Zukunft verpasst?. Thomas Middelhoff

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Zukunft verpasst? - Thomas Middelhoff

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Beauty-Produkten. Gleichzeitig entwickelte Amazon ab Ende 2000 sein Digitalgeschäft weiter. Amazon Music und Amazon Prime stehen hierfür heute als Beispiel.

      Im Jahr 2000 beschäftigte Amazon weltweit noch keine 10.000 Mitarbeiter, 2005 waren es schon 12.000 und im Jahr 2010 über 33.000. Während die METRO seit 2010 beim Umsatz zunächst im Krebsgang abwärts und später im freien Fall unterwegs war, kennt Amazon nur eine Richtung: weit überwiegend organisches und exponentielles Umsatzwachstum. Heute beschäftigt das US-Unternehmen mehr als 840.000 Mitarbeiter, und der Umsatz wuchs von 15,7 Millionen US-Dollar im Jahr 1996 über 34,2 Milliarden 2010 bis auf 280,5 Milliarden 2019. Die Umsatzzahlen für das laufende Jahr 2020, in dem Amazon weltweit als größter Profiteur von Corona gilt, lassen wiederholt einen großen Sprung erwarten. In Deutschland allein betrug der Marktanteil von Amazon am Online-Handel im Jahr 2019 knapp 50 Prozent. Die Marktkapitalisierung des Konzerns hatte am 4. Februar 2020 bereits 1 Trillion US-Dollar überschritten und liegt am 17. Juni 2020 bei 1,3 Trillionen! Damit ist Amazon um den Faktor 250 wertvoller als METRO. 7

      Abbildung 2: Aktienkursentwicklung Amazon und METRO AG im Zeitablauf der letzten 20 Jahre. Schraffierte Fläche: „Goodwill“, der die Einschätzung des zukünftigen Wachstums von Umsatz und Ertragskraft des Geschäftsmodells widerspiegelt.

      Nach dem Zusammenbruch des Neuen Marktes im Jahr 2000 hätte die METRO ein Internetunternehmen wie Amazon ohne größere Anstrengungen übernehmen können, zur Not auch feindlich. Die damalige Fehleinschätzung, die wohl auch auf dem Hochmut des Managements beruhte, verhinderte, dass es überhaupt zu derartigen Überlegungen kam. Mit für die weitere Entwicklung des Konzerns dramatischen Folgen.

      Amazon wächst weltweit und besitzt Skaleneffekte, die, abgesehen von Alibaba, kein anderes Handelsunternehmen der Welt erreichen kann. Amazon könnte die Übernahme der METRO heute sprichwörtlich aus der Portokasse finanzieren. Es ist sicherlich keine Arroganz von Jeff Bezos, dies nicht zu tun. Amazon steht unter wirtschaftlicher Perspektive mit seinem Geschäftsmodell weltweit für Zukunft und Wachstum, die METRO hingegen für eine untergehende Welt des tradierten Handels.

      Allerdings sollte an dieser Stelle auch vermerkt werden, dass Amazon andererseits in kritischen gesellschaftlichen Debatten immer stärker für modernes Ausbeutertum hinsichtlich der Arbeitsbedingungen steht, für Rücksichtslosigkeit, Belastung der Umwelt und für fehlende Moral – unter diesem Blickwinkel also ein Geschäftsmodell betreibt, das Gefahr läuft, in diesem aktuellen Jahrzehnt rapide an Zustimmung zu verlieren!

      Leider scheinen deutsche Handelsmanager aus den Fehlern der Vergangenheit bis heute nicht viel gelernt zu haben. Im Mai 2020 gab der Chef der deutschen Otto Group, früher Otto Versand genannt, einer deutschen Wirtschaftszeitung ein ausführliches Interview. Diese Gelegenheit der öffentlichen Aufmerksamkeit nutzte er, um eine aus Sicht des Otto Versands fundamental wichtige Sache klarzustellen: Amazon sei völlig überbewertet, sagte er sinngemäß, Alibaba sei technologisch deutlich weiter.

      Was immer auch den Mann zu dieser kühnen Aussage verführt hat, so viel ist jedenfalls klar. Die Otto Group, die 2005 noch größer war als Amazon, ist in den letzten Jahren auf Rang 83 (!) der weltweit größten Handelsunternehmen abgerutscht.

      Normalerweise sollte man annehmen, dass sich das Management, das für eine solche, sagen wir einmal „schwierige Entwicklung“ verantwortlich ist, kritisch fragt, was man selbst vielleicht falsch gemacht hat. Nicht so in Deutschland. Hier wird lieber der Gegner schlechtgeredet, der einen in spektakulärer Weise überholt hat.

