Zukunft verpasst?. Thomas Middelhoff

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in mehr als 130 Ländern tätig und damit der am stärksten internationalisierte Medienkonzern der Welt.

      Besonders erstaunlich ist, dass die Grundlage für die erfolgreiche Naspers-Entwicklung 2002 gelegt wurde, nämlich genau in jenem Jahr, in dem die Bertelsmann AG konsequent fast alle Internetgeschäfte beendete und die dort beschäftigten Talente aus dem digitalen Bereich vom Hof jagte. Oder anders ausgedrückt: Die Grundlage für den heute so eindrucksvollen Erfolg von Naspers wurde genau zu Beginn des für die deutschen Konzerne verlorenen Jahrzehnts gelegt.

      Ähnlich wie Naspers hat der mit Abstand größte deutsche Medienkonzern Bertelsmann seine Wurzeln im Printgeschäft und investierte später in Free- und Pay-TV. Drei Jahre früher als Naspers, nämlich schon 1994, hatte Bertelsmann erste Internetinvestitionen getätigt. Das waren damals vor allem die Beteiligung an AOL Inc., das Joint Venture AOL Europa und das mit diesem verbundene Netzwerkgeschäft Mediaways.

      Bertelsmann verhielt sich ab 2002 völlig anders als das Naspers-Management, das konsequent auf Digitalisierung und Internationalisierung setzte. Trotz der zuvor erwirtschafteten hohen Gewinne aus dem Verkauf von Internet-Assets stoppte der Vorstand ab 2002 die Investitionen in Internet-Start-ups. Während Naspers sich Ende 2001 mit 34 Millionen US-Dollar an Tencent beteiligte, entschied sich Bertelsmann sechs Monate später, im Juni 2002, dagegen.

      Mit seinem damaligen chinesischen Partner Bruno Wu war ein Joint Venture unter dem Namen „Bertelsmann of China“ verhandelt und vereinbart. Bertelsmann sollte 25 Millionen US-Dollar in cash einbringen sowie seine kleineren Aktivitäten in China, wie ein Druckerei- und ein Buch-Club-Projekt. Der chinesische Partner wollte seine Beteiligungen an Sina.com, Sun-TV und ein 10-Prozent-Paket an dem damals noch unbekannten Tencent einbringen, das mit den 25 Millionen von Bertelsmann finanziert werden sollte. Es war vereinbart, „Bertelsmann of China“ an der Börse in Hongkong zu listen, um so die weitere Finanzierung von chinesischen Internet-Start-ups sicherzustellen. Der Aufbau dieses chinesischen Internetgeschäftes hätte die Gütersloher Konzernkasse deshalb nicht weiter belastet.

      Im August 2013 rechnete Bruno Wu in einem Interview mit dem Manager Magazin dem Gütersloher Management mit erkennbarer Wut im Bauch vor, welchen Wert allein das damals vereinbarte Joint Venture heute auf Basis der damaligen Vereinbarungen und ohne weitere Akquisitionen gehabt hätte: 12 bis 15 Milliarden US-Dollar. „Bertelsmann of China“ wäre nach seiner Meinung heute nichts weniger als der führende asiatische Internet- und Unterhaltungskonzern.

      Doch dazu kam es nicht. Dieses Projekt wurde vom damals verantwortlichen Bertelsmann-Vorstand ebenso eingestellt wie Napster, das mit seinen 90 Millionen Usern frühzeitig auf das Sharing von (Musik)-Inhalten setzte, zwei Jahre bevor Apples iPhone der Marktdurchbruch gelang und einige Jahre vor dem Markteintritt von Netflix.

      Obgleich Bertelsmann zu Beginn des verlorenen Jahrzehnts die ungleich besseren Startvoraussetzungen für eine weitere Digitalisierungsstrategie besaß als Naspers, setzte der Konzern – anders als Naspers – ab 2002 wieder auf wenig zukunftsträchtige Print- und Dienstleistungsgeschäfte. Bei einem Vergleich, welche Werte die beiden unterschiedlichen Strategieansätze für den jeweiligen Konzern schaffen konnten ergibt sich kein vorteilhaftes Bild für Bertelsmann. Der mit Abstand ertragreichste Bereich von Bertelsmann ist die Mehrheitsbeteiligung an der RTL Group, die weit mehr als 50 Prozent des Bilanzgewinns beisteuert. Selbst wenn man diesen Wert der RTL-Beteiligung großzügig verdoppeln würde, um einen Gesamtunternehmenswert für Bertelsmann zu ermitteln, das nicht börsennotiert ist, kommt man als Unternehmenswert für Bertelsmann auf ca. 15 – 20 Prozent des Wertes der Prosus-Beteiligung von Naspers.

