Das Science Fiction Jahr 2020. Группа авторов

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Das Science Fiction Jahr 2020 - Группа авторов

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Psychologie und Linguistik: Jacques Derrida, Michel Foucault, Jacques Lacan, Hélène Cixous und Luce Irigaray.

      Abgesehen von Moralparabeln und Parallel Universe war SF nicht das Genre, in dem sich separatistischer Feminismus ausdrückte – zu nahe liegt es bei Dunkler Phantastik und Horror, die als gewaltträchtige männliche Kultur galten. Diese Zurückhaltung ist umso verwunderlicher, als sich SF per definitionem mit der Zukunft beschäftigt. Durch Analyse und Aufarbeitung der Vergangenheit blieb der Radikalfeminismus jedoch in einem ähnlichen Konflikt gefangen, wie ihn Michael K. Iwoleit beschreibt: »In der konventionellen Science Fiction ist der Irrtum verbreitet, man könne die Dinge von morgen in der Sprache von gestern schildern. Es herrscht eine bemerkenswerte Naivität, was die Beziehung zwischen der Beschaffenheit einer Sprache und den Eigenschaften der Umwelt angeht, in der sie gesprochen wird.«[5] Zwei Filmemacherinnen gelang es, diese Sprache des Morgen in Diversity-SF umzusetzen: der Multimediakünstlerin und Filmwissenschaftlerin Shu Lea Cheang und der physikbegeisterten Professorin der Filmwissenschaft, Hilary Brougher. Beide entwickeln individuelle Bildsprache, Symbolik, Figuren und Plots, in denen politische Sujets wie Rassismus, Globalisierung und Ausbeutung jenseits von Täter-Opfer-Schemata erzählt werden. Cheangs Fresh Kill (1994) ist ein Thriller um ein ethnisch diverses Lesbenpaar, das auf der Suche nach seiner entführten Tochter eine globale Wirtschaftsmafia aufdeckt. Der Film hat eine assoziative Bildersprache und verweigert sich traditionellen Erzählstrukturen. I.K.U. (2000) handelt von Sex-Robotern, die Daten über menschliche Lust sammeln; während in FluidØ (2017) Körperflüssigkeiten eine extrem potente Droge sind: So wird ein Labor Schauplatz von Orgien, die Grenzen von Geschlecht, Ethnizität und sexueller Präferenz auflösen. In Broughers an klassischen Hardboiled angelehnten The Sticky Fingers of Time (1996) bekommt eine Autorin Besuch von einer Außerirdischen und muss in die Zukunft reisen, um einem Mordanschlag zu entgehen. Das Alien ist eine elegante schwarze Frau mit einem katzenartigen Schwanz und undurchschaubaren Motiven. Getreu den 50er-Jahren, ihrer eigentlichen Gegenwart, ist ihr Flirt zurückhaltend, aber postmodern selbstverständlich. Auch wenn Sexualität und Körperlichkeit in diesen Filmen eine zentrale Rolle spielen, sind sie eher thematisch angelegt als erotisierend.

      Im Lager des Feindes?

      Die feministische SF entwarf neue Konzepte von Geschlechtsidentität und Körperlichkeit. Die Polarisierung Frau versus Mann führte jedoch dazu, dass andere Alternativen zu traditionellen Rollenzuweisungen ignoriert wurden: SF-/Fantasy-Charaktere, wie sie Ende der 70er-Jahre in Filmen und Graphic Novels erdacht wurden. Initiatoren waren die Macher des MÉTAL HURLANT (1975–2006), dessen Ableger HEAVY METAL seit 1977 existiert: Moebius a. k. a. Jean Giraud, Philippe Druillet und Alejandro Jodorowsky oder die Künstler US-amerikanischer Comics wie VAMPIRELLA, RED SONJA, EERIE und CREEPY: u. a. Frank Frazetta, José González und Esteban Maroto. Identische Konzepte existieren ungebrochen bis heute und werden sowohl im künstlerischen Bereich (z. B. Jon J. Muth, Bastien Lecouffe-Deharme) als auch im Mainstream (z. B. WITCHBLADE, LADY DEATH, X-MEN, ELEKTRA, VAMPIRELLA und RED SONJA) realisiert. Diese Entwürfe befreiten Frauen jeglicher sexueller Identitäten von traditionellen Zuschreibungen. Ihre Protagonistinnen sind dominant, kämpferisch und individualistisch, ohne Empathie oder Gerechtigkeitssinn einzubüßen – und sie bieten etwas, das nahezu jegliche radikalfeministische Konzeption vermissen ließ: eine offen gelebte, nicht-normierte Sexualität. Feministinnen lehnten diese Werke ab, da jegliche Darstellung von Sexualität die Frau zum Objekt und damit zum Gewaltopfer mache. In den 80ern entstand somit eine rigide, körperfeindliche Sexualnorm, die – obwohl nun unpopulärer – bis heute Auswirkungen auf Frauen- und Männerdarstellungen hat, auch in der SF.