      Unter den weltweit 100 größten Handelsunternehmen rangiert die Schwarz-Gruppe (Lidl) auf Rang 5, Aldi auf Rang 8, EDEKA auf Rang 17, REWE auf Rang 19, METRO auf Rang 26, Ceconomy (Media-Saturn) auf Rang 40 und Otto auf Rang 83. Der deutsche Discount-Handel (Aldi und Lidl) ist damit das erfolgreichste Exportmodell des deutschen Handels. Zwar spielte bislang das Internet im Discount-Bereich keine nennenswerte Rolle; es sind aber Entwicklungstendenzen erkennbar, die eine Übertragung des Discountprinzips auf das Internet wahrscheinlich machen: begrenztes Sortiment, schneller Umschlag, reduzierter Service, niedrige Kalkulationsspannen. Conny hat gerade in ein solches Modell in Mexiko mit dem Namen Jüsto investiert, das vor einigen Monaten mit 60 Millionen US-Dollar eine der höchsten Seed-Bewertungen (Wertansatz bei erster Finanzierung) erreichte, die bislang in Lateinamerika erzielt werden konnten.

      Wir können uns bei allem Respekt vor der jeweiligen unternehmerischen Leistung nicht vorstellen, dass die Schwarz-Gruppe – auch wenn sie seit Mai 2020 interessierten deutschen Unternehmen Cloud Services anbietet – oder Aldi, die international vergleichsweise wettbewerbsfähig positioniert sind, als Konsolidierer auf dem Handelsmarkt der Zukunft auftreten werden. Diese Unternehmen haben keinen Zugang zum Kapitalmarkt. Der finanzielle Spielraum reicht zwar aus, um das organische Wachstum, Internationalisierung und Neueröffnungen zu finanzieren, gibt aber keinen Spielraum für größere Akquisitionen in einer zunehmend digitalisierten Handelswelt.

      Naspers und Bertelsmann: Was eine richtige Strategie bedeutet

      Das südafrikanische Unternehmen Naspers wurde 1915 gegründet und war über Jahrzehnte als nationales Verlagshaus auf Zeitungen und Zeitschriften konzentriert, die zum Teil zu den Unterstützern der Apartheid zählten. 1985 erweiterte das Management das Portfolio um Aktivitäten im südafrikanischen Pay-TV, bevor es dann ab 1997 konsequent eine Digitalisierungsstrategie verfolgte.

      2001 investierte Naspers in das bis dahin unbekannte chinesische Internet-Start-up Tencent und erwarb 30 Prozent des Unternehmens für 34 Millionen US-Dollar. Zum heutigen Zeitpunkt besitzt allein diese Beteiligung einen Wert von 130 Milliarden US-Dollar. Tencent ist trotz seines enormen Erfolges in China großen Teilen der westlichen Bevölkerung immer noch kaum bekannt. Das rasante Wachstum dieses Unternehmens wird vor allem beim Vergleich der Marktkapitalisierung mit Facebook deutlich. Abbildung 3 zeigt beeindruckend, dass Tencent weitestgehend mit Wachstumsvolumen und -geschwindigkeit von Facebook mithalten kann, obwohl der Konzern (heute noch) hauptsächlich in einem einzigen Land aktiv ist. Dieser Umstand verdeutlicht das scheinbar endlose Marktpotenzial Chinas und den hohen Stand technologischer und digitaler Entwicklungen dort, den man in Europa und Amerika scheinbar nicht wahrhaben will.

      Abbildung 3: Kursentwicklung von Facebook und Tencent seit ihrer Gründung.

      Naspers hat Ende 2019 seine Internet-Beteiligungen in der Holding Prosus zusammengefasst und an der Euronext in Amsterdam gelistet. Seitdem hat sich Prosus bei der Marktkapitalisierung zum zweitgrößten europäischen Technologieunternehmen entwickelt – hinter der SAP AG. Neben der Beteiligung an Tencent hält Prosus unter anderem Beteiligungen an Start-ups im Bereich der Food-Lieferdienste, etwa Delivery Hero oder Lieferando, aber auch an dem indischen Lieferdienst iFood und seinem brasilianischen Pendant swiggy. Zu weiteren Prosus-Beteiligungen zählen die russische Internet- und Satelliten-Plattform Mail.Ru, die wiederum an Facebook beteiligt ist.

      Der Erfolg der Naspers-Strategie ist eindrucksvoll. Wir kennen kein anderes Medienunternehmen, das in der Lage war, gegen die Vorherrschaft der amerikanischen und chinesischen Internetkonzerne auch nur ansatzweise vergleichbare Wertsteigerungen zu erzielen und sich eine Wettbewerbsposition zu erarbeiten, die es unabhängig macht von den amerikanischen Playern und deren Monopol bei den Endkunden-Kontakten. Die Wertsteigerungen

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