      Abbildung 4: Kursentwicklung von Prosus (bis 2019 Teil von Naspers) und RTL Group (Teil von Bertelsmann) über den Zeitraum von 20 Jahren. Schraffierte Fläche: „Goodwill“, der die Einschätzung des zukünftigen Wachstums von Umsatz und Ertragskraft des Geschäftsmodells widerspiegelt.

      Zwischen 2002 und heute verabschiedete sich Bertelsmann Schritt für Schritt aus der Weltelite und wird zwischenzeitlich nur noch auf Platz 15 der Rangliste der größten Medienkonzerne geführt. Kritischer als das Umsatzranking sind die Dimensionen zu bewerten, mit denen die (digitalen) Wettbewerber Bertelsmann enteilt sind: Google, obgleich erst seit 1998 aktiv, macht rund das Achtfache des Bertelsmann-Umsatzes, der Umsatz von Disney ist zwischenzeitlich um den Faktor vier größer und der Umsatz von Amazon – allein im Medienbereich – liegt um etwa 50 Prozent höher als der von Bertelsmann. Mittlerweile ist bereits der Deutschland-Umsatz von Amazon größer als der weltweite Umsatz von Bertelsmann.

      Geht es um die Finanzkraft, sieht das Bild für Bertelsmann nicht besser aus. Wie der Bertelsmann-Vorstandsvorsitzende Thomas Rabe Anfang Mai 2020 in einem FAZ-Interview versicherte, verfügt der Konzern über eine Liquidität von etwa 4 Milliarden US-Dollar, deren Zusammensetzung in dem Interview etwas vage blieb. Wie eingangs erwähnt, beträgt allein die Cash Position von Google 121 Milliarden. Dies entspricht in cash mindestens dem 30-fachen dessen, was Bertelsmann heute finanzieren könnte. Und auch die Finanzkraft von Comcast (Nr. 4 im Ranking) in Höhe von 127,4 Milliarden US-Dollar oder Walt Disney (Rang 5) in Höhe von 123,9 Milliarden bewegen sich zwischenzeitlich in völlig anderen Sphären als die des Bertelsmann-Konzerns.

      Apple verfügt über einen Barbestand auf seinen Konten in Höhe von mehr als 130 Milliarden US-Dollar. Das ganze Drama, das sich für die Wettbewerbskraft von Bertelsmann seit dem Crash des Neuen Marktes und dem nachfolgenden Rückzug aus dem digitalen Geschäft abgespielt hat, beschreibt ein einziger Satz: Der Google-Gewinn war im Jahr 2019 größer als der Bertelsmann-Umsatz!

      Damit scheidet die Vorstellung aus, Bertelsmann könne zukünftig als Konsolidierer in der digitalen Medienwelt auftreten. Vorstellbar sind allenfalls Akquisitionen in reifen Medienmärkten, die den Handlungsspielraum des Konzerns nicht überfordern, weil dort die Kaufpreismultiplikatoren üblicherweise niedriger sind als in Wachstumsmärkten.

      Die Deutsche Bank und die FinTech-Industrie: Warum Größe nicht vor Dummheit schützt

      Mit einer Bilanzsumme von 1,491 Trilliarden Euro im ersten Quartal 2020 und rund 90.000 Mitarbeitern versteht sich die Deutsche Bank seit Jahrzehnten als das Vorzeigeunternehmen des Landes und bemüht sich auch heute noch, so zu agieren.

      Tatsächlich aber kämpft das ehemals namhafte Institut nicht nur um seinen Ruf, sondern vielmehr darum, ein tragfähiges zukünftiges Geschäftsmodell zu finden, und damit verbunden um seine wirtschaftliche Eigenständigkeit. Aufgrund ihrer vergleichsweise niedrigen Marktkapitalisierung gilt die Bank an den Kapitalmärkten schon seit längerer Zeit als Übernahmekandidat, ähnlich wie dies im Automobilsektor für Daimler gilt. Allerdings glauben wir, dass sich selbst bei einem negativen Kaufpreis kein renommierter Käufer für diese Bank finden würde; zu groß sind die Risiken. Denn die Deutsche Bank war 2016 noch weltweit in etwa 7.800 Ermittlungsverfahren, Strafverfahren und Zivilprozesse involviert.

      Wer hierzu mehr erfahren will, sollte das Buch von David Enrich lesen, eines Reporters der New York Times, das sich wie ein Thriller liest: Dark Towers: Deutsche Bank, Donald Trump, and an epic trail of destruction (Harper Collins, 2020). Wer ein Buch in deutscher Sprache bevorzugt, dem sei Bad Bank, Aufstieg und Fall der Deutschen Bank (DVA 2018) von Dirk Laabs ans Herz gelegt.

      Conny begleitet die Entwicklung der Finanztechnologie-Industrie bis heute eng, weil er

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