Aufregend war es immer. Hugo Portisch

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Aufregend war es immer - Hugo Portisch

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verteilt worden sind. Das Volumen dieses Besatzungsgeldes ist der österreichischen Regierung nicht bekannt, aber überall in Österreich muss der Militärschilling so wie der Zivilschilling als Zahlungsmittel akzeptiert werden. Da in Österreich die Produktion noch daniederliegt und nur wenige Güter erzeugt werden, gibt es daher eine starke inflationäre Entwicklung. Viel zu viel Geld bei viel zu wenigen Waren.

      Die Regierung entschließt sich zu einer Abwertung des Schillings. Ein neuer Schilling wird geschaffen. Pro Person werden 150 alte gegen 100 neue Schilling eingetauscht. Alle Beträge darüber werden um zwei Drittel abgewertet, für drei alte Schillinge gibt es nur noch einen neuen. Hatten die Sowjets den Beitritt Österreichs zum Marshallplan gerade noch geduldet, so scheinen sie jetzt entschlossen, in Österreich wie in Deutschland den Währungsreformen entgegenzutreten. Der einzige kommunistische Minister in der österreichischen Regierung, Karl Altmann, stimmt – im Gegensatz zu früher beim Marshallplan – dem Abwertungsgesetz nicht zu und tritt zurück. Im Zentralorgan der österreichischen Kommunisten »Volksstimme« erscheint in großen Lettern die Schlagzeile »Erregung, Erbitterung, Empörung«, und drohend veröffentlicht die Zeitung eine Namensliste: »Die Männer, die das ausgepackelt haben – Namen, die man sich merken muss«. Das ist zu jener Zeit unter Umständen keine leere Drohung, denn wie wir es bald erleben, werden Menschen in führenden Wirtschaftspositionen dem Druck der Straße und auch dem der Besatzungsmacht ausgesetzt.

      Auch in den drei westlichen Zonen Deutschlands, die ebenfalls am Marshallplan teilnehmen und als Trizone Mitglied der OEEC sind, wird die Reichsmark abgeschafft und an ihrer Stelle die Deutsche Mark eingeführt. In Deutschland allerdings zum Wechselkurs von 10:1 – was die D-Mark von Anfang an sehr stark macht. Nun harrt man in Österreich und in Deutschland der Dinge, die da noch kommen dürften, die Reaktion der Sowjetunion und deren Auswirkungen. In Österreich fällt sie überraschend milde aus: Die Sowjets würden im Alliierten Rat keinen Einspruch erheben, wenn sie, anders als die anderen Besatzungsmächte, ihre großen Vorräte an Reichsmark – nicht wenige vermutlich aus der Sowjetzone in Deutschland – nicht im Verhältnis 3:1, sondern 1,75:1 tauschen dürfen. Die Sowjets lassen sich ihre Zustimmung also abkaufen! Das wird auch für die Staatsvertragsverhandlungen noch sehr interessant sein.

      In Deutschland warnen die Sowjets davor, die drei westlichen Sektoren in Berlin in die Währungsreform einzubeziehen. Doch das bestimmen nicht die Deutschen, die noch keine Regierung haben, sondern die drei Westmächte. Die erkennen die Gefahr: Geben sie in der Währungsfrage in Berlin nach, ist Westberlin vermutlich bald verloren. So bleiben sie hart – auch in Westberlin gilt nun die D-Mark.

      Doch hier denken auch die Sowjets nicht daran nachzugeben. Denn auch sie wissen, wird Westberlin einbezogen in die Wirtschaftsgemeinschaft des Westens und Teil der im Marshallplan vorgesehenen europäischen Integration, so schwindet die Hoffnung Moskaus auf eine gesamtdeutsche Lösung nach sowjetischen Vorstellungen, wie sie Moskau immer wieder bei den Verhandlungen mit den Westmächten zum Ausdruck gebracht hat: ein Gesamtdeutschland, dessen Schicksal von der Sowjetunion mitbestimmt werden müsse. So reagieren die Sowjets auf die Einführung der D-Mark in Westberlin mit einer Blockade aller Zufahrtsstraßen und Eisenbahnstrecken, die von Westdeutschland nach Westberlin führen. Ab sofort können weder Menschen noch Waren die Sowjetzone nach Westberlin durchqueren, ausgenommen die Militärfahrzeuge der Alliierten.

      Ein Moment, in dem die Welt den Atem anhält. Wie wird der Westen reagieren? Werden die Westmächte versuchen, die Blockade zu brechen? Mit militärischen Mitteln? Gibt es dann Krieg? Oder muss der Westen nachgeben, was wohl hieße, Westberlin aufzugeben?

      Die Blockade wird am 24. Juni 1948 verhängt. Einen Tag später befiehlt der amerikanische Oberbefehlshaber in Deutschland, General Lucius D. Clay, die Errichtung einer Luftbrücke, zunächst von Frankfurt am Main nach dem im amerikanischen Sektor Berlins gelegenen Flughafen Tempelhof. Wir fragen uns: Das wollen die Amerikaner wirklich versuchen? Über zwei Millionen Berliner mit Flugzeugen aus der Luft zu versorgen? Mit Lebensmitteln, mit Kohle für die E-Werke, mit Treibstoff und allen Gebrauchsgütern?

