Die Poesie des Biers 2. Jürgen Roth

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Die Poesie des Biers 2 - Jürgen Roth

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Von Thomas Kapielski

      Mit Beharrlichkeit und gutem Beistand, der auf Stilgefühl im Volke schließen läßt, ließ sich in vielen Gaststätten der Willybecher wiedereinbürgern und irriges Bierglasdesign zurückdrängen. Der Willy ist ein (des darin waltenden Goldenen Schnittes wegen) ebenmäßiges, schlichtes Bierglas, das alle Standardgrößen von 0,2 bis 0,5 l harmonisch zu variieren vermag. Gestaltet hat es kein Designer, sondern Willy Steinmeier, Vertriebsleiter der Ruhrglas AG. Allein solchen Geistes entsprossenes Glas und ähnliche Humpen und Kelche sind dem Biere angemessen; zu Recht trägt es des Schöpfers Namen. Führt eine Wirtschaft den Willybecher, dann hat sie die Prüfung bestanden. Der hier abgebildete steht parat im tadellosen Wirtshaus Wuppke zu Berlin.

      *

      Hier lebte und wirtschaftete einst der Blaue Affe am Berliner Hermannplatz. Es gab ihn seit den zwanziger Jahren, als ein Rausch noch Affe und ein Bier- und Schnapsrausch blauer Affe hieß. Ich besuchte ihn ab und an seit 1971, regelmäßig dann von ’82 bis ’88, dann erst wieder (leidiger Umzüge wegen) ab ’91 bis ’98. (Im Film Das Quiller-Memorandum – Gefahr aus dem Dunkel sieht man den Tisch, an dem sich der Verleger Bernd Kramer mit mir besprach und anregte.) Kneipen leben ahistorisch, allenfalls zyklisch – nicht apokalyptisch! Der Blaue Affe war ein Himmel auf Erden. Heute stehen Geldautomaten einer Bank darin. Im Hammer vis-à-vis werden schon seit Jahrzehnten Matratzen verkauft; bevor er starb, war er, einer Renovierung wegen, längst unheilbar. – So waltet wohl doch eine Endzeit!

      *

      Auch diese Wirtschaft ist durch verunglückte Auffrischung schwer beschädigt worden. Sah sie zuvor, wie abgebildet, noch dem Foyer und der Frühstücksstube eines plüschigen Vertreterhotels ähnlich (was auch schon unstatthaft ist, aber gemütlich war), so gleicht sie nun einer klinischen Wartehalle. Die unübertrefflichen Gäste, das vortreffliche Personal, die Raucherlaubnis und der Willybecher sind erhalten geblieben; sie bilden den fügenden Rest. Überdies hofft man – mehr Hoffnung besteht vorerst nicht! –, die Raucher werden die geweißten Wände alsbald wiedergutmachen. Einer unter uns Betrogenen aber sprach schon verdrießlich: »Wenn ick mein Bier inne Sushibar oda Eisdiele saufen will, denn tu ick dit – inne richtje! Ick will aba ’ne Kneipe! Und da jeh’ ick jetz hin!«

      *

      Oder sollen wir uns denn eines Tages nach Zürich auf den Weg machen müssen, die alten, währschaften Kneipen zu suchen?

      *

      Hier läuft es noch ganz gut, bei Büttelmann in Spandau! Trotz schepper Kugeln und Tischdecken. Das heitere Alltagsleben dort ist beschrieben im Roman Je dickens, destojewski!: »Ernst Wuboldt trat ein und grüßte einen jeglichen Gast im bevölkerten Raumrund. In liebbraunes Licht getunkt, grüßte das Trinkvolk unbeirrt brummelnd dawider. Ein leichter Wind bewegte Gardinen, und diese wiegten der Sonne wuselnde Strahlen durch den zarten Tabakdunst über Tische und Leiber hinweg. Im Lichtbalken, der durch die Tür einfiel, tanzten Stäubchen. Dem Wirt saß ein schicklich lodernder Sonnenfleck im Antlitz; des Büttelmanns Brillenglas lohte forsch wider und beflügelte den Schwung seines Geistes. Den Wuboldt machte es herzfroh, seinen Wirt so frisch und besonnt zu sehen. Er fand gewohnten Platz am Rundtisch. Schon blickte er mit glaubensstarker Muße auf sein von fern herbeieilendes Bier …«

      Quatsch! Klar. Sowohl als auch. Logisch

      Es gibt nicht einen Grund, nach Berlin zu fahren. »Berlin, das nichts ausläßt und alles bewilligt, sofern es sich um Schwachsinn und Ausschweifung handelt« (Thomas Kapielski), kann mir gestohlen bleiben – und zwar nicht erst, seit alle naslang jeder warum auch immer dazu Berufene seinen Blödsinn zur bombig brummenden Berliner Kultur- und Partyszene von sich gibt.

