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Urlaubszeit, so daß ich erst am 11. August einen Termin bei dem stellvertretenden Außenminister Kurt Nier erhielt; der zuständige Abteilungsleiter beim Zentralkomitee der SED, Gunter Rettner, ließ sich verleugnen. Ich hielt es für richtig, mit einer persönlichen Botschaft des Bundeskanzlers für Honecker nach Berlin zu reisen, in der einerseits unsere Bereitschaft zur Fortsetzung der bisherigen Politik betont, andererseits aber die dringliche Aufforderung an die DDR gerichtet wurde, auf politischer Ebene zu einer Lösung des Problems beizutragen. Der außenpolitische Berater des Bundeskanzlers, Ministerialdirektor Horst Teltschik, der vertretungsweise das Bundeskanzleramt leitete und in ständigem Kontakt mit dem Kanzler stand, übermittelte ihm meinen Vorschlag. Der Kanzler war einverstanden, legte aber aufgrund von Erfahrungen in anderen Fällen Wert darauf, die DDR zugleich zu warnen, Lösungen nicht auf parteipolitischen Wegen, das heißt über die SPD, ins Auge zu fassen.

      Nier war im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR für Westeuropa zuständig, ein trockener, hölzerner Mann, nicht unfreundlich, aber wenig beweglich. Das Gespräch mit ihm verlief im Ton verbindlich, in der Sache hart. Im Auftrag des Bundeskanzlers erklärte ich, daß die Menschen rechtmäßig in unsere Vertretungen gekommen seien und wir sie auf keinen Fall gewaltsam daraus vertreiben würden. Wir wollten zwar wie bisher auf sie einzuwirken suchen, die Vertretungen freiwillig zu verlassen; nach Lage der Dinge bestünde jedoch keine Aussicht, daß sie das aufgrund einer Zusage lediglich von Straffreiheit tun würden. Eine Lösung werde deshalb nicht möglich sein, ohne daß die DDR dazu einen Beitrag leiste. Ich betonte, daß wir unverändert zu einer vernünftigen Weiterentwicklung der Beziehungen bereit seien und in keiner Weise Druck auf die DDR ausüben wollten; der Chef des Bundeskanzleramts könne die notwendigen Gespräche unter Wahrung voller Diskretion mit einem dafür von der DDR-Regierung Beauftragten führen.

      Nier hielt dagegen, es sei allein Sache der Bundesregierung, die Menschen, die sich widerrechtlich in unseren Vertretungen aufhielten, wieder loszuwerden. Unsere Vertretungen seien nicht befugt, für DDR-Bürger tätig zu werden. Die DDR erwarte, daß ihre Souveränität respektiert werde und die Bundesregierung das Nötige tue, damit die DDR-Bürger unsere Vertretungen verließen. Die DDR könne es nicht hinnehmen, daß durch Aufnahme in unsere Vertretungen die Hoffnung erweckt würde, eine Sonderregelung für die Ausreise zu erreichen 13 . Dies war der entscheidende Satz: Die DDR wollte offensichtlich versuchen, den Sonderweg endgültig zu schließen.

      Im Anschluß an das Gespräch ging ich mit Bertele, der im Radio von den Ereignissen gehört und seinen Urlaub sofort abgebrochen hatte, in die Ständige Vertretung zu den dort Wartenden. Sie kampierten seit nun fast einer Woche im euphemistisch so genannten »Gartenhaus«, einem hinter das Hauptgebäude in den Hof gesetzten Zweckbau für Vorträge und gesellschaftliche Veranstaltungen. Über hundert Gesichter waren auf mich gerichtet, und die Luft war dicht mit ihren Erwartungen. Ich hatte nichts zu geben, mußte im Gegenteil auf Ernüchterung hinwirken, weil niemand wissen konnte, ob und wann sich die DDR zu einer Lösung bereit finden würde. Ich sagte daher, daß die Bundesregierung alles in ihren Kräften Stehende für die Zufluchtsuchenden tun würde, daß dies aber nicht viel sei, weil die Entscheidung über die Ausreise letztlich bei der DDR liege und diese sich sehr hart stelle. Daher sollten sich alle überlegen, ob sie nicht doch die Vertretung wieder verlassen wollten. Sie könnten sicher sein, daß wir uns im Rahmen unserer Möglichkeiten weiter um sie kümmern würden.

      Die Stimmung wurde gedämpfter, es kam zu Fragen; manche erzählten über ihr persönliches Schicksal. Es waren Menschen ganz verschiedener Herkunft, Bildung und sozialer Stellung. Was hatte sie bewogen, sich von ihrem bisherigen Leben loszusagen? Vielfach stand am Anfang ein geringfügiger Anlaß, ein leichtes Kratzen an der Wand der Konformität, das nicht toleriert, sondern sofort hart unterdrückt wurde und in der Folge zu weiterer Auflehnung und weiterer Repression führte, bis der Betroffene im sozialen Abseits stand. Hatte er ursprünglich nie daran gedacht, die DDR zu verlassen, blieb ihm zuletzt kaum eine andere Wahl. Ein wenig Verständnis und Entgegenkommen zur rechten Zeit hätte manchmal genügt, die Menschen zu halten. Jetzt standen sie am Ende des Weges und hatten alle Brücken hinter sich abgebrochen, ihre Wohnungen aufgegeben und die persönliche Habe verkauft oder verschenkt. Nur die Ausreise aus der DDR schien hier noch denkbar. Dennoch wäre es unredlich gewesen, Hoffnungen zu wecken, deren Erfüllung zu dieser Zeit in hohem Maße ungewiß war. Sechzehn Personen, vor allem Mütter mit Kindern, verließen dann auch zwei Tage später die Ständige Vertretung, ließen allerdings Angehörige dort zurück, die für sie die Sache weiter durchstehen wollten.

