Hinter der Maske - Die Autobiografie. Paul Stanley
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An Auftritte in Clubs kamen wir nur schwer ran, da man dort eigentlich fast ausschließlich Coverbands engagierte, die Hits aus den Top-40 spielten. Wir hingegen spielten hauptsächlich unser eigenes Material. Die paar Covers, die wir im Programm hatten, waren nicht wirklich Songs aus den Charts. Ich verschaffte uns ein Vorspielen in einem Schuppen namens Night Owl, da ich gelesen hatte, dass The Lovin’ Spoonful dort aufgetreten waren – und ihr Gute-Laune-Sound war gar nicht einmal so weit von dem entfernt, was auch Post War Baby Boom zu spielen versuchten. Allerdings schlich sich der Typ, der dort das Sagen hatte, hinaus, während wir noch vorspielten, und so bekamen wir den Gig nicht.
Obwohl wir nur langsam vom Fleck kamen, wollte ich den Erfolg und arbeitete unermüdlich an diesem Projekt. Schließlich gelang es mir, jemandem, der bei CBS Records arbeitete, ein paar unserer Fotos zuzustecken. Ich erhielt sogar einen Anruf von einem Angestellten des Labels. Er sagte: „Wenn ihr so gut spielt, wie ihr ausseht, dann müsst ihr ja hervorragend sein!“ Er bezog sich dabei auf eines der Fotos, das Maury Englander im Studio von uns geschossen hatte.
Noch bevor uns der Typ jemals persönlich getroffen oder spielen gehört hatte, ließ er uns ein Demo für CBS aufnehmen. Ich schrieb einen Song, den wir einspielen konnten, namens „Never Loving, Never Living“, aber ich ließ mir bis einen Tag vor der Session Zeit, um ihn der Band vorzuspielen, weil ich zu schüchtern war. Aber dann entschloss sich unsere Sängerin, am Abend vor unserem Studio-Termin ein Bad im Springbrunnen des Washington Square Park zu nehmen. Sie verkühlte sich und verlor ihre Stimme. Als wir im Studio aufkreuzten, um zum ersten Mal aufzunehmen, konnte sie nicht singen.
Um die Sache noch abzurunden, rief der Typ von CBS an und verlangte, dass wir die Band in The Living Abortions umbenannten. Das Demo kam nie zustande.
In der Music & Art ergab sich inzwischen die Möglichkeit, reichlich Mädchen in T-Shirts und ohne BH zu sehen, was ein weiterer Vorteil der fehlenden Kleiderordnung war. Außerdem war es eine gute Motivation, jeden Tag zur Schule zu kommen. Doch schon bald musste ich mir eingestehen, dass ich mit mir selbst und allen anderen unzufrieden war. Meine Haare und meine Klamotten ließen mich hipper erscheinen, als ich in Wirklichkeit war. In Wahrheit fühlte ich mich von den echt coolen Kids eingeschüchtert. Langsam musste ich mir eingestehen, dass sich nicht wirklich etwas änderte, wenn ich mein Ohr mit Haaren bedeckte. Letztlich ging es wie immer im Leben nicht darum, was andere Menschen von einem wahrnahmen, sondern darum, was man selbst wusste und fühlte.
Eines Tages sprach mich eines der coolen Mädchen in der Schule an. Victoria hatte Kurven, eine blonde Mähne und entwaffnend blaue Augen. Es war weithin bekannt, dass sie sowohl in als auch abseits der Schule mit der coolsten Clique abhing. Ich trug eine Lederjacke mit Fransen, was damals ziemlich hip war, aber auch ein Style, den noch nicht viele Leute – nicht einmal an der Music & Art – für sich entdeckt hatten.
„Hey, Franse!“, sagte sie zu mir.
Ich ging zu ihr rüber, um mit ihr zu quatschen, und brachte irgendwie den Mut auf, sie um ein Date zu bitten. Es war wie eine außerkörperliche Erfahrung – irgendjemand sprach, und das war ich, aber ich fühlte mich komplett losgelöst, da es ein gewaltiger Sprung ins Ungewisse für mich war. Sie sagte zu und ich entfernte mich wieder – in einem Zustand zwischen totaler Glückseligkeit und Schockstarre.
