Geheimnis Fussball. Christoph Bausenwein

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und durch demokratisch. Nicht einmal die Schuhgröße hat eine Bedeutung für das balltechnische Vermögen eines Spielers: Jan Koller stoppt den Ball gekonnt mit grotesken Riesenschlappen (Schuhgröße 50), Günter Netzer kam auf großem Fuß (Größe 46 2/3) aus der Tiefe des Raumes, Pelé (Größe 38) und Lothar Matthäus (Größe 40) brachten es in Knaben-Schühchen zu fußballerischem Ruhm. Ein Fußballspieler muss in erster Linie eine feine Koordination seiner Bewegungen und eine Menge Ballgefühl mitbringen. Bestimmte körperliche Eigenheiten können dabei eine Hilfestellung sein, sind aber keine Voraussetzung für fußballerischen Erfolg. Pelés Vater soll nach der Geburt seines Sohnes gesagt haben: „Ja, das wird einen guten Fußballer abgeben. Die Beine dafür hat er.“ Möglicherweise hat er an den Beinen des kleinen Pelé tatsächlich irgendetwas Besonderes entdeckt. Garrincha etwa, der beim Dribbling manchem Gegenspieler ein X für ein O vormachte, profitierte auf dem Fußballplatz von seinen körperlichen Besonderheiten: Sein längeres rechtes Bein war nach innen gebogen, das kürzere linke nach außen.

      Die meisten Fußballexperten sind sich auch darüber einig, dass kleine Spieler mit außergewöhnlich tiefliegendem Körperschwerpunkt besonders wendig sind. Eben jener Garrincha sowie der wohl treffsicherste Torschütze aller Zeiten, Gerd Müller, waren mit diesem Merkmal ausgezeichnet. Statistisch belegt ist ebenso, dass linksfüßige Spieler – vermutlich aufgrund taktischer und motorischer Vorteile in einem normalerweise „rechtslastigen“ Spiel – bessere Schützen sind als rechts-füßige. Alle weiteren Mutmaßungen jedoch, die über die Bedeutung des Sonderwuchses bei großen Fußballspielern angestellt wurden, müssen wohl ins Reich der Fabel verwiesen werden: so etwa die sportjournalistische These, dass sich die Akkuratesse der Beckenbauer’schen Ballbehandlung unmittelbar aus der Länge und der Konstellation seiner „an Finger erinnernden Zehen“ herleiten ließe, oder die Vorstellung, dass die Genialität der Pässe Netzers auf dessen großem Fuß beruhe, weil erst der es ihm ermöglicht habe, dem durch einen Spannstoß bereits auf die Reise geschickten Ball kurz vor dem Abheben mit der großen Zehe noch den entscheidenden „Schlenker“ mitzugeben.

      Der Fußballspieler benötigt also kaum körperliche Voraussetzungen, dafür umso mehr körperliche Begabung, die in ihrer höchsten Form zirkusreifer Artistik in nichts nachsteht. Es ist beim Fußball daher möglich, fast körperlos und allein zur Freude und zur Erholung zu spielen. Beim Football und beim Rugby, die von der Spielidee her junge, starke und furchtlose Spezialisten erfordern, die bereit und fähig sind zu hartem und gefährlichem körperlichem Einsatz, wäre das undenkbar. Der Fußball hingegen ist ein relativ ungefährliches Spiel mit vielen „körperlosen“ Momenten des virtuosen Jonglierens. Zugleich ist er aber nicht derart harmlos, dass jede Möglichkeit, „körperbetont“ zu spielen, herausgenommen wäre. Die Spieler treffen immer wieder mit ihren Körpern aufeinander, und die Grenzen zwischen Foulspiel und regulärem Körpereinsatz (Schieben mit angelegtem Arm, Sperren des Balles) sind nicht immer klar gezogen.

      Der Fußball bietet daher beides: ästhetischen Genuss genauso wie packende Momente des harten Zweikampfs. Weil immer unmittelbar um den Ball gekämpft wird und die Mannschaften nicht durch ein Netz getrennt sind, bleibt er trotz aller möglichen Artistik immer ein Kampfspiel. Genau das, den Kampfcharakter, könne und dürfe man dem „englischen Spiel“ nicht nehmen, wenn es die Menschen auch in Zukunft begeistern solle, meinte der Fußball-Historiker William Pickford schon im Jahr 1906: „Wenn man den Geist der Angelsachsen vom Nationalcharakter abziehen und durch die Milde und Geduld der Hindus ersetzen würde, wäre es wohl möglich, Fußball auf rein wissenschaftliche Weise zu spielen, mit keinem größeren Risiko als dem, das Spielen wie Tennis und Golf innewohnt. Wenn dieser Tag jedoch gekommen ist, werde ich meinen Stift weggelegt und meine Knochen für ihre letzte Reise gebettet haben, denn dann will ich nicht mehr auf der Welt sein.“

