The Who - Maximum Rock I. Christoph Geisselhart

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The Who - Maximum Rock I - Christoph Geisselhart The Who Triologie

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hatten sie einen Auftritt vor gut tausend Zuschauern in Kent, und es gab keine Umkleideräume. So mussten sie sich in der Halle in ihre Bühnen­kostüme­ zwängen, Keith in seinen goldenen Astronautenanzug, die anderen in ihre gemäßigteren Bronze-Outfits. Die vier kupferbraunen Twens schlichen möglichst unauffällig zur Bühne, während Keith, ganz der goldene Surfer auf einer Woge der Begeisterung, die Gelegenheit beim Schopf packte und seine Basstrommel mit dem blasphemischen Selbstbekenntnis prahlerisch über dem Kopf schwenkte, damit nur jeder es sah und über ihn sprach.

      Bald forderte er von den anderen ähnlichen Einsatz auf dem Gebiet der Selbstdarstellung. „Schaut mich an: Ich klebe hinter meinem Schlagzeug und bin trotzdem sichtbarer als jeder von euch. Ihr müsst euch mehr bewegen, mehr auf euch aufmerksam machen.“

      Halbherzig befolgten die Älteren seine Anweisungen. Wenn es Keith zu brav auf der Bühne zuging, warf er mit Trommelstöcken nach ihnen. Oder er nahm Ron aufs Korn, wenn der wieder einmal zu einer Schnulze wie „Surrender“ ­ansetzte.­ Sanfte Beckenbegleitung oder die Marschtrommel mit dem Besen zu streicheln, wäre da die passende Begleitung für einen Drummer mit mehr Zurückhaltung gewesen. Doch Keith war kein zurückhaltender Drummer. Er wollte­ laut und aggressiv spielen. Er war so laut, dass einmal sogar sein großer Protegé im Oldfield Hotel, Lou Hunt, um Erbarmen flehte, weil der Barmann keine Bestellung mehr hörte: „Um Himmels Willen, spiel leiser!“ Keith war daraufhin schwer beleidigt und verkündete: „Ich kann nicht leise spielen, ich bin ein Rockschlagzeuger. Wenn ihr’s leiser wollt, holt euch eine Tanzkapelle.“

      Speziell Ron, der verdiente Senior der Beachcombers, den sein sechzehnjäh­riger Drummer bald in jeder Hinsicht in den Schatten stellte, auf bekannt charmante­ Weise zwar, aber gleichwohl ohne Gnade, geriet deswegen einige Male mit Keith aneinander. Die Leute wollten nun mal Schnulzen hören, und die Musiker wurden dafür bezahlt, die Wünsche ihres Publikums zu erfüllen, das zu einem großen Teil aus jungen Frauen und Männern bestand, die Balladen vor allem dazu nutzten, einander näher zu kommen.

      Keith verschloss sich diesen Argumenten und Klagen keineswegs; aber bald brach seine ungezügelte Natur wieder durch, und er veranstaltete einen kleinen Trommelwirbel mitten in Rons gefühlvollem Gesang, oder er drosch so heftig auf seine rasselnden Beckenschüsseln ein, dass die Leadgitarre im Blechinferno ­verschütt ging.

      Andererseits sprach der Erfolg für Keith. Er hatte mit Unterstützung von John und Tony, die ebenfalls erneuerungswillig waren, durchgesetzt, dass fetzigere, aktuelle R&B-Stücke wie „Come On“ die überholten Evergreens wie „La Bamba“ oder „Sweet Little Sixteen“ ersetzten. Alle spürten, dass eine neue, härtere Gangart in den Tanzsälen von London Einzug hielt und ein jüngeres, aggressiveres Publikum nach mehr verlangte, als hübsche Melodien zu einstudierten Tanzschritten zu hören. Eine andere Londoner Band, The Rolling Stones, mit dem Schlagzeuger Charlie Watts aus Keiths Nachbarviertel Kingsbury, hatten vorgemacht, wie man Erfolg hatte: Man musste die braven Anzüge ablegen, die Haare wachsen lassen, eine wilde Show auf der Bühne zelebrieren, eine Ahnung von Sex und dunkel wirkender Leidenschaft in die Köpfe der Zuschauer zaubern und alles andere für die Musik aufgeben.

      Keith hatte recht, wenn er das von seinen Bandkollegen verlangte. Aber sie waren zu alt dafür, zu gesetzt, vielleicht auch zu gebildet. Immerhin gelang es dem brennenden Keith, sich in der Gruppe durchzusetzen, obwohl er der jüngste, kleinste­ und neueste war; er durfte seine geliebte Surfmusik in das Programm der Beachcombers einbauen, und er bekam sogar ein Mikrofon ans Schlagzeug gestellt, wenn „Surf City“ oder „Surfin’ USA“ gespielt wurden – wobei Ron, der die PA bediente,­ stets dafür sorgte, dass dieses Mikro nicht eingeschaltet war.