Wir besuchten schließlich ein Konzert im Fillmore East. Sie kannte haufenweise Leute im Publikum. So saßen wir dann bei ihren Freunden. Ich war sofort eingeschüchtert, weil sie so cool waren und ich bloß ein verkrampfter Junge aus Queens. Sie ließen einen Joint kreisen. Ich zog jedes Mal daran, wenn er an mir vorbeikam, und so wurde ich ziemlich stoned. Schon bald quasselte ich nonstop, bis mich Victoria schließlich fragte: „Was zum Geier faselst du da?“
Das ließ mich für den Rest des Konzerts verstummen.
Nach der Show gingen wir zurück ins Apartment ihrer Eltern. Ich war immer noch ziemlich daneben und auch recht verunsichert, da Victoria eine Delle in meiner glänzenden Rüstung ausgemacht und meine Coolness in Frage gestellt hatte. Ich unterhielt mich dann mit ihrem Vater und hörte auch nicht zu plappern auf, als Victoria sich schon davongeschlichen und in ihr Schlafzimmer begeben hatte. Ich wand mich schließlich aus der Wohnung und fühlte mich wie ein kompletter Vollesel.
Von da an kicherte sie jedes Mal, wenn wir einander über den Weg liefen. Ich denke nicht, dass sie fies sein wollte, aber andererseits lachte sie auch nicht mit mir.
Ein anderes Girl, mit dem ich kurz ging, lebte auf Staten Island. Sie war zur einen Hälfte Italienerin und zur anderen Hälfte Norwegerin und lebte in einem italoamerikanischen Wohnumfeld. Sie war voll auf Speed. Da ich eher ein stämmiger Junge war und sie selten Appetit hatte, bekam ich oft ihre Pausenbrote, die ihre Mutter liebevoll zubereitet hatte. Das erste Mal, als ich ihre Mom traf, schien sie mich zu mögen. Das nächste Mal dann, als ich vorbeikam, um sie abzuholen, durfte ich nicht mehr ins Haus.
„Ich darf nicht reinkommen?“, fragte ich das Mädchen.
„Nein. Meine Mom dachte, du wärst Italiener. Aber jetzt weiß sie, dass du Jude bist.“
Das war meine kleine Einführung in die wunderbare Welt des Antisemitismus.
Nach einer Weile ließ mich meine Unsicherheit, gepaart mit meiner Unfähigkeit, dem Unterricht akustisch zu folgen, in alte Verhaltensmuster zurückfallen. Ich fühlte mich verloren, war frustriert und isolierte mich von den anderen. Schließlich begann ich, so oft wie nur möglich, die Schule zu schwänzen. Ich wusste, wie viele Fehlstunden ich ansammeln durfte und wie oft ich zu spät zum Unterricht erscheinen konnte – und ging diesbezüglich tatsächlich an die Grenzen des Machbaren. Das waren jedenfalls die schulischen Statistiken, die ich am meisten im Auge behielt.
Ich wurde zu einem Geist, denn ich war kaum in der Schule – und wenn ich einmal dort war, war ich praktisch unsichtbar. Ich saß weit hinten in der Klasse und brachte kaum einmal den Mund auf, um mit jemandem zu sprechen. Wieder einmal hatte ich mich in ein selbst auferlegtes soziales Exil begeben, das aus meiner Zurückgezogenheit und ängstlichen Unsicherheit im Umgang mit anderen Menschen resultierte. Schon wieder ließ ich mich hängen. Mein Leben schien prekär und desolat zu sein. Ich wachte auch wieder schreiend aus den mir so vertrauten Albträumen auf und war mir sicher, sterben zu müssen.
Alleine auf einem treibenden Floß, weit von jeder Küste, umgeben von Finsternis …
Ein Auftritt von „The Baby Boom“ im Tompkins Square Park im East Village. Ich bin der 15-jährige Junge links, Jon Rael der Typ mit der Brille. maury englander
Auf Platz 552 von 587 Schülern. Wenn man sich schon nicht unter den Besten platzieren kann, dann kann man sich immer noch als Minderleister einen Namen machen. Ein Wunder, dass sie mir überhaupt einen Abschluss zuerkannten.
Eines Abends, als meine Mom gerade zum ersten Mal wieder nach Deutschland gereist war, kam mein Dad spät nach Hause. Er stank nach Alkohol und begann auf mich einzureden: „Wir tun alle mal Dinge, die wir nicht tun sollten.“
O Gott!
„Aber das ist doch okay, oder?“
Ich bin dein Sohn. Suchst du bei mir nach Vergebung? Bei mir? Du willst deine Schuld für etwas, das du gerade getan hast, bei