Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke. Ida Pfeiffer
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke - Ida Pfeiffer страница 34
Nach der Trauung, welche immer des Vormittags Statt hat, muß die junge Frau den ganzen übrigen Theil des Tages in einem Winkelchen des Zimmers sitzen, oft noch mit dem Gesichte gegen die Wand gekehrt, und darf weder dem Bräutigam, noch den Aeltern oder sonst Jemand eine Antwort geben, viel weniger selbst ein Gespräch anfangen. Dieß drückt den Schmerz aus, daß sie ihren Stand nun verändern müsse.
Der Bräutigam saß in der Nähe seiner Braut und suchte vergebens den Lippen seiner Geliebten einige Worte zu entreißen. Als ich mich entfernte, machte sie mir zwar eine Verbeugung, aber mit niedergeschlagenen Augen.
In Jerusalem gehen die Weiber und Mädchen fast alle verschleiert. Nur in der Kirche und im Innern der Häuser ward mir das Glück zu Theil, die Sylphengestalten näher betrachten zu können. Unter den Mädchen fand ich manchen interessanten Kopf. Allein die Weiber von 26 bis 28 Jahren sind schon sehr verblüht und häßlich, so daß man in den tropischen Ländern immer eine sehr große Zahl garstiger Gesichter und nur hin und wieder gleich einem Meteor, etwas Hübsches hervorschimmern sieht. Die Magerkeit ist in Syrien eine seltene Erscheinung, selbst junge Mädchen sind schon ziemlich beleibt.
In der Nähe des Bazars, ist eine große Halle, in welcher die Türken ihre Sitzungen halten, Streitigkeiten schlichten oder Urtheile über die Angeklagten fällen. Im Innern dieser Halle stehen an den Seiten mehrere ordinäre Divane, in einer Ecke befindet sich ein hölzerner Verschlag, ungefähr 10 Fuß in der Länge, 6 in der Breite und 8 in der Höhe, welcher mit einer kleinen Thür und einem vergitterten Loche versehen ist; darin muß der Delinquent seine Strafzelt zubringen.
Während den 13 Tagen, die ich in Jerusalem zubrachte, fand ich die Hitze sehr erträglich. Im Schatten stand der Thermometer zwischen 20—22 Grad, und in der Sonne 23, höchst selten 30 Grad Reaumur.
Von Obst sah ich nichts, außer einer Gattung Aprikosen, Mischmisch genannt, zwar nur von der Größe einer wälschen Nuß, aber von einer außerordentlichen Schmackhaftigkeit. Schade, daß die Bewohner dieser Länder gar nichts zur Kultur und Verbesserung der Naturgaben beitragen, wie gut und herrlich könnte dann Manches gedeihen.
Ja, sie wissen nicht einmal das gehörig zu behandeln, was ihnen die Natur oft im Überflusse und von guter Sorte bietet, wie dieß z. B. mit den Oliven der Fall ist. Man kann nicht leicht wo ein schlechteres Oel bekommen, als in Syrien. Oel und Oliven sind für uns Europäer beinahe ungenießbar. Ersteres sieht ganz grün aus, ist ziemlich dicklicht und hat einen unangenehmen Geruch und Geschmack. Die Oliven sind gewöhnlich schwarz, eine Folge der schlechten Bereitung. So geht es ebenfalls mit dem Weine. Sie könnten sehr gute Sorten haben, wenn sie den Weinstock zu pflegen und den Wein zu behandeln wüßten. Letzteren versetzen sie mit einer Gattung Harz, welches dem weine einen äußerst scharfen, widerlichen Geschmack mittheilt.
Im Ganzen ist die Umgebung von Jerusalem höchst traurig, öde und unfruchtbar. Die Stadt fand ich nicht mehr und nicht minder belebt, wie jede andere in Syrien, und somit müßte ich lügen, wenn ich sagen wollte, es sei mir vorgekommen, als liege ein besonderer Fluch Gottes auf dieser Stadt. das Gebiet von ganz Judäa ist eine Steinregion, und in dieser Steinregion liegen auch andere Orte, als Jerusalem, deren Umgebung eben so öde und traurig ist.
Vögel, Schmetterlinge u.s.w. sind in dieser Jahreszeit nicht nur hier, sondern in ganz Syrien, eine seltene Erscheinung. Wo sollte ein Schmetterling, eine Biene oder sonst ein Insekt Nahrung hernehmen, wenn keine Blume, kein Grashalm dem steinigen Boden entsproßt? Auf welche Art sollte der Vogel sein Leben fristen, wenn Insekten und Samenkörner fehlen? Ziehen sie deshalb nicht fort über Meer und Thal in kühlere, nahrungsreichere Weltgegenden? Die lieblichen Sänger der Lüfte gingen mir überall ab, nicht blos hier allein. Nur der Sperling findet überall Nahrung, weil er mit den Menschen in Stadt und Dorf lebt. Auch hier weckte mich jeden Morgen eine Schaar dieser gefiederten Thierchen auf.