      Mir war klar, daß wir uns darauf einrichten mußten, die verbleibenden 115 Menschen für längere Zeit zu beherbergen. Mit außergewöhnlichem persönlichen Einsatz organisierten Bertele und seine Mitarbeiter die Versorgung, wobei die DDR im übrigen keine Schwierigkeiten machte. Nicht einfach war es, mit den inneren Belastungen fertig zu werden, die sich aus der Situation und der heterogenen Zusammensetzung der Gruppe bei längerer Dauer notwendigerweise ergaben. Erwachsene und Kinder, einzelne und Familien waren in einem großen, nur notdürftig unterteilbaren Raum mit unzureichenden sanitären Anlagen zusammengesperrt, ohne größere Bewegungsmöglichkeit, ohne Beschäftigung und vor allem ohne feste Aussicht auf das Ende dieses Zustands. Spannungen waren da unvermeidlich. Ich bat den Bonner Psychologen Dr. Meyer-Lindenberg, der bereits früher in einer ähnlichen Situation in der Botschaft Prag das Auswärtige Amt beraten hatte 14 , um Mithilfe. Er besuchte zweimal die Vertretung, sprach mit den Menschen, machte die Mitarbeiter auf Problemlagen aufmerksam und gab ihnen Verhaltensregeln.

      Vor allem mußten die Menschen wenigstens geringfügig beschäftigt werden. Einige waren gelernte Köche und übernahmen die Küche, andere wechselten sich beim Küchendienst und den Reinigungsarbeiten ab, wieder andere bildeten Spielgruppen für Kinder und für Erwachsene, und im Hof konnte etwas Gymnastik getrieben werden. Die Vertretung besorgte Spiele und Bücher, ein Mitarbeiter organisierte sogar einen englischen Sprachkurs. Dadurch und mit ständigen Gesprächen gelang es Bertele und seinen Mitarbeitern unter sehr aktiver Mithilfe von Frau Bertele und anderen Ehefrauen, die Lage bis zuletzt stabil zu halten.

      In Bonn entstand inzwischen – wie immer in kritischen Lagen – ein Druck, daß etwas geschehen müsse, gleichgültig was. Der Bundeskanzler solle mit Honecker telefonieren, wurde schon nach wenigen Tagen gefordert. Honecker lag allerdings, wie wir wußten, nach einer Operation im Krankenhaus – Hinweisen zufolge war er an Krebs erkrankt. Ich hielt nichts davon, ihn anzurufen, weil ich nicht erwartete, daß die DDR kurzfristig nachgeben würde und ein solches Gespräch ihr nur den Eindruck vermitteln könnte, daß wir allzu dringlich an einer Lösung interessiert seien.

      Teltschik, der stets vornehmlich die innenpolitischen Wirkungen im Auge hatte, war anderer Meinung, und so erhielt ich schließlich den Auftrag, ein Telefongespräch zu vermitteln. Das kam dann aber doch nicht zustande, weil Honecker – wie mir der Leiter seines Büros, Staatssekretär Frank-Joachim Herrmann, mitteilte – wegen seiner Krankheit zur Zeit nicht telefonisch erreichbar sei. Darauf wurde statt dessen am 14. August eine schriftliche Botschaft des Bundeskanzlers mit dem erneuten Vorschlag diskreter Gespräche übermittelt 15 . Am 17. August kam die Antwort 16 , daß am nächsten Tag der Erste Stellvertretende Außenminister, Staatssekretär Dr. Herbert Krolikowski, zur Verfügung stehe. Krolikowski war ein älterer, sehr erfahrener Angehöriger der DDR-Führung – sein jüngerer Bruder war Mitglied des Politbüros, er selbst gehörte dem Zentralkomitee der SED an –, dessen eigentliches Aufgabengebiet die Beziehungen mit der Sowjetunion und den Staaten des Warschauer Pakts war. Er war im allgemeinen um Sachlichkeit und Vermeidung von Schärfen bemüht, und seine Gesprächsführung zeigte immer über die vorgegebene Linie hinaus eigenes Nachdenken. Ich begleitete Minister Seiters zu dem Gespräch, das sehr sachlich und intensiv verlief, aber keine Änderung der Haltung der DDR erkennen ließ.

      Seiters legte dar, daß die Probleme in unserer Ständigen Vertretung und einigen Botschaften ihren Grund in der DDR hätten und auch nur von dort gelöst werden könnten. Wir bemühten uns zwar, die Zufluchtsuchenden zum freiwilligen Verlassen der Vertretungen zu bewegen, würden aber niemanden gewaltsam hinausweisen. Eine Lösung werde nur möglich sein, wenn die DDR einen Beitrag dazu

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