Das Ende. Mats Strandberg

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Das Ende - Mats Strandberg

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jemand angerempelt, aus Versehen. Es war ein Unfall.«

      »Und danach?«

      »Wie danach?«

      »Was habt ihr nach dem Spiel gemacht?«

      »Wir haben zu Hause bei Ali gesessen und uns unterhalten.«

      Judette betrachtet mich schweigend und ich weiß, dass es ein Trick ist. Sie wartet, bis ich anfange zu reden, und lässt mich dann mein eigenes Grab schaufeln. Und dennoch kann ich nicht anders, als den Spaten in die Hand zu nehmen und zu graben.

      »Ich hab gedacht, ihr seid sowieso schon zu Bett gegangen und es wäre egal, wann …«

      »Unsinn«, unterbricht sie mich. »Du hast keinen Augenblick an uns gedacht.«

      Das stimmt nicht. Ich hatte tatsächlich an sie gedacht. Aber in dem Moment waren sie mir eher egal.

      Allmählich machen sich die Kopfschmerzen bemerkbar und ich spüre ein heiß glühendes Pochen hinterm Stirnbein.

      »Kapierst du überhaupt, wie große Sorgen ich mir gemacht habe?«, fragt Judette. »Glaubst du etwa, ich hab nicht gehört, was in der Stadt los war?«

      »Ich wollte doch nur mit meinen Freunden zusammen sein. Die sind mir auch wichtig.«

      »Simon«, entgegnet Judette seufzend. »Das Ganze ist einfach so destruktiv.«

      »Na und? Was spielt es denn noch für ’ne Rolle? Ist doch sowieso bald alles vorbei.«

      »Ich verstehe ja, dass du es so empfindest, aber hast du denn wenigstens Spaß dabei? Für mich sieht es nicht danach aus.«

      Jetzt spüre ich die Kopfschmerzen direkt hinter den Augen. Ich nippe leicht am Wasser, das Judette mir hingestellt hat. Es hat kaum meinen Magen erreicht, als es auch schon wieder hochzukommen droht.

      »Ich hab jede Menge Spaß«, antworte ich. »Es ist die Zeit meines Lebens

      »Und wie geht es dir morgen früh?«, fragt sie und lässt mich gar nicht erst antworten. »Jetzt sag mir nicht, dass es keine Rolle spielt.«

      Ich schweige.

      »Wir müssen versuchen, das Beste aus der Zeit zu machen, die uns noch bleibt«, sagt Judette.

      Ich schaue in ihre dunklen Augen und betrachte die Haut ihres Gesichts, die im Licht der Deckenlampe glänzt. Ich vermisse sie so schrecklich. Und ich vermisse mein altes Leben. Plötzlich drohen mich all die Gedanken einzuholen, die ich zu verdrängen versucht habe.

      »Ich weiß aber nicht, wie«, entgegne ich leise.

      Sie nickt und beugt sich über den Tisch vor.

      »Keiner von uns weiß das genau. Aber so wirst du es bestimmt nicht herausfinden.«

      Judettes Stimme klingt sanft, so sanft, dass sie all meine Gefühle an die Oberfläche lockt. Aber ich will nicht schon wieder losheulen. Ich bin es so leid, es andauernd zu tun.

      Ich räuspere mich, um den Kloß in meinem Hals hinunterzuschlucken.

      »Wo ist eigentlich Stina?«

      »Sie macht einen Hausbesuch.«

      Ich erkenne am Tonfall, was Judette damit meint. Schon wieder ein Selbstmord. Stina kümmert sich um die Angehörigen derjenigen, die das Warten auf den Kometen nicht mehr aushalten. Manche nehmen es lieber selbst in die Hand und bringen es hinter sich. Am Anfang konnte ich es überhaupt nicht nachvollziehen, weil es mir so widersprüchlich erschien, sich das Leben zu nehmen, um der Angst vorm Sterben zu entgehen. Doch inzwischen glaube ich, es nur allzu gut zu verstehen. Allerdings nur manchmal, und ich kann mir nicht vorstellen, mir selbst etwas anzutun.

      Dessen bin ich mir ziemlich sicher.

      »Und wann ist sie losgefahren?«

      »Gegen halb elf. Ich habe ihr nicht gesagt, dass du noch nicht zu Hause warst, falls du das wissen willst.«

      »Danke.«

      »Aber ehrlich gesagt eher ihr zuliebe, nicht deinetwegen. Ich wollte nicht, dass sie sich Sorgen macht. Aber morgen werde ich es ihr sagen.«

      »Na super.«

      Judettes Augen verengen sich zu schmalen Schlitzen.

      »Aber ich werde mich bessern«, sage ich rasch. »Versprochen.«

      Judette entgegnet nichts, sodass meine Worte in der Luft hängen bleiben und wie leere Worthülsen klingen.

      »Ich springe kurz unter die Dusche, bevor ich zur Arbeit fahre«, sagt Judette und reibt sich die müden Augen.

      »Warum duschst du eigentlich vorher?«

      Judette hat den Beruf der Floristin freiwillig gegen den einer Müllfrau ausgetauscht. Der Komet hat sie sozusagen auf die entgegengesetzte Seite der Duftskala katapultiert.

      »Um irgendwie wach zu werden«, antwortet sie. »Mein Gott, lass es bitte bald Montag sein, damit wir endlich eine neue Ration Kaffee bekommen.«

      Sie streckt ihren Rücken durch und steht vom Stuhl auf. Bumbum hebt erwartungsvoll den Kopf, doch sie tätschelt ihm nur zerstreut das Fell und verlässt dann die Küche.

      »Stell dir den Wecker«, ruft sie. »Du musst früh mit ihm Gassi gehen.«

      NAME: LUCINDA TELLUS# 0 392 811 002 POST 0005

      Gegen zehn Uhr bin ich vom Müllwagen geweckt worden. Mirandas Knie hatten sich in meinen Rücken gebohrt und sie schnarchte um einiges lauter, als es bei ihrem zierlichen Körper rein physisch möglich sein dürfte. Als mein Vater kurz darauf nach Hause kam, gab ich den Versuch auf, wieder einzuschlafen, und ich stand auf, um gemeinsam mit ihm zu frühstücken.

      Er war so übermüdet, dass ich erahnen konnte, wie er als alter Mann einmal aussehen würde. Und er ähnelte meinem Opa mehr denn je.

      Er fragte mich, wie es mir ginge, und ich antwortete: »Ganz okay, ich hab ja nur ’n bisschen Krebs«, woraufhin er entgegnete: »Du tust aber auch wirklich alles, um nach Aufmerksamkeit zu heischen.« Früher haben wir nicht so miteinander geredet, aber seit meiner Diagnose haben wir es uns angewöhnt. Nur so gelingt es uns, damit umzugehen.

      Ich erzählte meinem Vater von Mirandas Fragen zum Kometen, verschwieg dabei aber meine eigenen Ängste. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Was sollte er auch dagegen tun? Er hätte sich nur wieder Sorgen um mich gemacht, was er sowieso schon zur Genüge tat. Ich hatte uns Haferbrei gekocht und gemerkt, wie er sich darüber freute, als ich mir noch etwas nachnahm.

      Danach schauten wir gemeinsam die Morgennachrichten. Auf allen Marktplätzen landesweit und in den Stadtparks, in denen das Fußballspiel übertragen worden war, hatte Chaos geherrscht, und mein Vater berichtete mir von seiner Nacht in der Notaufnahme. Er hatte diverse Wunden nähen, mehrere Schädelknochen röntgen und unzählige Mägen auspumpen müssen.

      Schlägereien.

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