Aufregend war es immer. Hugo Portisch

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Aufregend war es immer - Hugo Portisch

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meinem Monatsgehalt von 360 Schilling. An der Grenze fragte der Zöllner, ob wir Valuten bei uns hätten. Ja, 120 Dollar. »Aber Sie wissen, dass Sie nur 20 Dollar pro Person ausführen dürfen.« – »Oh weh! Unsere Hochzeitsreise!« – »Hochzeitsreise?« – »Aber ja.« Wir hatten den Trauschein dabei, denn unsere Pässe lauteten auf verschiedene Namen. Der Grenzer sah sich den Trauschein und dessen Datum an und gab ihn uns lachend zurück: » Da wünsche ich viel Glück!«

      Das Geld reichte bis nach Neapel. Wir sahen den Vesuv und Pompeji und gönnten uns leichtsinnigerweise auch einen Ausflug nach Capri. Die Rückfahrt im Zug war bezahlt, aber in Rom hätten wir gerne noch einen Tag verbracht, auch hatten wir einen Riesenhunger, aber kein Geld mehr. So ging ich in Rom in das nächste Fotogeschäft und bot die alte Kamera, die mir mein Vater mit auf die Reise gegeben hatte, zum Kauf an. Sie wurde gekauft, für wenig Geld. Doch es reichte für zwei große Pizzas und eine Übernachtung. So begann unsere Ehe.

      Die sollte auch noch richtig gefeiert werden, und zwar in Trins am Brenner. Dort sollten wir auf dem Rückweg von Italien vorbeikommen. Dort hatte eine Schwester von Traudis Mutter ein schönes Tiroler Haus. Als wir ankamen, wurden wir mit einer wunderschönen Hochzeitstafel empfangen – eine wirkliche Augenweide: Das weiße Tischtuch kunstvoll verziert mit Almrausch und Enzian, die die beiden Schwestern in den Bergen gepflückt hatten, damals durfte man das noch.

      Nach Wien zurückgekehrt, begann der Ernst des Lebens. Wir hatten keine Wohnung, lebten in Untermiete und hatten wenig Geld. Als Jüngster in der Redaktion der Wiener »Tageszeitung« war ich fast täglich für den »Schlussdienst« eingeteilt. Das hieß, bis Mitternacht in der Redaktion auszuharren, um noch die letzten Nachrichten im Blatt unterzubringen. Also Heimkehr erst danach. Ohne Straßenbahn zu Fuß und ein Stück des Weges durch die sowjetische Zone. Da war es nie sicher, ob man gut nach Hause kam. Traudi harrte da tapfer aus, Nacht für Nacht. Erstaunlich, wie sehr wir harmonisierten. Alles um uns interessierte uns, wir führten lebhafte Debatten über Gott und die Welt, vor allem auch über unser eigenes Leben. Wir hatten viel Freude aneinander und lernten die Fehler des anderen zu lieben.

      Traudi nahm verschiedene Jobs an. Sie arbeitete auch für Fritz Molden und seine »Presse«, war Korrespondentin für ein amerikanisches Reisemagazin. Und hatte eine gute Idee für ein Kinderbuch. Denn im Gegensatz zu Großbritannien und den USA gab es im deutschsprachigen Raum damals keine Sammlung von Kinderreimen und Kinderliedern. Diesen ging sie nun nach, forschte nach ihrem Ursprung und ihrer Urfassung. Sie stellte die Reime zusammen und gewann den bekannten Zeichner und Karikaturisten Rudi Angerer, das Projekt großartig zu illustrieren. Im Verlag Herder fand es begeisterte Aufnahme. Aber als Autorin wollte Traudi nicht Portisch heißen und blieb bei ihrem Mädchennamen Traudi Reich. Das Buch mit dem Titel »Ich und Du« wurde ein Bestseller und brachte es zu 19 Auflagen, die letzte im Residenzverlag.

      Welch eine Ermunterung. Traudi schrieb weiter – und brachte es bislang auf zwölf weitere Kinder- und Jugendbücher. In den beiden letzten nahm sie sich der Naturgeschichte an. In einem schildert sie die Reise, die die Krähen Jahr für Jahr auf sich nehmen, um dem Winter in Sibirien zu entgehen und nach Wien zu kommen. Und welche Beziehungen sie in der Lage sind, zu den Menschen aufzunehmen. In ihrem letzten Kinderbuch begibt sie sich auf den Meeresgrund, wo sie Geschöpfe entdeckt, denen sie merkwürdige Namen gibt: Tozzelpozzeln und Molopotonis. Das klingt wie Spaß, ist aber eine wunderbar nacherzählte Geschichte der Evolution.

      Es blieb nicht bei den Kinderbüchern. In zwei großen von Alfonso Madden illustrierten Bänden schrieb sie Gedichte in Deutsch und Englisch. In England hatte Traudi als Flüchtling in einer Klosterschule eine Stelle als Turnlehrerin angenommen, musste sich aber den strengen Regeln des Klosters unterwerfen. Als einzige Laiin unter Nonnen! Über die damaligen Erfahrungen schrieb sie, diesmal als Gertraude Portisch, ein Buch unter dem Titel »Der liebe Gott und die Großmama«. Das fand große Beachtung. Traudi setzte sich da ganz hart mit der Religion und der Kirche auseinander. Ihr bislang letztes Buch für Erwachsene nannte sie »Zwei weiße Schmetterlinge«, vorwiegend Lyrik zur Frage des Lebens und des Todes – der sie übrigens heiter und gelassen gegenübertritt.

