Hinter der Maske - Die Autobiografie. Paul Stanley

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Hinter der Maske - Die Autobiografie - Paul  Stanley

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Eltern wenden konnte, wenn ich Hilfe oder Aufmunterung brauchte. Jedoch hatte ich nicht erwartet, dass einer von ihnen seinen eigenen Seelenmüll bei mir deponieren würde.

      Plötzlich erinnerte ich mich an einen Vorfall, der sich ein paar Jahre zuvor zugetragen hatte. Mein Dad hatte an jenem Abend den Telefonhörer abgehoben und war sichtlich verstört von dem, was ihm da mitgeteilt wurde. Er sprach mit leiser Stimme mit meiner Mom. Dann riefen sie die Polizei. Als die Cops auftauchten, forderten sie meinen Dad auf, ihnen genau zu erklären, was er am Telefon gehört hatte. Er erzählte ihnen, dass der Mann am anderen Ende der Leitung gedroht hätte, ihm Gewalt anzutun, wenn er nicht aufhören würde, sich mit einer bestimmten Frau zu treffen. „Er hat gesagt, dass er ihm die Eier abschneidet“, tönte meine Mom. Wir alle nahmen an, dass es sich um eine Verwechslung handeln musste. Aber nun begann ich mich zu wundern.

      Mein Zuhause fühlte sich danach noch gefährlicher als sonst schon an. Es sollten noch Jahrzehnte vergehen, bis ich herausfand, was da tatsächlich vor sich gegangen war, aber ich fühlte, dass unser Haus zu einer potenziell tödlichen Umgebung geworden war, die langsam in den Fluten versank.

      Ich ertrinke.

      Es war schlimm genug, mir mich in einem Wagen, der kein Lenkrad hatte, oder auf einem treibenden Floß, fernab jeder Küste und in vollkommener Finsternis, vorzustellen, doch nun fühlte es sich an, als würde das Floß unter Wasser gezogen.

      Was auch immer mit meiner Schwester los war, wurde durch meine Eltern noch verschlimmert, und alles, was bei mir abging, wurde durch ihr Zutun noch verschärft. Mein Zuhause fühlte sich genau so unbehaglich an wie die Schule oder andere Umgebungen. Ich konnte der Furcht nicht entrinnen. Ich war erst 15 Jahre alt und verlor den Verstand. Ich hatte niemanden, mit dem ich hätte sprechen können. Niemanden. Ich war völlig auf mich gestellt und war wie versteinert.

      Was soll ich bloß tun?

      Ich konnte spüren, dass es sehr übel enden würde, wenn alles so weiterginge.

      Soll ich mich etwa umbringen? Werde ich verrückt wie meine Schwester?

      Julia hatte auf ihre tief sitzenden Probleme reagiert, indem sie sich für einen Weg der Selbstzerstörung und Selbstbetäubung entschieden hatte. Ganz offensichtlich führte dieser Weg ins Verderben. Wie ich den Dingen begegnete, lag ganz bei mir. Klar, ich war auf mich selbst gestellt, aber ich hatte die Wahl. Wenn ich nichts täte, wäre das auch eine Entscheidung – und ich wusste, dass die Konsequenzen nicht erstrebenswert waren.

      Ich weigere mich, ein Opfer zu sein.

      Ich wollte mich zusammenreißen. Ich wollte die Ärmel hochkrempeln und meinen Kram ordnen sowie die Welt zu meinen Gunsten verändern.

      Aber wie?

      Ich war gerade mit meinem Fahrrad unterwegs, als mich die Erkenntnis durchfuhr. Gerade, als ich mich in eine Kurve nahe unseres Wohnhauses legte, traf es mich wie ein Vorschlaghammer.

      Ich muss mir Hilfe suchen.

      Anders, so wurde mir nun klar, würde ich es nicht schaffen. Ansonsten würde ich falsche Entscheidungen treffen und nur noch weiter die Abwärtsspirale hinabtaumeln.

      Tu etwas.

      Dann hörte ich eines Abends einen Freund meiner Schwester über eine ambulante psychiatrische Abteilung im Mount Sinai Hospital in Manhattan sprechen. Hier hatte ich nun etwas Handfestes. Einen Ort, an den ich mich wenden konnte, mitsamt Namen und Adresse. Ich schlug das Krankenhaus im Telefonbuch nach und wartete, bis niemand mehr zu Hause war, um dann die psychiatrische Abteilung anzurufen und einen Termin für ein Gespräch zu vereinbaren.