      MANNSCHAFTEN

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      Im Fußball spielt nicht nur die Körperbeherrschung eine Rolle. Aus 22 je für sich jonglierenden Künstlern oder elf Pärchen, die je für sich dribbeln und grätschen, käme noch kein Fußballspiel zustande. Im mangelnden Mannschaftsspiel sahen die europäischen Experten die große Schwäche afrikanischer Fußballer. Das gängige Vorurteil lautete: Afrikaner hätten zwar generell „eine außergewöhnliche motorische Begabung und sehr viel Spielfreude“, zugleich aber fehle ihnen „oft das Spielverständnis“. Ähnlich lauteten einst die Urteile über die Brasilianer. Als sie dann seit 1958 WM-Titel in Serie holten, meinte ein Kommentator: „Von dem Tage an, an dem die Brasilianer das Mannschaftsspiel lernten, waren sie nicht mehr aufzuhalten.“

      Fußball ist ein Mannschaftssport, und das heißt, dass je elf Spieler in gleichsam organischem Zusammenspiel eine schlagkräftige Einheit bilden müssen. Diesem „Mannschaftskörper“ hat Joachim Seyppel metaphorischen Ausdruck verliehen, als er einem Protagonisten seines Romans „Wer kennt noch Heiner Stuhlfauth“ die Aufstellung eines Fußballteams anhand der männlichen Anatomie erläutern ließ: „Das hier ist mein Rechtsaußen, sozusagen mein rechtes Bein, mein linkes Bein ist der Linksaußen, meine beiden Gehirnhälften stehen halbrechts und halblinks, meine beiden Lungen spielen Außenläufer, die beiden Verteidiger als Nieren scheiden gewissermaßen das für uns Gefährliche aus, der Torwächter ist unser Magen und Darm und muss leichte und schwere Brocken verdauen, das Herz fungiert als Mittelläufer, und vorn steht mein Mittelstürmer, der muss die Tore schießen, unser fruchtbarster Stoßkeil, sozusagen das Geschlecht … und die Mannschaft als Ganze ist, wenn ich mich so ausdrücken darf, die Haut, die alles zusammenhält …“

      Wie jedes einzelne menschliche Organ nur im „Zusammenspiel“ mit allen anderen seine Funktion erhält, so macht auch jeder einzelne Fußballspieler nur innerhalb des Gesamtgefüges einer Mannschaft „Sinn“. Die Spielweise eines Teams lässt sich erst verstehen, wenn man die Interaktion der Spieler beachtet. Für ein Tor ist nie nur der Schütze allein entscheidend, denn es ist immer Resultat einer langen Reihe von Kombinationen. Wer nur Ausschnitte eines Spieles sieht, kann den konsequenten Zusammenhang und die Folgerichtigkeit des Geschehens nicht verstehen. Die Beobachtung eines einzelnen Spielers ist vollkommen sinnlos, da seine Aktionen, seien sie auch noch so artistisch, für sich genommen nichts bedeuten. Der mit Sepp Herberger befreundete Schauspieler Bernhard Minetti erkannte in diesem Zusammenhang unmittelbare Ähnlichkeiten zwischen einem Theaterensemble und einer funktionierenden Fußballmannschaft. Herberger, so Minetti, „war ja ein so guter Trainer, weil er die Menschen sehen, erkennen und ihren Beweggründen und Veranlagungen gemäß behandeln konnte“. Und ähnlich habe er, wenn er einmal im Theater zu Besuch gewesen sei, den Schauspieler „im Verhältnis zum Zusammenspiel“ beurteilen können. „Das war immer wieder erregend und überwältigend für mich. Unser beider gemeinsames Wissen: Ensemblespiel im Theater analog dem Mannschaftsspiel Fußball.“

      Selbst der schönste Stürmertrick bleibt bloße Spielerei, solange er nicht dem Spiel der ganzen Mannschaft dient, und auch die permanente Balleroberung eines Verteidigers führt zu nichts, wenn er die mit dem Ballbesitz verbundene Spieloption nicht konstruktiv zu nutzen vermag. Deswegen gilt heute immer noch die Ermahnung Sepp Herbergers: Der Zweikampf – sei es in der Offensive oder in der Defensive – darf nicht zum Selbstzweck werden, sondern man hat in ihm einen nur „durch die Umstände aufgezwungenen Aufenthalt auf dem Wege zum Tor“ zu sehen.

      Erst durch eine sinnvolle Kombination von Handlungssequenzen wird aus dem zusammenhanglosen Einzelspiel ein Miteinander, das eine Gesamtleistung erzeugt.

      Von größter Bedeutung ist dabei die Ausgewogenheit des Spiels. Das beste Angriffsspiel nützt nichts, wenn dadurch die Abwehr so entblößt wird, dass sie in einem schnellen Gegenstoß locker ausgespielt werden kann; massiert sich dagegen eine Mannschaft zu sehr in der Verteidigung, läuft sie Gefahr, irgendwann dem Druck des Gegners nicht mehr standhalten zu können; konzentriert sich das Spiel zu sehr im Mittelfeld, dann wird es oft so statisch, dass man gar nicht mehr vors Tor gelangt. Ein im Ganzen harmonisches Mannschaftsspiel ergibt sich also erst dann, wenn die Kombinationen zwischen Verteidigung, Mittelfeld

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