Das Science Fiction Jahr 2020. Группа авторов

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Das Science Fiction Jahr 2020 - Группа авторов

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Den meisten Menschen erscheinen solche Geschlechtstransformationen als etwas Bemerkenswertes, wenn nicht gar Magisches. Für Transmenschen hingegen handelt es sich um einen Teil ihres täglichen Lebens. Uns ist nicht entgangen, dass die meisten Geschichten über uns aus dem Blickwinkel von Menschen verfasst sind, die von unserer scheinbaren Verwandlung fasziniert sind. Hält die Speculative Fiction dieser Tage, wo Transmenschen in den Medien mehr wahrgenommen werden und das TIME MAGAZINE einen »Wendepunkt« in Sachen Transgender verkündet, mit der gesellschaftlichen Entwicklung mit, und wenn ja, wie hat sie sich in jüngster Zeit in dieser Beziehung verändert?

      Im Mai 2014 bildete das TIME MAGAZINE Laverne Cox auf der Titelseite ab und verkündete einen Wendepunkt für Transgender. Seither haben die Mainstream-Medien eine Besessenheit von Transmenschen entwickelt, zum Guten wie zum Schlechten, aber wie geht die Speculative Fiction damit um? Haben wir ein Trans-Problem?

      Ein besonderes Problem ist die Besessenheit von dem Umwandlungsprozess. Es ist ja verständlich, dass Cismenschen fasziniert von der Tatsache sind, dass das Geschlecht einer Person sich ändern kann, aber die Folge davon ist, dass Transmenschen nur aufgrund ihrer Transition als interessant betrachtet werden und nicht um ihrer selbst willen. Dadurch werden sie zum Objekt gemacht. Insbesondere ist das bei Büchern aus dem Young-Adult-Bereich der Fall, wahrscheinlich, weil die Verleger das Bedürfnis haben, Themen anzusprechen, mit denen sich junge Menschen ihrer Meinung nach konfrontiert sehen, und zwar auf lehrreiche und informative Weise. Wenn es ihnen allerdings tatsächlich darum geht, haben sie wohl ein sonderbares (und möglicherweise voyeuristisches) Lesepublikum im Sinn.

      Ein weiteres Problem besteht darin, dass Cismenschen, die über Transfiguren schreiben, oft nur wenig darüber wissen, warum jemand eine Transition vollzieht. In der SF, beispielsweise in Iain Banks’ CULTURE-Reihe (vor allem in Exzession von 1996) oder in Alastair Reynolds Chasm City (2001) wird die Geschlechtsumwandlung in erster Linie als eine Entscheidung für Personen mit außerordentlich langer Lebensdauer dargestellt und weniger als etwas, das Menschen tun müssen, um ein ehrliches und authentisches Leben führen zu können. Dadurch wird das Trans-Sein als eine »Wahl« dargestellt, was unausweichlich suggeriert, dass man sich auch anders entscheiden könnte oder dass eine solche Wahl per Gesetz verboten werden könnte.

      Alternativ dazu kann die Umwandlung auch als Weg zu gesellschaftlichen Privilegien oder zur Macht dargestellt werden. In Lois McMaster Bujolds Botschafter des Imperiums (A Civil Campaign, 1999) ist das ziemlich explizit so. Hier vollzieht eine Frau die Umwandlung zum Mann, um in einer patrilinearen Gesellschaft einen Titel zu erben. Weniger offensichtlich verhält es sich in Lila Bowens Wake of Vultures (2016), in dem eine Figur als Trans beschrieben wird, weil sie Crossdressing praktiziert, um einen Job als Cowboy zu bekommen, dabei aber nie eine besonders große Neigung zu Maskulinität zeigt. Solche Geschichten nähren den Mythos, dass Transmänner einfach nur versuchen, auf der gesellschaftlichen Stufenleiter aufzusteigen und sich männliche Privilegien zu verschaffen, und legen nahe, dass die Behauptung, trans zu sein, nur Deckmantel für ein anderes, zwielichtigeres Unterfangen ist.