      Keith durfte auch sein Schauspieltalent entfalten. Die Beachcombers eröffneten­ ihre Show mit einer Coverversion von „Little Egypt“, einem Hit der Coasters. Der Vorhang ging auf, und Keith, allein auf der Bühne, mit Fez auf dem Kopf und in einen orientalischen Umhang gewandet, trat vor und animierte das Publikum, sich genauso blödsinnig zu bewegen, wie es der Song vorgab, während die anderen­ Beachcombers heimlich an ihre Plätze gingen und zu spielen begannen.

      Ein andermal zückte Keith, als Ron sich während einer Ballade wieder einmal gestört fühlte und laut über ihn meckerte, plötzlich eine Pistole und brüllte: „Das genügt! Ich habe es satt, mich von dir anschreien zu lassen!“

      Der empörte Drummer drückte ab – und alle starrten entgeistert auf Keith und auf Ron, der aber nicht umfiel, obwohl der Schuss aus drei Meter Entfernung ihn schwerlich verfehlt haben konnte. Bis Keith sein übliches Grinsen zeigte: Es war eine Starterpistole gewesen, mit Platzpatronen geladen.

      Kurz darauf schnappte sich Ron den frechen Wicht, schleuderte ihn gegen den Bandtransporter und hob die Fäuste zum Schlag. Keith rappelte sich hoch, duckte­ sich und piepste: „Mach mich bloß nicht wütend.“

      Ron konnte gar nicht anders als lachen. Wie sollte man dem verrückten „Wease“ je böse sein?

      Und als Ron bei einer Probe für das Label Decca abgesägt werden sollte, weil man sich in den Zeiten der Beatlemanie angeblich keinen singenden Frontmann mehr erlauben konnte, bewies Keith Mut und Loyalität. Er trat als erster vor den Manager, der die Gruppe nur ohne Ron haben wollte, und erklärte: „Entweder alle oder keinen.“

      Decca entschied sich für keinen.

      Keith glaubte trotzdem an die Band. Sie waren gut, sie waren laut, immer mehr Leute kamen zu ihren Auftritten ins Oldfield Hotel oder ins White Hart in ­Harrow; es sprach sich herum, dass The Beachcombers etwas fürs Geld boten. Sie spielten in US-Militärbasen, für große Unternehmen wie Kodak, wo sie als beliebte­ Hausband galten, in Stadthallen mit größeren Bühnen; Druce verschaffte­ ihnen zunehmend bessere Engagements. Als die Hollies aus Manchester anreisten,­ buchte­ er die Beachcombers als Vorgruppe. Keith schaute sich den Auftritt der Hauptattraktion vom Bühnenrand genau an. Am Ende sagte er seinen Kollegen: „Sie sind nicht besser als wir. Wir sind mindestens ebenso gut.“

      Möglicherweise lag er damit richtig. Aber Ron, Norman, Tony und John glaubten­ nicht daran. „Man hat es natürlich immer im Hinterkopf, dass man es eines Tages schaffen könnte“, meint Tony. „Aber wir hatten alle Freundinnen, wir hatten gute Jobs, für die wir qualifiziert waren und die wir mochten. Keith hasste­ seine Arbeit. Wenn wir gesagt hätten, wir schmeißen unsere Arbeit hin und werden­ echte Profis, dann wäre es für ihn gewesen.“

      Und Norman ergänzt: „Hätten wir es bloß versucht. Aber wir waren eine Coverband. Wenn du wenigstens einen einzigen guten Song schreibst, kannst du Erfolg und damit Zeit haben, weitere Songs zu schreiben. Aber wir hatten diesen einen Song nicht.“

      John Schollar erzählt, dass die Beachcombers mehrere Versuche mit externen Songwritern unternommen hatten, aber das hatte nicht funktioniert. Sie mieteten­ ein kleines Kellerstudio in Harrow und nahmen Coverversionen erfolgreicher Songs auf, darunter „Poison Ivy“ und „I’m A Hog For You Baby“, doch niemand konnte etwas damit anfangen. Die Gruppe kam nicht weiter. Es fehlte an Originalität und am absoluten Willen, wirklich alles zu versuchen, um erfolgreich zu werden. „Dieses kleine Extra, diesen zusätzlichen Willen und den Hunger – das hatte von uns keiner“, bestätigt Ron, der Sänger, der Weihnachten 1963 lieber mit seiner Verlobten verbrachte, statt mit seiner Band, mit Georgie Fame und anderen­ bekannten Gruppen im Flamingo aufzutreten. „Am Ende verloren wir deswegen Keith.“

      Zuvor allerdings durften die Beachcombers ihren Jüngsten noch in die Grundlagen des Lebens als Rockstar einführen. Keith, der Bier nicht mochte und damals nie etwas trank, weil er fürchtete, sonst nicht akkurat Schlagzeug spielen zu können, erlebte zur Geburtstagsparty von Johns Freundin seinen ersten Vollrausch und kotzte auf dem Heimweg aus dem Bus, wobei er während der Party noch nüchtern genug gewesen war, um die Tulpen des entsetzten Hausherrn mitten im Sommer „einzufrieren“, indem er sie mit

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