Hinter der Maske - Die Autobiografie. Paul Stanley

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Hinter der Maske - Die Autobiografie - Paul  Stanley

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war ganz cool, aber ich wollte meine eigene E-Gitarre haben und Nägel mit Köpfen machen. Ich begann, so oft wie möglich mit der U-Bahn nach Manhattan zu fahren, um die Musikläden in der 48th Street nach erschwinglichen Gitarren zu durchstöbern.

      Diese Ausflüge wurden zu so etwas wie Pilgerreisen für mich. Zwischen der Sixth und Seventh Avenue säumten kleine Instrumentengeschäfte beide Seiten der 48th Street. Und einen Block weiter, an der der Ecke 49th Street und Seventh Avenue, gab es einen Sandwich-Laden namens Blimpies. Dort holte ich mir ein Sandwich oder bei Orange Julius einen Texas-Chili-Dog, der nur so vor zähflüssigem Käse triefte. Dann machte ich mich auf die Suche nach Gitarren. Damals durfte man gar nichts anfassen. Wenn man ein Instrument spielen wollte, erkundigten sich die Angestellten erst einmal, ob man vorhatte, etwas zu kaufen. Wenn man nicht so aussah – wie etwa in meinem Fall –, dann forderten sie einen auf: „Zeig mir, ob du Geld dabei hast.“ Deswegen ging es bei diesen Trips eigentlich nicht darum, auf Instrumenten zu musizieren, sondern darum, die Ausrüstung einer Rock-’n’-Roll-Band zu bestaunen: Schlagzeug, Gitarren, Bässe. Und manchmal erspähte man sogar einen Musiker, den man aus dem Fernsehen oder einem der Magazine, die ich anfing zu sammeln, kannte. Ich war dann wie im Himmel.

      Als die Junior-High voranschritt, begann ich die Schule zu schwänzen, um immer öfter die 48th Street anzusteuern. Ich kam dann schon früh am Morgen an, noch bevor die Läden geöffnet hatten – deshalb ging ich, der jüdische Junge, dann schnurstracks in die St. Patrick’s Cathedral an der Ecke 49th Street und Fifth Avenue, um dort in einer der Sitzreihen zu warten. Ich fand auch einen Schallplattenladen, der nur einen Block von der Kirche entfernt lag und Record Hunter hieß. Dort konnte man sich sogar Platten anhören, denn es gab eine Reihe von Plattenspielern und Kopfhörern. Das verstand ich dann unter einem perfekten Tag – zuerst in der Kirche warten, bis der Plattenladen öffnete, dann Musik hören, einen Chili-Dog mampfen und Gitarren bewundern.

      Irgendwann entdeckte ich, dass ich – weniger weit von zu Hause entfernt ­– mit der Buslinie Q44 bis zur letzten Haltestelle in Jamaica, Queens, fahren konnte, wo sich ein riesiges, zweistöckiges Schallplattengeschäft namens Triboro Records befand. Dort gab es Tausende LPs, und da es sich um eine vorwiegend von Schwarzen bewohnte Gegend handelte, hatte ich die Gelegenheit, andere Dinge kennenzulernen als die, die ich aus meiner Nachbarschaft kannte: James Brown, Joe Tex und Otis Redding etwa, aber auch schwarze Comedians wie Redd Foxx, Pigmeat Markham und Moms Mabley. Ich hatte nicht die Kohle dabei, um mir etwas zu kaufen, aber einfach nur die Plattencover zu bestaunen und in Händen zu halten, reichte oft schon aus, damit es sich für mich auszahlte.

      Nachdem ich ein Jahr lang mein Geld angespart hatte und zum 14. Geburtstag noch was dazubekam, fuhr ich eines Tages wieder in die 48th Street und spazierte in einen Laden namens Manny’s. Den Blick auf eine Gitarre gerichtet, fragte ich: „Darf ich die mal ausprobieren, bitte?“

      Als Antwort erhielt ich sogleich die Gegenfrage: „Hast du denn vor, heute was zu kaufen?“

      „Ja.“

      „Dann zeig mir mal bitte dein Geld.“

      Ich kramte mein ganzes Geld hervor, und der Mann hinter der Theke reichte mir die Gitarre, für die ich mich entschieden hatte: eine Strato­caster-Kopie von Vox mit zwei Tonabnehmern. Es war jetzt nicht die Hammer-Gitarre, aber ich konnte sie mir leisten. Sie war billiger, da sie nicht ganz so groß wie eine herkömmliche Gitarre war. Außerdem wusste ich nichts über Gitarren und konnte kaum spielen.

      Aber nun hatte ich wirklich meine Fahrkarte in die Freiheit.

