Möglichkeiten. Lisa Dickey

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Möglichkeiten - Lisa Dickey

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raten, alle Kompositionsrechte an ihren Verlag abzutreten. Und da musst du nein sagen!“ Ich entgegnete ihm, dass ich davor Angst hätte und befürchtete, sie würden mir aus diesem Grund keinen Vertrag anbieten. Doch Donald stärkte mein Selbstbewusstsein: „Sie werden dich nehmen.“

      Damals hatte ich keine Ahnung von dem ganzen Platten-Business, weshalb ich Donald vertraute. Wie zu erwarten, wollte mich Alfred bei dem Treffen auf seine Seite ziehen: „Und natürlich wirst du deine Songs bei uns verlegen.“ Ich folgte Donalds Anweisung.

      „Das tut mir leid, aber ich kann es nicht“, antwortete ich. Als er sich nach dem Grund erkundigte, log ich: „Ich habe sie schon längst in meinem Verlag veröffentlicht.“ Ich konnte kaum glauben, dass ich das tatsächlich gesagt hatte, und begann zu schwitzen. Hoffentlich würden die Männer in ihren Anzügen meinen Traum nicht zerstören, bevor er begonnen hatte.

      „Tja“, meinte Alfred mit einem Seitenblick auf Frank. „Ich schätze mal, dass wir dann keine Platte mit dir machen können.“ Mir blieb die Luft weg. Ich war so unglaublich enttäuscht, dass ich kein Wort über die Lippen brachte.

      Ich stand auf und machte mich auf den Weg, als etwas geschah, was man sonst nur aus Filmen kennt. Auf halbem Weg zur Tür rief Alfred plötzlich: „Herbie, warte mal.“ Die beiden Männer tuschelten miteinander, und dann verkündete er: „Okay, du kannst die Verlagsrechte behalten.“

      Ich war einfach nur glücklich, meinen Plattendeal zurückzuhaben. Erst später erkannte ich die tiefe Weisheit von Donalds Ratschlag – und erntete die damit verbundenen Tantiemen. Am nächsten Tag rief ich Hancock Music ins Leben und meldete alle Stücke der ersten Scheibe mit dem Titel Takin’ Off für den Verlag an. Und als „Watermelon Man“ ein Hit wurde, verdiente ich eine Menge Geld damit – Geld, das sonst direkt in die Kasse von Blue Note geflossen wäre. Dank Donald Byrd machte ich wieder einen großen Karrieresprung.

      Wir nahmen Takin’ Off in Rudy Van Gelders Studio in Englewood Cliffs, New Jersey, auf. Jahrelang hatte Rudy tagsüber als Augenoptiker gearbeitet und nebenbei als Tontechniker. In den Fünfzigern baute er ein fantastisches Studio und begann, sich ausschließlich der Musik zu widmen. Die meisten Studios hatten ein Flachdach, doch Rudys Aufnahmeraum besaß ein Kathedralen-ähnliches und oben konisch zulaufendes. Nicht nur war die Akustik hervorragend, auch der Raum war so konzipiert, dass die Musiker in einem Halbkreis spielten und nicht in verschiedenen Räumen oder separiert von hohen Abtrennwänden. Das einzigartige Design ermöglichte den Instrumentalisten, sich gegenseitig gut zu hören, und Rudy die exakte Kontrolle der Tonquellen im Mix, obwohl sich alle in einem Raum befanden.

      Rudy war dafür bekannt, mit seinem Equipment überaus penibel umzugehen. Wenn er etwas im Studio berührte, trug er weiße Handschuhe, und die Musiker merkten schnell, dass sie auf gar keinen Fall etwas anfassen durften. Wenn etwas bewegt werden musste – auch wenn es sich nur um einen Mikroständer handelte –, bat man ihn darum. Hätte man sich selbst darum gekümmert, wäre die Session unverzüglich gestoppt worden, und man hätte die Bekanntschaft eines aus der Regie stürmenden und krakeelenden Rudy gemacht. Obwohl Rudy eher klein war, konnte er einen Musiker zu Tode ängstigen. Da er so wirkte, als wäre er auf Mord und Totschlag aus, fasste man nie etwas an.

      Ich nahm mit Rudy unzählige Platten auf, und er wurde zu einer Art Familienmitglied. Jahre nach der ersten Aufnahme-Session befand ich mich im Studio und musste den Kopfhörer in eine andere Klinkenbuchse stöpseln. „Rudy, ich muss den Kopfhörer umstecken. Neben mir ist ein Anschluss. Als er „Alles klar, mach schon“ antwortete, schauten mich die anderen Musiker im Raum schockiert an. Ich dachte selbst, ich wäre vielleicht gestorben und befände mich im Himmel. Rudy erlaubte mir, den Kopfhöreranschluss selbst zu wechseln! Ich spähte zu ihm rüber und erkannte ein flüchtiges Lächeln. Von dem Moment an wusste ich, dass ich angekommen war.

