber in der glorreichen Musik der Glocke tauchten sie wieder vor ihm auf.

      Jack ließ die Glocke fallen. Erst da stellte er verblüfft fest, dass sein Gesicht tränennass war.

      „Deswegen nennt man sie Heitere Wehklage“, sagte der Barde leise. „Und jetzt pass gut auf. Sie kommt.“

      Sie hörten Weinen. Es klang wie eine Frau, die so sehr schluchzte, als würde ihr das Herz brechen. Es kam näher, und die Luft wurde deutlich kühler. Nebel waberte über den Boden, und ein undefinierbarer Modergeruch hüllte sie ein. Jack zog sein Messer.

      Der Barde hob im Mondschein am Waldrand seinen Stab. „Ich befehle dich her, bei Wurzel, bei Stein, bei Meer!“, rief er.

      Etwas Dunkles materialisierte sich zwischen den Bäumen. Wer ruft?, fragte eine Stimme, die sich anhörte wie rasselnder Kies.

      „Ich bin der Erbe von Amergin“, sagte der Barde. Jack schaute verblüfft auf. „Ich bin hier, um mir deinen Wunsch nach Vergeltung anzuhören.“

      Meine Liebe war innig; mein Schicksal bitter, sagte der Draugr. Meine Knochen angespült an meines Vaters Strand, seine Verzweiflung unermesslich, als er mich zu Grabe trug. Doch er hat die Grabstätte nicht versiegelt, denn ich konnte nicht ruhen. Solange mir keine Gerechtigkeit widerfährt, kann ich nicht neu geboren werden.

      „Das verstehe ich“, sagte der Barde, „aber du kannst nicht herumziehen und töten, denn das bindet dich nur noch stärker an diese Existenz.“

      Der Bodennebel verdichtete sich. Nebelfetzen krochen an Jacks Beinen hoch. Unwillkürlich wollte er nach der Schutzrune greifen, die er schon lange nicht mehr um den Hals hängen hatte.

      Ich glaube dir nicht, sagte der Draugr.

      „Es ist die Wahrheit“, beteuerte der alte Mann. „Jeder Mord zieht seinen eigenen Ruf nach Vergeltung gegen dich nach sich. Du hast bereits dein Recht auf das Leben von Pater Severus verwirkt – wage nicht, das zu bestreiten!“, brüllte er, als die Dunkelheit plötzlich anschwoll und Äste brachen.

      Wer bist du, dich mir in den Weg zu stellen? Ich werde Rache nehmen, wo ich will. Die Bäume ächzten, als sie zur Seite gebogen wurden. Ein Teil des Himmels über dem Wald war plötzlich tiefschwarz.

      „Ich bin der Gesandte der Erdmagie! Ich stehe gegen das Unleben! Wenn du mit der Sonne zurückkehren willst, musst du mir zuhören!“

      Der Nebel waberte hoch und drückte gegen Jacks Brust, bis er kaum noch atmen konnte.

      Der Barde hob seinen Stab. „Zwing mich nicht, dich zu unterwerfen!“

      Dasselbe grausige Heulen, das Jack schon einmal gehört hatte, erfüllte die Nacht. Rehe brachen aus dem Haselwald hervor. Dachse, Füchse, ein Wolf und drei Wesen, die beinahe menschlich aussahen, rasten über die Felder davon. Jack hätte nur zu gern dasselbe getan, aber er konnte den Barden nicht im Stich lassen.

      Der alte Mann hob beide Arme, und Blitze zuckten über seinen Körper. Er schien immer größer zu werden, bis er genauso groß war wie die Dunkelheit. Jetzt war unmöglich zu sagen, wer von beiden angsteinflößender war. Einen Moment lang standen sie sich gegenüber. Der Boden bebte, und die Luft vibrierte. Dann brach das Heulen ab. Der Nebel löste sich auf, und die Dunkelheit schrumpfte zusammen, bis sie nur noch die Größe einer Frau hatte.

      Welch großartiger Angstzauber, dachte Jack, der nur am Rande mitbekam, dass er auf die Knie gefallen war. Der Barde hatte wieder seine normale Größe angenommen, aber seine Robe schimmerte immer noch in einem merkwürdigen Licht.

      „Das ist besser“, sagte er. „In ein paar Wochen werde ich nordwärts reisen und Severus sehen. Die Gerechtigkeit verlangt, dass er für das bezahlt, was er dir angetan hat, aber die Art seiner Strafe ist mir noch verborgen. Es wird geschehen,

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