Christentum und Europa. Группа авторов

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Christentum und Europa - Группа авторов Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie (VWGTh)

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schwierigen Text verstanden hat, ist einer von den Männern Gott selbst – eine ziemlich häretische Bemerkung für einen Theologen, der an einen unsichtbaren Gott geglaubt hat –, die anderen beiden sind wohl als himmlische Boten bzw. Engel zu verstehen. In einer christologischen Lesart hingegen werden die drei Männer wiederum mit Vater, Sohn und Heiligem Geist identifiziert. Aber das bedeutet noch immer nicht eine Europäisierung, außer wir setzen Europa mit dem Christentum gleich.

      Auf dem 2. Ökumenischen Kirchentag in München 2010 beteiligte ich mich an einem Podiumsgespräch mit einem evangelischen (Nürnberger Regionalbischof Dr. Stefan Ark Nitsche) und einem katholischen (Stiftsbibliothekar P. Dr. Stefan Dörner OSB) Kollegen. Am Ende des Gesprächs hat man den Protestanten gefragt, was er am Katholizismus schätze. Den Katholiken hat man gefragt, was er am Protestantismus schätze. Und mich hat man gefragt, was ich am Christentum schätze. – Wohlgemerkt: Keiner wurde gefragt, was er am Judentum schätze! – Ich antwortete, dass ich mir mein Leben ohne den christlichen Beitrag zur Kunst, Musik, Literatur usw. nicht vorstellen kann. Denn diese Errungenschaften drücken die höchsten Ideale des menschlichen Geistes aus.

      Obwohl die Darstellung neutestamentlicher Themen immer Vorrang hatte, gibt es doch einen unübersehbaren Reichtum an künstlerischen Ausdeutungen der Erzählungen, Gestalten und Themen der Hebräischen Bibel in der europäischen Kunst im breitesten Sinne. Diese Kunstwerke, ob Gemälde, Zeichnungen, Plastiken, Opern oder Oratorien, zeigen, wie zentral die Bibel für die europäische Kultur ist.17 Sie bieten uns eine europäisierende Auslegungsgeschichte des biblischen Textes. Als Beispiel aus der bildenden Kunst kann man erstens die Beobachtung geltend machen, dass bis ins 19. Jahrhundert die Welt der Bibel und die biblischen Gestalten mehr oder weniger als Europäer dargestellt wurden. Natürlich gehört es zur universalen Gültigkeit des Textes, dass Menschen ihn so ins Bild setzen, wie es ihren eigenen Erfahrungen und ihrer eigenen Weltsicht entspricht. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Bilder zur Bibel zum Beispiel in Afrika oder Asien entschieden anders aussehen als in Europa. Nichtsdestoweniger sind auch diese Ausnahmen von der europäischen Regel ein Ergebnis der Ausbreitung der europäischen Kultur und des Christentums in alle Welt durch den Kolonialismus. Erst als die Welt der Bibel im neunzehnten Jahrhundert durch die Archäologie erschlossen wurde, konnte man zumindest in Bezug auf die Realien endlich etwas realistischer sein.

      Abb. 2. Eine öffentliche Veranstaltung während des 2. Ökumenischen Kirchentags München 2010.

      Die europäische Weltsicht kehrt auch in Inszenierungen von Opern und Theaterstücken wieder, in denen die alten Israeliten vorkommen. Anstatt eine Wiedergabe der historischen Realität anzustreben, werden die Ahnen der Juden des Öfteren in modernen Inszenierungen mehr oder minder als osteuropäische Juden des neunzehnten Jahrhunderts dargestellt. Ich überlasse den Nachfolgern von Sigmund Freud die Deutung, wie diese Romantisierung einer ermordeten Welt auszulegen ist. Auf jeden Fall kann man auch diese Tendenz als einen Versuch verstehen, die Bibel zu europäisieren.

      Ab dem Sommer 2017 gibt es in den Vereinigten Staaten eine Welle des Ikonoklasmus. Angefangen hat diese Bewegung damit, die Denkmäler der Heroen der Südstaaten im amerikanischen Bürgerkrieg zu beseitigen, doch inzwischen ist man bei George Washington und Thomas Jefferson angelangt, zwei der ersten und wichtigsten Präsidenten, die als Mitglieder der wohlhabenden Elite ihrer Zeit auch Sklavenbesitzer waren, nicht zu reden von Christoph Kolumbus, dessen Entdeckung Amerikas im Laufe der Jahrhunderte für die Ureinwohner des Kontinents gravierende Konsequenzen gehabt hat. Auch in Kanada waren wir sogar im kanadischen Jubiläumsjahr 2017 von diesem ikonoklastischen Wahn unserer südlichen Nachbarn betroffen. Eine der wichtigsten Gestalten der kanadischen Geschichte ist der Staatsgründer und erste Ministerpräsident Sir John A. Macdonald (1815–1891) gewesen. Aber da er im Einklang mit seiner Zeit und Gesellschaft sich in einer Weise geäußert hat, die wir heute als rassistisch betrachten würden, gibt es jetzt eine Bewegung, die vielen Standbilder zu seinen Ehren niederzureißen und die vielen Schulen, die seinen Namen tragen, umzubenennen.