      Die Weiblichkeitsentwürfe in Comics und postmodernem Surrealismus sind komplex und – im feministischen Sinne – revolutionär: Nacktheit und Erotik widersprechen keinesfalls Unabhängigkeit, Stärke oder Individualität. Vampirella ist eine Außerirdische, Detektivin und Vampir, die sich aus ethischen Gründen von Blutersatz ernährt; ihre Freundschaft zu Pantha (aus der gleichnamigen Serie) deutet Bisexualität an. Vampirella geht Allianzen mit Menschen ein, verweigert sich aber terrestrischen Konventionen. Eine ähnliche Protagonistin kämpft in Marotos Prison Ship (1994; 1982 als Diana Jacklighter, Manhuntress!) gegen Despoten und tentakelbewehrte Monster; ihr Raumanzug ist so eng, dass sie unbekleidet wirkt. Frazetta malte nackte Kriegerinnen in bislang Männern vorbehaltenen heroischen Posen, so ist auf einem Vampirella-Cover ein Urzeitpaar zu sehen, das von einem Dinosaurier angegriffen wird – die Frau hält ein Messer bereit und stellt sich vor ihren Partner, ihre Hand an seiner Brust verweist ihn in die Rolle des Beschützten. Barbarella (1968) präsentiert eine ambivalente Protagonistin: mal damsel in distress, mal sexuelle Aggressorin, sprengt sie eine todbringende Orgasmusmaschine mit der Intensität ihrer Lust. Eine weitere Filmheldin, Taarna (aus der gleichnamigen Episode in HEAVY METAL, 1981), deren minimalistisches Outfit an Vampirella gemahnt, ist wie Araquins Chandryi eine gebrochene Kämpferin, die unmöglich Erscheinendes bewältigen muss. Dabei liegen dem rape revenge-Plot altruistische Motive zugrunde: Durch den Sieg gegen einen Despoten und ihre Selbstopferung in der episodenumspannenden, mystischen Grünen Kugel initiiert Taarna eine Weltordnung der Freiheit und Selbstbestimmung. Ähnliche Figuren finden sich aktuell z. B. in Luis Royos SF-/Dark-Fantasy-Szenarien oder Sébastien Greniers Arawn, einem altwalisischen Epos in Form postmoderner Fantasy, das Frazettas Kriegerinnen auferstehen lässt. Die Comic- und Filmreihe X-MEN (bes. II und III; 2003, 2006) bietet eine Vielzahl nichtbinärer und speziesüberschreitender Figuren, wie auch Reminiszenzen an die frühen 80er: Die Mutantin Jean Grey trägt einen hautengen Lederanzug, ist selbstbestimmt, sexuell fordernd, moralisch und komplex. Sie wird mit dem klassischen Heldenmotiv der Selbstopferung verbunden und – man denke an die DARK PHOENIX-Saga – mit zweigesichtigen Gottheiten.

      Während Guido Crepax seine pansexuellen, an Louise Brooks angelehnten Protagonistinnen in surrealistische Plots wirft, Raum- und Zeitkonzepte aufhebt und Sexualität weder an Partner noch überhaupt Lebendiges bindet, stellt H. R. Giger seine Frauenfiguren in dystopischen Horrorsettings dar. Sie sind mal in Maschinen oder Architektur eingebundene Opfer, mal sexuell dominante Monster. Auf Baphomet I & II sowie The Spell schwebt eine geisterbleiche Frau mit gespreizten Beinen über dem Haupt des hermaphroditischen Ziegenbocks – feministisch interpretiert wäre die Penetration durch die phallusartige Fackel pornografische Objektivierung. Giger aber war Kenner des Okkulten – und in der Ikonografie steht die Flamme zwischen den Hörnern des Baphomet für Weisheit, absolutes Wissen. Damit ist die Nackte kein Opfer, sondern der intellektuelle Aspekt einer Gottheit. Auch erhalten seine Designs für Alien und Species durch ihr Exoskelett eine gewisse Androgynität, Freud’sche Interpretationen wie Vagina Dentata oder Phallussymbol laufen traditionellen Geschlechterzuschreibungen

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