      Man muß jedoch ab und zu beruflich nach Berlin, und dann treffe ich mich, wenn es irgend geht, mit Thomas Kapielski in der Gastwirtschaft Wilhelm Hoeck. Da sitzen wir dann in diesem gestaltgewordenen »Berliner Zillestubenideal« (Eckhard Henscheid), plaudern und trinken Bier, zügig eins nach dem anderen (»Arne, mach noch eins! Nee, zwei!«), bis ich zum Flughafen aufbreche und mich dabei bereits aufs nächste Mal freue.

      So. Mehr nicht.

      Nein, schon, zum Beispiel wenn unsere Freunde Barbara Kalender und Jörg Schröder beschwingt mitzechen und unser Quartett in funkelnder Uneinigkeit die Zeit damit zubringt, darüber zu »diskutieren« (Wowereit), ob Andreas Baader schlicht ein arrogantungebildetes Arschloch war. Jörg: »Quatsch!« Thomas: »Klar.« Barbara: »Sowohl als auch.« Ich: »Logisch.«

      Oder wenn die Rede auf Eckhard Henscheid kommt. Thomas hält ihn für ein Genie, ich halte ihn für ein Genie, und obwohl bei soviel Einigkeit gemeinhin wenig Gesprächsbedarf besteht, finden wir kein Ende. Daß Kapielskis Bemühungen, Henscheids neues Buch bei Merve unterzubringen, keinen Erfolg hatten, ist schade. Diese beiden Fixsterne der deutschsprachigen Literatur im selben Haus beheimatet zu sehen, wäre gar zu schön gewesen.

      Heute feiert Eckhard Henscheid seinen siebzigsten Geburtstag, übermorgen feiert Thomas Kapielski seinen sechzigsten Geburtstag. Wir erheben uns und wünschen beiden das denkbar Beste.

      Daß ich Thomas Kapielski ebenso verehre wie Eckhard Henscheid, muß ich vielleicht nicht gesondert hervorheben. Mache ich aber. Und weil ich mit Eckhard Henscheid auch mal im Gasthaus Fuchsbeck in Sulzbach-Rosenberg ein paar Seidla getrunken habe, möchte ich, die geistige Verwandtschaft beider Dichter weder beschwörend noch herbeifaselnd (obschon ich als Gewährsmann etwa Stephan Wackwitz nennen könnte, der 2009 in der taz schrieb: »Die literarische Karriere Thomas Kapielskis, das wird erkennbar, je länger sie dauert und sich ausdifferenziert, weist Parallelen auf zu derjenigen Eckhard Henscheids«), aus Kapielskis Buch Mischwald (Frankfurt/Main 2009) zitieren:

      »Dann eilte ich weiter hinauf in den Ort, der trotzig wider Amberg auf einem Berge ansitzt, zum Fuchsbeck, dem Hausbräu hin […]. Der Wirt […] fabuliert welt- und weitläufig. […] Dann im Zug nach Amberg, das mich enttäuschte: Weder ANO noch Bayrischen Hof gibt es noch; alles sehr schick insgesamt (Café Colomba und so die Richtung; der übliche Café-Mulatte-Unfug mit langen Weißschürzen an Germanistikstudentin) […]. Eine Absturzkaschemme, die sich gleichwohl auch als Speisegaststätte gerierte (im Raume Steinhofgasse?), besuchte ich dennoch instinktsicher. (Nee, eher befand ich sie.) Auffällig ein Holzschild mit solcher Inschrift: ›Der Kopf tut weh / Die Füße stinken / Jetzt müssen wir / Ein Bierchen trinken!‹«

      Und ein paar Absätze weiter: »Und noch ein Amberger Schnapsschuß: Einer bauchfreien, gepiercten als auch gearschadlerten, dicklichten, jungen, gleichsam schon alt aussehenden Oberpfälzerin will so ein Rollkoffer am Amberger Bahnhof nicht recht gehorchen; da flucht sie laut: ›Fuck! Oldä!‹ (Und meint sowohl sich, maskulin adressiert!, als auch ihr Ungeschick. Und den Koffer och noch!)«

      Wie heißt es in Eckhard Henscheids »kleinem Stadtführer« Unser liebes Amberg (bibliophile Neuausgabe 2003)?

      »Diese Stadt ist eine einzige, langdurchzogene, lästerliche und alles in den Bann ziehende Natur- und Intellektualgemeinheit. In den Köpfen der Bürger nisten Brutalität, Infamie und der hundertprozentige Wille zu nichts. […] Unverschämtheit

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