Geheimnis Fussball. Christoph Bausenwein
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Die Antwort des „linken“ Supertechnikers Wolfgang Overath auf die Frage nach seinem persönlich größten Problem ist von daher nicht erstaunlich: „Mein rechter Fuß.“ Weil die Beidfüßigkeit allgemein als für einen kompletten Fußballer erforderlich betrachtet wird, kann es vorkommen, dass ein verdienter Nationalspieler als „dritter Fuß vom Franz“ belächelt wird, und dass ansonsten balltechnisch exzellente „Einfüßige“ wie Ferenc Puskas versuchen mussten, ihre Schwäche schlitzohrig zu überdecken: „Mit einem Fuß kann man nur halb so viele Fehler machen wie mit zweien.“ Puskas war ein hervorragender Spieler; dennoch steht fest, dass ein Spieler erst durch zwei gleichstarke Füße die volle Entscheidungsfreiheit besitzt, in jedem Moment aus sämtlichen denkbaren Möglichkeiten die beste auszuwählen. Nur durch die Beidfüßigkeit wird ein Fußballspieler – siehe Zidane – für den Gegner unberechenbar.
Weil das Stoßen des Balles mit dem Fuß zwar enorm schwierig ist, aber dennoch vom filigranen Techniker mit hoher Perfektion durchgeführt werden kann, liegen im Fußball geniale Kunst und hilflose Stümperei so nahe beieinander wie in kaum einem anderen Spiel. Für den Zuschauer beruht also der Reiz des Spiels wesentlich auf den Schwächen der Füße. Weil die so oft am widerspenstigen Ball Fehler produzieren, weiß man nie, was passieren wird. Verzweifeln muss deswegen keiner; außer vielleicht die Feinde des Balles, die mit ihm ewig auf Kriegsfuß stehen.
KÖRPER
Der Fußball ist hauptsächlich ein Fuß-Ballspiel. Trotzdem muss jeder Spieler seinen gesamten Bewegungsapparat koordinieren können. Insoweit unterscheidet sich der Fußball nicht von anderen Ballspielen. Dennoch ist er ein Sonderfall. Es gibt kein anderes Sportspiel, bei dem der gesamte Körper so umfassend im Einsatz ist und der Ball, trotz des Handspiel-Verbotes, auf so vielfältige Weisen bewegt werden kann. Das Berühren des Balles mit dem Oberschenkel, der Brust und dem Kopf ist für den Fußball ebenso typisch wie der Stoß mit dem Fuß. Sogar der Hintern ist manchmal mit im Spiel. Im August 2005 traf ein Mann namens Mathias Körber (!) mit diesem Körperteil sogar ins Tor. Im Spiel des fränkischen Kreisklassenvereins SV Puschendorf gegen Anadoluspor wurde Körber kurz vor Schuss noch einmal steil geschickt. „Als er die Aussichtslosigkeit seines Spurts erkannte“, so der Berichterstatter Michael Loos, „stoppte der Puschendorfer seinen Lauf und wendete sich vom Geschehen ab. Der Schlussmann der Gäste befand sich dagegen noch in höchster Alarmbereitschaft und setzte zu einem fulminanten Befreiungsschlag an. Dieser landete weder beim eigenen Mann noch im Seitenaus, sondern genau auf Körbers Hinterteil, von wo aus das Leder am verdutzten Torhüter vorbei etwa zehn Meter weit geradeaus ins Netz kullerte.“ Dieses seltene Tor zum 4:1-Endstand für Puschendorf kommentierte ein Zuschauer fachmännisch mit den Worten: „Den Mathias sei Arsch hat a Tor g’schossen.“
Seit diesem Ereignis sollte man korrekterweise nicht mehr von einem Fußball-, sondern von einem „Ganzkörberspiel“ sprechen. Der Hintern ist, das soll zugegeben werden, nur in Ausnahmefällen und dann meist nur beim Sperren des Balls beteiligt. Aber kommen wir zu den regelmäßig eingesetzten Körperteilen. Der Einsatz von Brust und Oberschenkel ist vor allem bei der Annahme hoher Bälle erforderlich. Durch Zurücklehnen des Oberkörpers wird der Ball „aufgefangen“ und dann auf den Fuß hinuntergelassen, durch Vorbeugen wird er auf den Boden gedrückt und in den Lauf mitgenommen. Dieselben Möglichkeiten bietet das Annehmen des Balles mit dem Oberschenkel. Von Brust oder Oberschenkel abgelegt, kann der gute Techniker den Ball seinen Füßen so servieren, wie er es für die folgende Spielaktion gerne haben will: So, dass er spielbereit zu Boden fällt, oder so, dass er – als „abgetropfter“ Ball – aus der Luft volley genommen werden kann.