      Das kaum für möglich Gehaltene aber geschieht. Amerikanische Versorgungsflugzeuge starten nun bald im Fünfzehnminutentakt, landen in Tempelhof, werden blitzschnell entladen und rollen zurück auf die Startbahn. Großbritannien und Frankreich helfen mit. Die Briten landen auf dem Berliner Flughafen Gatow, der sich in ihrem Sektor befindet, die Franzosen in Tegel im französischen Sektor. Was kaum jemand für möglich gehalten hätte, der Westen hält diese gewaltige Versorgungsoperation fast ein ganzes Jahr – bis zum 12. Mai 1949 – aufrecht. Insgesamt sind das 280.000 Versorgungsflüge. Dabei gibt es mehrere tödliche Unfälle. 39 Briten, 31 Amerikaner und 13 Deutsche kommen ums Leben.

      Die Sowjets aber müssen erkennen, dass der Westen nicht nachgeben wird. Ihr Vorhaben, die Westmächte aus Berlin zu vertreiben, ist gescheitert. Das von den Westdeutschen erhoffte und von den Westmächten angestrebte Ziel, die drei Westzonen Deutschlands zu vereinen und eine eigene Bundesrepublik Deutschland zu schaffen, ist durch die Sowjetblockade gegen Berlin nur beschleunigt worden – gerade das, was Moskau verhindern wollte.

      In Österreich nimmt die Auseinandersetzung zwischen Ost und West, der Kalte Krieg, zunächst andere Formen an und wir in der »Tageszeitung« haben das fast jeden Tag zu kommentieren. Die Währungsreform haben sich die Sowjets für einen günstigeren Umtauschkurs abkaufen lassen. Aber die von den Sowjets gleich nach ihrem Einmarsch in Österreich als sogenanntes »Deutsches Eigentum« beschlagnahmten Industrien und Betriebe, darunter auch die Erdölfelder rund um Zistersdorf und die Donaudampfschifffahrtsgesellschaft, werden mit einem einzigen Befehl des Oberkommandierenden Sowjet-Marschalls Iwan Konjew zum Eigentum der Sowjetunion erklärt und der direkten Verwaltung in Moskau unterstellt. Diese zentrale Verwaltung des sowjetisch gewordenen »Deutschen Eigentums« wird mit den Anfangsbuchstaben ihres russischen Namens »USIA« genannt.

      Was die neue österreichische Währung wert ist, haben die Sowjets schnell begriffen. So gründet die USIA in Ostösterreich eine eigene Kaufhauskette und beginnt zu verkaufen, was in den USIA-Betrieben hergestellt wird. Bis jetzt sind diese Produkte nach dem Osten geliefert worden. Nun aber ist es für die Sowjets lukrativer, viele dieser Produkte in Österreich selbst anzubieten und sie für neue harte Schillinge zu verkaufen. Es dauert nicht lange, da verkauft die USIA auch Waren aus den benachbarten kommunistischen »Volksdemokratien« in ihren österreichischen Läden – unter dem normalen Preis, denn die USIA als Unternehmen der Besatzungsmacht zahlt keine Zölle und keine Steuern. Aus Bulgarien werden Zigaretten und aus Ungarn Lebensmittel angeboten. Schließlich beginnt die USIA sogar Waren aus dem Westen einzuführen, ebenfalls zoll- und steuerfrei, um sie zu reduzierten Preisen auf den Markt zu werfen.

      Für die österreichische Wirtschaft hat das schlimme Auswirkungen. Denn die USIA-Läden werden von vielen Österreichern der Preise wegen gerne besucht. Die »Tageszeitung«, der Wirtschaft verbunden, nimmt den Kampf gegen die Schmutzkonkurrenz der USIA auf. Ich habe damals einen Kommentar nach dem anderen gegen die USIA geschrieben. Wir betrachteten das Vorgehen der Sowjets nicht nur in Berlin, sondern auch bei uns in Österreich als Teil des Kalten Krieges.

      Just in dieser Zeit kam Hans Dichand in die Redaktion mit der Nachricht, dass er die Zeitung nun bald, wenn es geht sogar gleich, verlassen werde. Er habe das Angebot erhalten, in der Steiermark die Chefredaktion des »Murtaler Boten« zu übernehmen. Zunächst wusste keiner von uns, was der »Murtaler Bote« war. Aber Dichand fand dieses Angebot verlockend. Wie sich später herausstellte, war es für Dichand und in einem gewissen Sinn auch für mich sogar schicksalhaft. Denn den »Murtaler Boten«, ein Wochenblatt, so klein es auch war, brachte Dichand zu einer erstaunlichen Auflage, und dieser Erfolg führte zum nächsten Angebot an ihn, nämlich die »Kleine Zeitung« in Graz, damals auch noch ein Wochenblatt, als Chefredakteur zu übernehmen. Dichand machte die »Kleine Zeitung« zu einer erfolgreichen Tageszeitung, und dieser Erfolg brachte ihm die Berufung zum »Neuen Kurier« ein. Was wieder zum Angebot Dichands an mich führte, mit ihm den »Kurier« zu gestalten.

      Zur Mitgestaltung hatte mich Dichand auch

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