      Wie dem auch sei, die Speculative Fiction befindet sich auf einer Reise. Die Inklusion und Repräsentation von Transfiguren hat sich mit der Zeit verbessert. Bevor wir einige bessere Beispiele betrachten, sollten wir allerdings umreißen, was wir mit der Bezeichnung »trans« in Bezug auf eine Figur meinen.

      Für viele Menschen entspricht die Vorstellung von einer Transperson nach wie vor dem, was als »klassisch transsexuell« bekannt ist: Eine Person, die mit einem Körper geboren wird, der voll einem der beiden Pole des Geschlechterspektrums entspricht, die das intensive Verlangen verspürt, als eine Person des anderen Geschlechtsextrems zu leben, und medizinische Hilfe in Anspruch nimmt, um ihren Körper zu diesem Zweck zu verändern. Solche Menschen gibt es zwar (und ich bin ein ziemlich typisches Beispiel), aber ein modernes Verständnis von Transmenschen umfasst eine weitaus breitere Klassifikation von Identitäten.

      Zuerst einmal sollten wir feststellen, dass die Vorstellung, dass die menschliche Spezies (oder irgendeine andere Tierart) nur in Form von einem von zwei möglichen Geschlechtern existiert, biologisch betrachtet Unsinn ist. Viele Menschen werden mit biologischen Eigenschaften geboren, die im Zwei-Geschlechter-Modell eine Mischung von männlich und weiblich darstellen. Es gibt Tierarten, bei denen das häufiger vorkommt; bei denen es mehr als zwei Geschlechter gibt; und bei denen der Übergang zwischen Geschlechtern zum natürlichen Lebenszyklus des Tieres gehört. Menschen, die in solcher Weise intersexuell sind, können sich als Trans identifizieren oder auch nicht, letzteres auch, weil sie vielleicht sehr zufrieden mit dem Geschlecht sind, das man ihnen bei der Geburt zugewiesen hat, und keinerlei Wunsch verspüren, etwas an ihm zu verändern.

      Darüber hinaus haben wir inzwischen anerkannt, dass eine komplette medizinische Umwandlung für viele Transmenschen ungeeignet ist (und für viele weitere unerschwinglich). Eine große Zahl von Menschen identifiziert sich in der einen oder anderen Weise als »nicht-binär«, was bedeutet, dass keines der beiden Geschlechtsextreme ihnen entspricht. Solche Menschen entscheiden sich vielleicht für eine medizinische Teilumwandlung, oder für gar keine solche Behandlung. Zu den Nicht-Binären können Menschen gehören, die sich selbst als Angehörige eines dritten Geschlechts betrachten, die zwischen den Geschlechtsextremen hin und her wechseln oder die die Vorstellung von Geschlecht vollkommen ablehnen.

      Bei Weitem die Mehrheit der Darstellungen von Transmenschen in der Speculative Fiction entspricht auf die eine oder andere Art dem westlichen Modell, in erster Linie weil die westliche Kultur das Feld beherrscht, oft selbst dann, wenn Autor*innen eine andere kulturelle Geschichte mitbringen. Durch aufmerksames Suchen lassen sich allerdings durchaus auch andere Beispiele finden.

      Die Reise, auf der sich die Speculative Fiction befindet, lässt sich vielleicht durch Ian McDonald veranschaulichen. 1996 veröffentlichte er sein Narrenopfer (Sacrifice of Fools), einen Roman, der durch die Analogie zu jemandem, der ein Alien werden möchte, impliziert, dass Transmenschen bemitleidenswerte Narren sind, die nie wirklich zum Objekt ihrer Besessenheit werden können. Das war nicht unbedingt einer von McDonalds großen Momenten, obwohl das Buch eine Menge Gutes über die unglückliche Lage in Nordirland zu sagen hatte. Wegen seiner Auseinandersetzung mit dem Thema Geschlecht wurde das Buch für den Tiptree Award nominiert, was zeigt, wie wenig manche Tiptree-Jurys von Transangelegenheiten verstehen.

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