Operation Terra 2.0. Andrea Ross

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Operation Terra 2.0 - Andrea Ross

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so sitzenbleiben, Betrachtungen anstellen und den entspannenden Anblick des Wassers genießen können, hätte ihn die blanke Neugier nicht weiter getrieben.

      Im Schlendergang folgte er dem Flusslauf nach Norden, in Richtung der Hügelketten. Roter Staub lag in der Sommerluft, man sah die Landschaft wie durch einen Weichzeichner. Die Sonne erstrahlte dadurch in Rosa. Philipp genoss den illegalen Ausflug in vollen Zügen. Die Sonne auf der Haut, das Alleinsein, der Gang durch unbekannte Welten, der elektrisierende Reiz des Verbotenen … pfeifend stieg er auf eine kleine Anhöhe, beschattete seine Augen mit einer Hand.

      Rotbraune Geröllhalden erstreckten sich in nordwestlicher Richtung bis zum Horizont, nur durchschnitten vom etwa fünf Meter breiten Fluss, der mäandernd in der Ferne verschwand. Im Norden thronten kahle Hügelketten, die nach Osten hin flacher wurden. Wie weit mochte diese Region entfernt liegen? So zehn, fünfzehn Kilometer? ›Eindeutig zu weit für den heutigen Fußmarsch‹, entschied Philipp enttäuscht.

      Er wollte sich gerade wieder zum Gehen wenden, da sah er unterhalb eines der Hügel etwas glänzen. Er sah erstaunt ein zweites Mal hin. Kein Zweifel, da reflektierte irgendein Gegenstand die schräg auftreffenden Sonnenstrahlen! Nur – worum mochte es sich handeln? Ihm war nichts darüber bekannt, dass die Siedlung Außenposten unterhielt. Natürlichen Ursprungs konnte die Reflektion allerdings erst recht nicht sein, denn das Flussbett verlief etliche Kilometer weiter westlich. Wie dem auch war, das Rätsel ließ sich aus dieser Entfernung bedauerlicherweise nicht lösen.

      Philipp beschloss, noch eine halbe Stunde in der freien Landschaft umher zu wandern, anschließend am Wall entlang zu gehen und am Tor reumütig zu behaupten, er sei auf die Mauer gestiegen, habe das Gleichgewicht verloren und sei versehentlich auf der anderen Seite heruntergefallen. Das Gegenteil würde ihm wohl schwerlich jemand beweisen können.

      ›Und warum habe ich eine Tonne geklaut … äh, ausgeliehen … und bin überhaupt erst hinauf geklettert?‹, sinnierte Philipp beim Gehen. ›Ah, ich weiß … ich wollte den Wasserstand des Flusses überprüfen, weil ich mir Sorgen gemacht habe, ob die Bewässerungsanlage für den Rest dieses trockenen Sommers noch problemlos gespeist werden kann‹.

      Der Plan funktionierte prächtig. Außer einer Belehrung über die möglichen Folgen bodenlosen Leichtsinns und der Anmaßung von Aufgaben, die ihm gar nicht oblägen, zeitigte seine temporäre Flucht keine Folgen. Philipp brachte in der Abenddämmerung die Wassertonne wieder ordnungsgemäß an ihren Platz zurück, entschuldigte sich bei Patrick Lemke und ging beschwingt nach Hause. Nicht einmal Swetlanas bittere Vorwürfe konnten seinem Hochgefühl etwas anhaben.

      *

      Drei Monate später gab es Grund zum Feiern. Swetlana überraschte Philipp mit der freudigen Mitteilung, dass der Arzt ihre Schwangerschaft festgestellt habe. Noch

      sei es zu früh, Genaueres zu sagen, aber das Scanbild lasse den Rückschluss auf mehr als ein Baby zu.

      »Endlich muss ich mich nicht mehr wertlos fühlen, wenn andere Mütter mit ihren kleinen Kindern an mir vorbeistolzieren«, strahlte Swetlana erleichtert. »Und anscheinend werden es gleich Zwillinge, stell dir vor! Das ist prima, dann können die Geschwister von Anfang an miteinander spielen.«

      Philipp freute sich mit ihr, doch seine Gedankengänge kreisten insgeheim auch immer wieder um die Frage, wie er es anstellen könnte, das Siedlungsgebiet ein weiteres Mal zu verlassen. Ihm wollte einfach nichts Brauchbares einfallen. Er hatte sogar schon von jenem geheimnisvollen Blinken unter dem fernen Hügel geträumt, so sehr beschäftigte ihn das Gesehene. Nur – wenn er dorthin gelangen wollte, musste er einen Rover entwenden, und das erschien ihm undurchführbar.

