Das Science Fiction Jahr 2020. Группа авторов

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Das Science Fiction Jahr 2020 - Группа авторов

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und Veränderung beginnen oft in der Kunst, und sehr oft in unserer Kunst – der Kunst der Wörter.« Wenn es um Veränderung der gesellschaftlichen Binärität und Hierarchie von Geschlecht geht, müssen wir auch die Erfahrungen nichtbinärer Schriftsteller*innen in den Mittelpunkt rücken.

      Zu guter Letzt …

      »Ich liebe nichtbinäre Monster. Ich liebe nichtbinäre Aliens und nichtbinäre Roboter. Ich liebe Space Operas und Paranormal Romance und alles ›Unmenschliche‹, das mir über den Weg läuft. Aber es gibt auch Tage, in denen mich – erschöpft vom Kursberechnen in einer Welt, die mir keinen Platz lässt, die mich nicht als das akzeptiert, was ich bin – meine Fiktion daran erinnern muss, dass ich menschlich bin«, schreibt Christine Prevas über nichtbinäre Repräsentation auf der Website Electric Literature. Und vielleicht eröffnen Fantasy und Science Fiction auch außerhalb des Genres Orte, an denen genderfluide und nichtbinäre Charaktere Raum haben, und sind Wegbereiter für Vielfalt und, ja, nennen wir es beim Namen: mehr gesamtgesellschaftliche Gerechtigkeit.

      Silke Brandt

      Vampirella in Herland

      Das Dilemma um Identität, Sex & Repräsentation

      Die Kritik an Frauenfiguren in Kunst, Film und Literatur hatte auch Folgen für feministische SF: Explizite Sexualität wurde außerhalb von parabelhaften Unterdrückungsszenarien zum Tabu, da sich die Autorinnen selbst der Objektivierung und Kommerzialisierung schuldig machen könnten. Es galt, der Anatomie selbst eine Stimme zu geben, ein weibliches Schreiben jenseits der Fremdbestimmung zu praktizieren. Die Philosophin Hélène Cixous verlangte bereits 1976: »Schreibe! Schreiben gehört dir, du selbst gehörst dir; dein Körper ist deiner, nimm ihn. Ich schreibe Frau: Frau muss Frau schreiben. Und Mann Mann. So wird er hier nur eine Randbemerkung bleiben; es obliegt ihm zu sagen, wo er seine Maskulinität und wo seine Femininität verortet.«[1] Ein Ausweg aus dem Dilemma wurde nötig: Wie kann eine Autorin Protagonistinnen entwerfen, ohne sich zu verleugnen, sexistische Ausbeutung zu replizieren? Lösungsversuche schufen die Grundlage für aktuelle Diversity-Politik. Anstatt das biologische Geschlecht als Marker für soziales Verhalten zu definieren, ging es um sexuelle Identität und Sozialisation: Mütter waren heterosexuelle, in patriarchalen Mustern gefangene Frauen; Amazonen lesbische Separatistinnen, die außerhalb von Normierung und Fremdbestimmung lebten. Selbst wenn sie oft nur eine Verkehrung der Tradition erreichten (kurze Haare, Hosen, kein Make-up), stand zumindest Sexualität im Fokus – wobei bisexuelle Frauen als Verräterinnen galten, die sich wie Penthesilea ins Lager des Feindes schlichen.

      Feministische Utopien und Amazonen-Fantasy lassen sich der Alternative History/Parallel Universe zuordnen: Möglicherweise sind viele Werke in die spekulative Zukunft projizierte, nostalgische Rekonstruktionen einer heroischen Vergangenheit, die Frauen weitgehend versagt blieb. Seltener sind feministische Dystopien, die nicht – wie The Handmaid’s Tale – gleichzeitig Moralparabeln darstellen: Angela Carters postapokalyptisches Abenteuer Heroes and Villains (1969) bietet eine ambivalente Erzählerin, die aus dem Elfenbeinturm ihres Vaters zu anachronistischen Barbaren flieht, dort als damsel in distress eine von sexueller Abhängigkeit und Gewalt geprägte Beziehung mit dem Anführer Jewel eingeht, bis sie sich emanzipiert und seine Position einnimmt. Wie so oft bricht Carter ironisch mit jeglichen Rollenbildern; ebenso wie Tanith Lee in ihrer BLOOD OPERA-Trilogie (1992–94): Die junge Rachaela wird nach ihrer Aufnahme in eine Vampirfamilie von dem mythisch-allmächtigen Adamus verführt. Typisch für Lees Protagonistinnen entzieht sie sich der Zuordnung: devot, sexuell hörig und antriebslos, dann aber fähig, ihren Weg zu gehen, Autorität herauszufordern. Kathy Acker befreit diese Entwürfe von märchenhafter Romantik wie pazifistisch-feministischer Moral: In Empire of the Senseless (1988) schließt sich die Erzählerin anarchistischen Terroristen an, die ein postapokalyptisches Paris befreien – in dem Fiebertraum aus Gewalt, de Sade’scher Grausamkeit und gegenseitiger sexueller Ausbeutung folgt die Antiheldin nur ihrem unbedingten Freiheitsdrang. Ein kompromissloses Punk-Epos, das Neil Marshalls Doomsday – Tag der Rache (2008) vorwegnimmt.

      Ursprünge feministischer Identitätskonzepte und ihre Alternativen

      Die sozialpolitische Stimme der Frauen wurde bald eine geschlechtspolitische: Nicht nur Gleichberechtigung, sondern Kulturproduktion aus Sicht des Anderen – hier Weiblichen – war gefordert. Plötzlich erschien alles vergiftet vom chauvinistisch-dominanten Männerblick; die Gegenreaktion glich einem Bildersturm. Feministische Gesellschaftsutopien wurden als unzureichend angesehen, es galt, mit Ausnahme der Antagonisten, Männer ganz aus Texten zu schreiben.

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