      Während der Aufnahmen zu Takin’ Off lernte ich etwas Neues über Frank Wolff: Spielt man eine Nummer ein, schaut man nicht in die Regie, da man sich auf die Musik konzentriert. Betritt man nach dem Take die Regie zum Abhören der Version, kann man ungefähr vorausahnen, was die anderen davon halten. Bei Blue Note achtete man hierbei besonders auf Frank. Er wippte den Groove – falls er die Musik fühlte – unmerklich mit dem ganzen Körper mit. Machte er das während des Playbacks, hatte man den Take. Falls nicht, bedeutete das: Zurück in den Aufnahmeraum. Sein Instinkt war unfehlbar.

      Alfred hatte die Musiker für die Scheibe vorgeschlagen: Billy Higgins an den Drums, Butch Warren am Bass, Freddie Hubbard Trompete und Dexter Gordon Sax. (Dexter hatte einige Jahre in Dänemark gelebt und war gerade zurückgekehrt, eine Erfahrung, die ihm zugutekam, als er die Hauptrolle in Round Midnight [dt. Um Mitternacht] bekam, einem Film, in dem ich auch auftrat und den Score dazu schrieb.) Die Sessions liefen insgesamt reibungslos ab. Nur vor der Einspielung von „Watermelon Man“ spürte ich Bedenken aufkommen. Wie würde Billy Higgins, eigentlich ein Bebop- und Post-Bebop-Trommler diese funky Nummer spielen? Glücklicherweise hatte er einen Stil drauf, der zwischen geraden Achtelnoten und den für den Jazz typischen swingenden Triolen lag, womit er dem Stück ein großartiges funky-jazziges Feeling verlieh. Alles fügte sich zu einem wunderschönen Resultat.

      Takin’ Off erschien im Mai 1962 und kletterte auf Platz 84 der Billboard 100. Zu der Zeit hatte Billboard noch keine eigenen Genre-Charts für Pop, Jazz und R&B. Für alle veröffentlichten Alben gab es eine Hitparade, und für ein Jazz-Album wurde das Erreichen der Top 100 schon als recht gut angesehen. „Watermelon Man“ war die das Album „anschiebende“ Single, und als ich sie im Radio hörte, fand ich das verdammt cool.

      Nach der Veröffentlichung von Takin’ Off erhielt ich noch mehr Angebote von anderen Musikern. In dem Jahr spielte ich mit Freddie Hubbard auf seinem Album Hub-Tones und mit Roland Kirk auf Domino.

      Eric Dolphy gehörte zu den Musikern, die mich damals grundlegend beeinflussten. Eric war der Leader der Avantgarde-Bewegung, im Jazz ein verhältnismäßig neues Underground-Phänomen. Ich hatte seine Musik gehört und schätzte sie. Er veröffentlichte in den Jahren 1960 und 1961 vier Platten, trat überall in New York auf, aber ich verstand seine Herangehensweise nicht. Sein Stil unterschied sich grundlegend von dem Jazz, den die meisten von uns spielten – war viel lockerer, ungezwungener, freier und weniger strukturiert. Im Herbst 1962 lud mich Eric zu einer kleinen Tour ein, doch zuerst war ich mir nicht sicher, ob ich das Spiel mit ihm überhaupt kapieren würde.

      „Hast du bestimmte Songs?“, fragte ich ihn. „Oder fangt ihr alle einfach an?“

      Eric lachte. „Ja, wir haben Songs und sogar Akkordwechsel.“

      Das überraschte mich, denn die Musik klang ganz und gar nicht so. Wollte ich mit Eric auftreten, musste ich Akkordwechsel anders interpretieren, denn meine Herangehensweise und Auffassung führten in dem Kontext nicht zum Ziel. Ich spürte die Nervosität, doch ich dachte: Wenn ich einige der Regeln breche, auf die ich normalerweise alles aufbaue, könnte mich das auf die richtige Spur bringen. Ich entschied mich, es einfach zu versuchen.

      Bei den Auftritten mit Eric brach ich absichtlich die vorherrschenden rhythmischen und harmonischen Gesetze und auch die Regeln der Improvisationslinien innerhalb eines Solos. Ich begab mich auf unbekanntes Terrain und fühlte mich in eine Spielweise ein, die ich vorher nicht einmal in Erwägung gezogen hätte. Zuerst fand ich es beängstigend, die Grenzlinien des von mir so mühselig und langwierig Erlernten zu überschreiten, doch es war zugleich berauschend. Aus dieser Erfahrung zog ich eine ungemein wichtige Lehre: Ich lernte, aus dem Bauch heraus zu spielen. So zu agieren, erforderte Mut, Ehrlichkeit, das „Anzapfen“ von grundlegenden und ungefilterten Emotionen, doch der Lohn war enorm.

      Eric war für mich ein wichtiger Lehrer, ein liebenswerter, sanfter Mann, der die Musiker immer ermutigte und sich neuen Ideen gegenüber öffnete. Er war in der Lage, den Balanceakt zwischen den Jazz-Konventionen und der Avantgarde zu meistern und produzierte dabei unvergleichbare

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