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      Sobald ich meine E-Gitarre hatte, begann ich damit, Songs zu schreiben. Ich versuchte es zumindest. Irgendwie schien mir das der nächste natürliche Schritt zu sein – ein Instrument zu spielen und zu komponieren ging Hand in Hand. Jedes Mal, wenn ich Songs hörte, die mir gefielen, versuchte ich sie nachzuahmen. So war einer meiner ersten Versuche etwa eine Hommage an „The Kids Are Alright“ von The Who. Ich studierte auch die Song-Strukturen der Komponisten aus dem Brill Building wie etwa Barry Mann und Cynthia Weil, Gerry Coffin und Carole King sowie Jeff Barry und Ellie Greenwich. Das waren Songs mit Strophe, Refrain, Bridges und großartigen Hooks. Songs, die so eingängig waren, dass man sie bereits auswendig kannte, wenn der Refrain zum zweiten Mal einsetzte. Es ging um Melodien und darum, eine Geschichte zu erzählen.

      Harold Schiffs Kellerband hatte sich aufgelöst, aber Matt Rael und ich jammten regelmäßig, seitdem ich meine Gitarre hatte. Manchmal schloss sich uns auch noch ein Junge namens Neal Teeman an den Drums an. Wir nannten uns Uncle Joe und nahmen fortlaufend neue Songs in unser Repertoire auf. Matt hatte allerdings seine eigenen Probleme zu bewältigen, da ihn seine Eltern mittlerweile in eine Privatschule in Manhattan schickten.

      Meine Haare waren nun richtig lang, aber auch sehr lockig. Damals hasste ich die Locken, da glatte Haare angesagt waren. Deshalb kaufte ich mir im nahe gelegenen Schwarzen-Wohngebiet ein Haarglättungsmittel namens Perma-Strate. Es roch nach Ammoniak und anderen Chemikalien und verätzte einem ordentlich die Kopfhaut. Man musste Perma-Strate auf die Haare auftragen, sie dann zurückkämmen, das Mittelchen einwirken lassen und die Haarpracht dann wieder nach vorne kämmen. Gelegentlich ließ ich das Zeug zu lange drauf, was zur Folge hatte, dass meine Kopfhaut blutete. Manchmal bügelte ich meine Haare auch. Alles nur, damit die Haare glatt waren. Die Mutter eines anderen Jungen, mit dem ich mich anfreundete, David Un, nannte mich „Prinz Eisenherz“ wegen meines Looks. Mein Dad hingegen hatte inzwischen angefangen, mich „Stanley Fettarsch“ zu nennen.

      Ich hatte David Un in der Parsons Junior-High kennengelernt. Seine Familie war wie Matts Eltern fürsorglich und künstlerisch interessiert. Sein Dad war Maler und seine Mutter war Lehrerin. So wie ich hatte David richtig lange Haare. Manchmal, wenn ich die Schule schwänzte und nach Manhattan fuhr, begleitete er mich. Er stand auch total auf Musik. Und so begannen wir, so gut wir konnten, uns in die aufkommende Gegenkultur zu stürzen. Eines Tages schlenderten wir die Hauptstraße unseres Wohngebiets hinunter und bemerkten einen neuen Shop, der Middle Earth hieß. Es war ein Kifferladen, in dem Wasserpfeifen, Bongs aus Glas und alle möglichen anderen Drogen-Utensilien über den Ladentisch gingen. Die Leute, die dort arbeiteten, hatten auch lange Haare.

      Vielleicht sind sie ja wie ich?

      Ich passte nicht zu normalen Leuten, aber hier, in meiner Nachbarschaft, gab es eine Alternative. Ich begann, dort abzuhängen und mich mit den Besitzern und ein paar der Kunden zu unterhalten. Es ging nicht um Drogen, obwohl ich anfing, hin und wieder mal Pot zu rauchen. Es ging mir um Akzeptanz. Auf einen Ausgestoßenen oder auf jemanden, der sich in einer Art selbst auferlegtem Exil befand, wirkte Middle Earth behaglich. Ich nahm auch meine Akustikgitarre mit in den Laden und klimperte darauf herum, während ich dort abhing.

      Ein Mädchen aus meiner Schule namens Ellen Mentin war mir gegenüber besonders geduldig und verständnisvoll. Ich sprach mit ihr sogar über einige meiner inneren Dämonen, aber dadurch, dass ich ihr meine Probleme andeutete, konnte ich meine Beklommenheit auch nicht vermindern. Ellen wollte, dass wir ein gewöhnliches Junior-High-Pärchen würden und gemeinsam ins Kino gingen oder so. Jedoch war ich nicht in der Lage, Dinge mit ihr in der Öffentlichkeit zu unternehmen. Es fühlte sich zu riskant, zu erstickend, zu einengend an.

      Was ist, wenn jemand anfängt, sich über mich lustig zu machen, wenn ich gerade mit ihr zusammen bin?

      Ich konnte gar nicht begreifen, warum sie mit jemandem wie mir zusammen sein wollte. Mit oder ohne lange Haare – ich war immer noch ein Freak. Ich fragte sie sogar: „Warum magst du mich? Warum willst du mit mir zusammen sein?“ Es ergab überhaupt keinen Sinn für mich.

      Ellen und ich blieben Freunde. Allerdings war es mir nicht möglich, fest mit jemandem zu gehen, der so unerschütterlich fürsorglich war. Sogar gemeinsam im Bus zu fahren,

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