      Er schalt sich selbst einen egoistischen Idioten. Es gab momentan Wichtigeres, schließlich war er verheiratet und würde bald Vater werden. Daher nahm er sich fest vor, seine Swetlana zum nächsten Termin beim Frauenarzt zu begleiten. Natürlich freute auch er sich mächtig auf die Kinder, sie würden sein eintöniges Leben mit Sicherheit bereichern. Womöglich wäre sogar sein Freiheitsdrang weniger stark ausgeprägt, sobald sie auf die Welt kamen.

      Frohgemut betraten die Emmersons gemeinsam die ärztliche Station. Philipp hatte seine Ehefrau schon lange nicht mehr so fröhlich und entspannt gesehen. Die Mutterschaft stand ihr gut zu Gesichte.

      Der Arzt platzierte den Scanner auf dem noch flachen Unterleib. Diese neue Technologie hatte vor einigen Jahrzehnten die Ultraschallgeräte abgelöst. Man sah die ungeborenen Kinder nun in Farbe und bis ins letzte Detail. Die gestochen scharfen Bilder ließen sich mühelos vergrößern, bis man auch die kleinste Pore in der Haut zu erkennen vermochte. Swetlana juchzte, als sie die Fruchtblase nebst Inhalten erkannte.

      Plötzlich hielt der Mediziner abrupt in seiner fließenden Bewegung inne, der Scanner verweilte auf derselben Stelle. »Oh

      … das ist gar nicht gut. Sehen Sie das da? Drei Embryonen … ich hätte Ihnen die Hormonbehandlung vielleicht doch besser nicht verschrieben«, murmelte er. Er schien total entsetzt.

      Swetlana lächelte immer noch glücklich. »Eineiige Drillinge? Ach, das ist nicht so tragisch. Mithilfe der modernen Medizin werden wir sie in achteinhalb Monaten schon heil ans Tageslicht holen, da bin ich guten Mutes. So werden die Kinder sich das Standardkinderzimmer halt zu dritt teilen müssen.«

      »Ganz so einfach ist das leider nicht … nun ja, warten wir erst einmal noch ein paar Wochen ab. Dann sehen wir weiter«, meinte der Arzt nebulös.

      Die drei Ungeborenen entwickelten sich prächtig. Swetlana hatte inzwischen mit Morgenübelkeit zu kämpfen, doch das tat ihrer Freude keinen Abbruch. So ahnte sie nichts Schlimmes, als sie und Philipp sich in der 16. Schwangerschaftswoche zum nächsten Besuch in der Ärztestation aufmachten.

      Dieses Mal wirkte der Doktor kühl und sachlich, kein verbindliches Lächeln erhellte seine verkniffene Miene. Im Gegenteil, Mimik und Gestik wirkten abweisend. Er drehte sich um, schaltete den Scanner ein. Das Gerät signalisierte mit einem hohen Piepsen seine Bereitschaft.

      »Vielleicht ist der gute Mann wegen der vielen Schwangerschaften schwer im Stress«, raunte Philipp seiner Frau augenzwinkernd zu.

      Wieder tastete sich der Kopf des Scanners Zentimeter für Zentimeter über Swetlanas Bauch. Und wieder erschien eine Fruchtblase auf dem hoch auflösenden Bildschirm, aber dieses Mal waren die drei winzigen Körper deutlich erkennbar – einschließlich ihres Geschlechts. Zwei Mädchen und ein Junge drängten sich dicht aneinander.

      »Ich werde zum Ende hin wohl mächtig fett werden«, scherzte die werdende Mutter voller Stolz. Sie weinte vor Rührung.

      Der Mediziner blieb immer noch ernst, machte keinerlei Anstalten, ein Bild auszudrucken. Swetlana wusste, dass das eigentlich üblich war. Sie hatte von Nachbarinnen schon einige Fotos vor die Nase gehalten bekommen.

      »Was ich Ihnen jetzt sage, wird Ihnen nicht gefallen. Sie müssen sich innerhalb der kommenden Woche entscheiden, welches der Kinder wir abtreiben sollen. Bitte erinnern Sie sich – Sie haben den Kolonisationsvertrag unterschrieben, und der enthält den Passus, dass pro Paar nur zwei Babys erlaubt sind.

      Das bedeutet, dass wir eines davon loswerden müssen. Ich empfehle, einen Jungen und ein Mädchen zu behalten. Sie sind alle drei gleich gut entwickelt, daher gibt es keine Notwendigkeit, ein bestimmtes Kind auszusuchen«, referierte der Arzt so sachlich, als spreche er über verschimmeltes Brot.

      Philipp und Swetlana glaubten, der Schlag müsse sie treffen.

      »A … aber … das kann doch nicht Ihr Ernst sein«, stammelte Swetlana verstört. »Das

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