      Zwei Bücher schrieben wir gemeinsam, weil wir sie auch gemeinsam erlebt haben. Beide Familien, Traudis und meine, waren leidenschaftliche Schwammerlsucher. Auch immer bemüht, nicht nur die üblichen Steinpilze und Eierschwammerln (Pfifferlinge) zu sammeln.

      Aber wie ärgerlich – die Pilzbücher, in denen wir feststellen wollten, um welche Art Pilze es sich handelte, ließen keinen direkten Vergleich zwischen essbaren und giftigen Arten zu.

      Wir stellten uns immer vor, wie ein brauchbares Pilzerkennungsbuch aussehen sollte. In London stellen an Wochenenden Künstler aller Art ihre Werke entlang der Einzäunung des Hydeparks aus. Bei einem dieser Werke blieben wir einmal stehen und sprachen mit dem Künstler. Ein Windstoß blätterte eine vor ihm liegende Zeichenmappe auf und gab den Blick frei auf einen großartig gemalten Pilz. Ja, er liebe Pilze, sagte der Künstler, und er male sie auch gern. Sein Name war Alfonso Madden und er lud uns ein, seine Sammlung an Pilzbildern daheim anzuschauen. Die Bilder waren absolut naturgetreu – wie geschaffen für ein Pilzbuch, wie wir es uns vorstellten.

      Wir fassten sofort den Entschluss, das von uns herbeigewünschte Pilzbuch mit Maddens Illustrationen selbst zu verfassen. »Pilze suchen ein Vergnügen« nannten wir es und boten dem Leser drei große Vorteile: gut erkennbare Bilder von Pilzen, die einander ähnlich sind, im direkten Vergleich miteinander – der Essbare und der Giftige oder Ungenießbare unmittelbar gegenübergestellt. Und wir reihten sie gemäß der Jahreszeit, in der sie zu finden sind, denn irgendwelche Pilze gibt es immer.

      Das zweite Buch, das Traudi und ich gemeinsam schrieben, nannte unser Verleger Hannes Steiner »Die Olive und wir«. Die Geschichte des alten Bauernhauses in der Toskana, das wir ganz zufällig gefunden und auf Traudis Wunsch innerhalb weniger Stunden gekauft hatten. Und all das, was wir dabei und danach erlebt haben. Ein guter Teil unserer gemeinsamen Biografie. Aber ohne Traudi hätte es das alles nicht gegeben.

      Vor allem auch nicht unseren Sohn, Edgar. So wie seine Mutter hoch talentiert, in fünf Sprachen perfekt in Wort und Schrift, stets tatendurstig. Wir hatten viel Spaß miteinander, machten einige große Reisen gemeinsam, und auch das Haus in der Toskana hat er mit großer Freude erlebt. Er und ich pflanzten dort zusammen einen ganzen Wald, der inzwischen schon groß geworden ist. Eine Zeit lang nutzte Edgar sein vom mütterlichen Großvater ererbtes Talent, um zu zeichnen und zu malen. Seine Bilder wurden in Galerien Italiens, Hollands, Deutschlands und Österreichs ausgestellt und von den Feuilletons recht positiv aufgenommen. Dann heiratete er und bewarb sich um einen Brotberuf im Europarat in Straßburg. Dort leitete er bald die Audiovisuelle Abteilung der Pressestelle. Aber so wie ich wurde er sein Fernweh nie los. Auch er wollte und musste in die Welt hinausziehen. So kam er nach Madagaskar, das ihn ungemein faszinierte. Nach seinem dritten Besuch pachtete er dort einen kilometerlangen, wunderbaren Strand vor einem tropisch belebten Riff, ideal zum Schnorcheln und Tauchen. Dort entwickelte Edgar ein kleines touristisches Zentrum mit Gästehaus, einem Restaurant und einer Autovermietung. Intensiv bereiste er die Insel und beteiligte sich auch organisatorisch an meiner 1996 gedrehten Madagaskar-Dokumentation für ORF und ZDF. 2011 erwischte ihn eine Tropenkrankheit, eine Bilharziose. Im französischen Pasteur-Institut gut ausgeheilt, dabei aber sehr geschwächt, übernahm er sich gleich wieder und starb an einem Herzstillstand.

      Das war zweifellos der härteste Schlag in unserem Leben. Aber auch der hat uns nur noch mehr zusammenrücken lassen.

      Wir waren alarmiert Weichenstellung für Europa

      Die kommunistischen Machtergreifungen in Bulgarien, Rumänien, Ungarn und nun auch in der Tschechoslowakei wurden auf ein Grundübel zurückgeführt und dieses mit einem Namen bedacht: Jalta. Jalta, die Kur- und Badestadt auf der Krim, zu der schon die russischen Zaren zur Erholung reisten. In einer der palastartigen Villen fand im Februar 1945 die sogenannte »Konferenz von Jalta«

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