Der Kopf kommt weniger bei der Ballannahme als bei der Abwehr hoher Bälle oder als Stoß aufs Tor zum Einsatz. Zum Kopfstoß muss der Spieler im richtigen Augenblick ansetzen, um den Ball frontal oder aus der Drehung mit der Stirn voll zu treffen. Ein außerordentliches „Timing“ erfordern Kopfstöße aus dem Sprung, insbesondere dann, wenn der Spieler dem Ball knapp über der Grasnarbe entgegenhechtet. Das Spiel ist also nicht nur durch „Bomber“ mit hartem Spannschuss gekennzeichnet oder durch mit dem Fuß wunderschön gedrechselte Bälle, sondern auch durch „Kopfball-Ungeheuer“ wie Horst Hrubesch, die mit ihrer Stirn den Gegner in Furcht und Schrecken versetzen. Entzückte den Fußball-Feinschmecker früher das „Sich-in-die Luft-Schrauben“ eines Karl-Heinz Riedle, so schnalzt er heute mit der Zunge, wenn der aus dem Mittelfeld sich heranpirschende Michael Ballack zum präzisen Kopfstoß ansetzt.
Zur Artistik wird das Fußballspiel, wenn alle diese Techniken kombiniert werden. Fußball-Rastellis sind in der Lage, den Ball gleich Jongleuren, denen man die Arme gefesselt hat, wie an unsichtbaren Schnüren gezogen stundenlang über ihren Körper wandern zu lassen, ohne dass er zwischendurch auch nur ein einziges Mal den Boden berührt. Stehend, laufend, sitzend und liegend versetzen sie ihm mit den Füßen, den Oberschenkeln, der Brust, den Schultern, dem Kopf, dem Nacken und sogar dem verlängerten Rücken so genaue Stöße, dass sie ihn immer wieder mit einem anderen Körperteil annehmen und in der Luft halten können.
Besonders erstaunlich war der Engländer George Best, der mit gleicher Geschicklichkeit wie mit dem Ball auch „mit den Frauen und den Millionen“ jongliert haben soll, fußballerisch bedeutsamer war jedoch das überragende Talent des Argentiniers Diego Maradona, der seine Ballzaubereien jederzeit sinnvoll in das Spiel seiner Mannschaft einzubauen wusste. Ihm gleichzustellen ist wohl nur der Brasilianer Pelé, der einmal – im Endspiel der WM 1958 gegen Schweden – folgendes Kunststück vollbrachte: Mit dem Rücken zum Tor stehend stoppte er einen hoch einfliegenden Ball mit dem Oberschenkel derart sanft, dass er dort einen kurzen Moment lang wie tot liegen blieb; dann ließ er ihn wie einen Wassertropfen über das Schienbein zum Fuß hinuntergleiten, lupfte ihn sich selbst und einem heranstürmenden Gegner über den Kopf, drehte sich im selben Augenblick um und schoss, noch ehe der Ball den Boden wieder berührt hatte – ins Tor!
Solche Aktionen wären unmöglich, wenn es beim Fußball darauf ankäme, den Körper statt den Ball zu „spielen“. Während das Spielprinzip beim American- und beim Rugby-Football auf dem „körperlichen Kontakt“ beruht, ist der Fußball insofern ein „körperloses“ Spiel, als die Berührung des Balles und nicht die des Gegners im Vordergrund steht. Da es verboten ist, den Körper des Gegners ohne Ball direkt anzugehen, muss er versuchen, den Gegner mit dem Ball auszuspielen. Weil er gleichsam nur „im Dienste des Balles“ eingesetzt werden darf, steht der Körper nicht im Mittelpunkt der Aktionen. Im Angriff geht es nicht darum, durch Wegdrücken des Gegners eine Bresche in die Abwehr zu schlagen, vielmehr muss der Ball durch körperliche Geschicklichkeit und ebenso geschickte Körpertäuschungen am Gegner vorbeilanciert werden. Der Fußball ist also schon vom Ansatz her gewaltloser als die mit ihm verwandten Football-Spiele. Und je mehr „körperlose“ Technik ein Fußballspieler in Anwendung bringen kann, desto weniger ist er auf Körperkraft und Gewalt angewiesen, um sich durchsetzen zu können.
Genau an diesem Punkt setzt die Kunst des Dribblings an. Der Begriff Dribbling bezeichnet das kontrollierte Führen des Balles am Fuß. Ein erfolgreiches Vorbeidribbeln am Gegner gelingt aber nur dann, wenn die sichere Führung des Balles kombiniert wird mit einer gleichzeitigen Körpertäuschung. Zuerst muss der Gegner in eine Bewegung hineingerissen werden, die ins Leere läuft, dann kann der Ball so gespielt werden, dass er keine Chance mehr hat, ihn zu erreichen. Der berühmte Matthews-Trick besteht nur aus der banalen, aber wirkungsvollen Finte „links antäuschen, rechts gehen“: Während der Abwehrspieler noch auf die Ausfallbewegung nach links reagierte, war Matthews schon vorbeigezogen. Über Matthews hieß es, dass er „wendig wie ein Affe“ gewesen sei, seinem brasilianischen Pendant Garrincha wurde „katzenhafte Geschmeidigkeit“ bescheinigt.
Andere Brasilianer haben die Techniken, mit denen der Gegner in die falsche Richtung gelockt und damit düpiert werden kann, heute noch perfektioniert. Beim „Ronaldo-Samba“