      Aber es sind nicht nur die eigenen Landsleute, die heutzutage angegriffen werden. Ohne Zweifel kennen alle evangelischen Theologinnen und Theologen das berühmte Lutherdenkmal in Worms, das ich fast gezwungen war, im Rahmen meines Vortrags im Lutherjahr zu erwähnen.18 Aber wie alle Menschen hatte auch Luther seine dunklen Seiten. Nachdem sein Versuch, die Juden für seine reformierte Fassung des Christentums zu gewinnen, gescheitert war, hat er sich in Schriften wie »Von den Juden und ihren Lügen« gegen sie gewandt.19 Aber zurück zum Denkmal: Eine Kopie des Standbildes Luthers steht in Washington vor einer evangelischen Kirche, die Luthers Namen trägt. Es ist mir peinlich, das zu berichten, aber auch dieses Standbild in Washington wurde zuletzt von einer ikonoklastischen jüdischen Journalistin angegriffen.20 Also gehört auch sie zu denen, die die Geschichte der Menschheit von jedem kleinen Makel reinigen wollen, bis die menschliche Vergangenheit vollkommen ausgelöscht ist – ein furchterregender Gedanke! Anscheinend hat sie nie den Spruch eines ziemlich bekannten Juden gehört, der vor zwei Jahrtausenden lebte: »Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein« (Johannes 8,7).

      Abb. 3. Das Lutherdenkmal zu Worms.

      Das schwierige Thema der Beziehung Luthers zu den Juden ist jedoch nicht der Grund, weshalb ich Luther an dieser Stelle erwähne. Da ich meinen Vortrag im Lutherjahr gehalten habe, in dem eine revidierte Fassung der Lutherbibel erschienen ist, ist mein Anliegen, anhand von ein paar Bibelstellen eine dunkle Seite der europäischen Bibelauslegung zu beleuchten, nämlich wie Bibelübersetzungen zum Ausdruck der europäischen Überheblichkeit wurden. Obwohl die Bibel kein europäisches Buch ist, wurde sie doch im Guten wie im Bösen zum Ausdruck des europäischen Geistes gemacht.

      Zu Anfang meiner Ausführungen habe ich kurz auf Mozarts Zauberflöte angespielt, als ich »diese heil’gen Hallen« erwähnt habe. Diese bekannte Arie wird von dem Priester Sarastro gesungen, der in dieser Oper das Gute verkörpert. Bösewichte gibt es in dieser Oper genügend. Doch einer setzt sich von den anderen durch seine Hautfarbe ab. Der schwarze Sklave Monostatos singt über sich selbst: »und ich muss die Liebe meiden, weil ein Schwarzer hässlich ist«. Dies ist für einen Opernliebhaber wie mich eine der peinlichsten Stellen der Opernliteratur, denn sie bringt einen tiefverwurzelten Rassismus zum Ausdruck, der die schwarze Hautfarbe mit dem Bösen und dem Hässlichen assoziiert, auch wenn der Vogelfänger Papageno sogleich danach bemerkt: »Es gibt ja schwarze Vögel in der Welt, warum denn nicht auch schwarze Menschen?«

      Obwohl die schwarze Sklaverei in Mozarts Europa nicht mehr betrieben wurde, gibt es eine Anzahl an Gemälden aus dem 18. und 19. Jahrhundert, die biblische Szenen mit schwarzen Sklaven bevölkern, da man sich keine anders aussehenden Sklaven oder Diener mehr vorstellen konnte.

      Diese beschämende Verbindung der schwarzen Hautfarbe mit dem Bösen oder dem Hässlichen spiegelt sich auch in Auslegungen und Übersetzungen der Heiligen Schrift wider. Versetzen wir uns kurz in den amerikanischen Süden in den Jahrzehnten vor dem Bürgerkrieg von 1861–1865. Das mag in diesem Zusammenhang erlaubt sein, weil die amerikanische Gesellschaft aus der europäischen hervorgegangen ist. Die Wirtschaft der Südstaaten basierte hauptsächlich auf der Produktion von Baumwolle, für die die Ausbeutung von afrikanischen Sklaven unentbehrlich schien. Das schlechte Gewissen, das man vielleicht hegte, konnte man mit Hilfe der Bibel überspielen.

      Denn in der Sintflut-Erzählung der Genesis fand man eine Rechtfertigung für die Unterdrückung und Versklavung seiner Mitmenschen. Nach dem Ende der Sintflut soll Noah einen Weinberg gepflanzt haben, wovon er trunken wurde und sich entblößte:

      22»Als nun Ham, Kanaans Vater, seines Vaters Blöße sah, sagte er’s seinen beiden Brüdern draußen. 23Da nahmen Sem und Jafet ein Kleid und legten es auf ihrer beider Schultern und gingen rückwärts hinzu und deckten ihres Vaters Blöße zu; und ihr Angesicht

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