      Am Tag des Termins fuhr ich mit zwei U-Bahn-Linien und einem Bus, um rechtzeitig dort zu sein. Ich ging ganz allein hinein und sagte: „Ich brauche Hilfe.“ Sie ließen mich ein Formular unterzeichnen, für das ich zum Glück keine elterliche Genehmigung benötigte. Es kostete mich auch nur drei Dollar.

      Jemand in einem weißen Kittel begleitete mich zum Arzt. Ich wusste rein gar nichts über Therapie, hoffte bloß, dass mir jemand erklären würde, wie man lebt. Ich war überrascht, als mir während meines ersten Gesprächs ausschließlich Fragen – keine Antworten – serviert wurden. Alles lief verkehrt herum ab. Ich wollte, dass der Doktor mir sagte, was zu tun wäre, aber stattdessen leitete er meine Fragen praktisch sofort an mich zurück. Es sollte noch eine Weile dauern, bis ich begriff, dass das die Grundlage einer Therapie ist. Mich würde niemand bei der Hand nehmen und durch mein Leben führen.

      Dieser Arzt, der mir völlig fremd war, zog bloß eine Braue hoch und blickte in eine andere Richtung, während ich ihm berichtete.

      Hält er mich etwa für irre?

      Nach dieser ersten Sitzung war ich mir nicht sicher, was ich davon halten sollte. Trotzdem beschloss ich, es noch einmal zu probieren. Koste es, was es wolle.

      Kremple deine Ärmel hoch.

      Das nächste Mal, als ich hinging, wollte ich allerdings mit einem anderen Arzt sprechen. Glücklicherweise kam man mir da entgegen. Der zweite Arzt hieß Jesse Hilsen. Ich fühlte mich nicht unsicher in seiner Nähe. Er sah mich nicht an, als ob ich nicht alle Tassen im Schrank hätte. Er machte mir schnell klar, dass ich nicht weniger „normal“ war als die anderen, auch wenn es mir so vorkäme. Viele andere Menschen hätten auch Probleme. Ich war nicht allein. Ich war nicht der Einzige unter Millionen, dem es so vorkam, als würde seine Welt einstürzen. Dem Himmel sei Dank. Das war mal ein Fortschritt.

      Ich sehnte mich immer noch nach familiärer Unterstützung und Zuspruch und erzählte meinem Dad, dass ich zu einem Psychiater ging. Er stand der Sache ablehnend gegenüber. „Du willst nur anders sein“, murrte er mich an.

      Dann wurde er sauer. „Du denkst wohl, du bist der Einzige mit Problemen, was?“, schrie er plötzlich. Nein, ich wusste mittlerweile, dass ich das nicht war. Meine Schwester hatte Probleme. Und ich vermutete auch, dass mein Dad in der Tinte saß, obwohl ich keine Ahnung hatte, worüber er an jenem ominösen Abend, als er sich Absolution bei mir holen wollte, gesprochen hatte. Aber ich würde mich meinen Problemen nicht ergeben. Ich würde mir Mühe geben, sie zu bewältigen. Ich würde kämpfen.

      Ich traf mich nun jeden Mittwoch nach der Schule mit Dr. Hilsen. Vorher holte ich mir noch ein Truthahn-Sandwich mit russischem Dressing aus dem Feinkostladen und setzte mich damit auf eine Bank im Central Park. Nach jeder Sitzung bei Dr. Hilsen freute ich mich schon auf die nächste Woche. Die Unterhaltungen mit ihm waren wie ein Rettungsfloß, an das ich mich klammern konnte. Endlich unternahm ich etwas – nahm mein Schicksal in die eigenen Hände. Ich war bereit, mich der Herausforderung zu stellen.

010.tif

      Ich mit 16, flankiert von Mom und Dad in unserer Wohnung in der 75th Road.

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      Anfang 1968, kurz nach meinem 16. Geburtstag, wurde in der English Power Hour mit Scott Muni ein neuer Hit aus England namens „Fire Brigade“ von The Move gespielt. Er handelte von einem Girl, das so heiß war, dass man die Feuerwehr rufen musste. Nun, ich war ein eingefleischter Anglophiler und The Move waren eine meiner Lieblingsgruppen. Zu dieser Zeit orientierte sich mein Songwriting sehr eng an dem, was ich im Radio hörte. Als ich nun „Fire Brigade“ hörte, verliebte ich mich in die Konzeption des Songs. Also setzte ich mich hin und begann einen Song um dieselbe Idee herum zu entwickeln. Ich hatte das Stück noch nicht oft genug gehört, um ihm auch musikalisch zu Leibe zu rücken, aber ich

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