Von Ungeziefer litt ich bisher viel weniger, als ich befürchtete. Außer jenen kleinen Fliegen auf der Ebene von Saron und den kleinen, schwarzen Springinsfelden, die man wohl in der ganzen Welt findet, hatte ich mich über keine andern zu beklagen.
Unsere gewöhnliche Hausfliege fand ich überall heimisch, aber nicht lästiger und zahlreicher wie bei uns.
Ausflug nach dem Jordan und dem todten Meere.
Um im Innern von Palästina, Cölesyrien, Phönizien u.s.w. reisen zu können, muß man immer in größeren Zügen gehen, und an manchen Orten sogar eine Eskorte bei sich haben. Man muß sich mit Kochgeschirr, Lebensmitteln, Zelten, Dienerschaft u.s.w. versorgen. Mir allein wäre dies nicht möglich gewesen, und so dachte ich von Jerusalem den selben Weg nach Jaffa zurück zu gehen, und dann entweder nach Beirut oder Alexandrien meine Reise zu Meere fortzusetzen; da traf ich glücklicher Weise mit den bereits genannten Kavalieren zusammen, die mehrere Ausflüge zu Land unternehmen wollten, wovon ihr erster nach dem todten Meer und dem Flusse Jordan gehen sollte.
Ich hatte den sehnlichsten Wunsch, jene Orte besuchen zu können, und ließ die Herren Grafen durch Pater Paul ersuchen, mich an dieser gefahrvollen Reise Antheil nehmen zu lassen. Die Herren meinten, daßdiese Tour für eine Frau zu anstrengend sei, und waren nicht geneigt, meine Bitte zu erfüllen. Doch Graf W. nahm sich meiner an und sagte, er habe mich auf dem Ritte von Bethlehem nach Jerusalem beobachtet, es fehle mir weder an Muth und Geschicklichkeit, noch an Ausdauer, und man könne mich unbesorgt mitnehmen. Pater Paul brachte alsogleich die angenehme Nachricht, daß man mich mitnehmen wollte, und ich für weiter nichts, als für mein Pferd zu sorgen habe. Er rühmte mir besonders die gütige Fürsprache des Grafen W., wofür ich diesem jederzeit sehr verbunden bleibe.
Die Reise zu dem todten Meere und dem Jordan ist nicht in kleiner Gesellschaft zu wagen. Am besten und sichersten ist es, wenn man entweder in Jerusalem oder in Bethlehem einige Häuptlinge der Araber und Beduinen kommen läßt, und mit ihnen einen Sicherheitsvertrag schließt. Man zahlt ihnen einen mäßigen Tribut und wird dann von ihnen selbst und ihren Verbündeten hin und her geleitet. Die Grafen zahlten den beiden Häuptlingen 300 Piaster nebst den Reisekosten für sie und die zwölf Mann starke Begleitung.
Am 7. Juni halb 3 Uhr Nachmittags, setzte sich unser Zug in Bewegung. Die ganze Karavane bestand aus den vier Grafen, Mr. Bacleth, einem Baron Wrede, zwei Aerzten, mir, fünf oder sechs Dienern und den beiden Häuptlingen mit zwölf Arabern und Beduinen. Alle waren scharf bewaffnet, mit Gewehren, Pistolen, Säbeln und Lanzen; wir hatten das Ansehen, als zögen wir einem recht ernstlichen Scharmützel entgegen.
Unser Weg führte durch die Via dolorosa zum Stephansthore hinaus am Fuße des Oelberges fort, von einem Thale und Hügel zum andern — überall derselbe Steinboden. Anfangs sahen wir noch manchen blühenden Obst, und Olivenbaum und sogar Weinreben, nur von Gras oder Blumen war keine Spur; die Bäume allein standen, ohngeachtet der Hitze und des gänzlichen Mangels an Regen, in Pracht und Fülle. Dies mag wohl von der Kälte und Feuchtigkeit herrühren, welche in den heißen Ländern während der Nacht herrscht, und dadurch über die ganze Natur Erholung und Erquickung verbreitet.
Das Ziel unserer heutigen Wanderung lag 4 Stunden von Jerusalem entfernt, das griechische Kloster St. Saba in der Wüste. Schon das letzte Wort läßt schließen, daß die Gegend immer schauerlicher und öder wurde, bis wir weder Baum noch Strauch mehr zu sehen bekamen. Auf der ganzen Strecke war auch nicht die einfachste menschliche Wohnung wahrzunehmen. Wir begegneten nur einer Horde Beduinen, die ihre rußigen schwarzen Zelte in einem weit ausgebreiteten Flußbette aufgeschlagen hatten. Einige Ziegen, Pferde und Esel umkletterten die Abhänge, mühsam nach Wurzeln und Kräutern suchend.
Ungefähr