Das Mainzer Schloss. Группа авторов
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Abb. 6: Dresden, Schloss, Ansicht nach Antonius Weck, 1680
Abb. 7: Berlin, Residenzschloss, Innenhof, Zeichnung von J. Stridbeck, 1690
Die Neubaukampagne ab 1628 als Reaktion auf das fürstliche Baugeschehen im Reich?
Wie lässt sich der Entschluss zu dem ab 1628 vorgenommenen großangelegten Ausbau des alten Mainzer Residenzschlosses erklären? Wenn wir die eingangs zitierten Äußerungen der frühneuzeitlichen Historiker und Staatstheoretiker oder des französischen Staatsministers und königlichen Baudirektors Ludwigs XIV., Jean-Baptiste Colbert, ernst nehmen, demzufolge die Schlossarchitektur ein Sinnbild fürstlicher oder königlicher Autorität und Würde sei, dann liegt der Gedanke nahe, dass dieses Sinnbild im Falle des alten Mainzer Schlosses zu Beginn des 17. Jahrhunderts nicht mehr so recht funktionierte. Doch war das Mainzer Schloss mit der alles beherrschenden Martinsburg 1628, dem Zeitpunkt der Neubaukampagne, tatsächlich schon so veraltet, dass die Mainzer Kurfürsten und das Erzstift befürchten mussten, bei ihren für die Regierungs- und Verwaltungsgeschäfte notwendigen Repräsentationsbauten den Anschluss zu verlieren? Damit diese Frage geklärt werden kann, ist ein Blick auf die höfische Bausituation im deutschen Reich erforderlich, um in Erfahrung zu bringen, wie es um die Residenzschlösser der übrigen deutschen Fürsten und Fürstbischöfe oder des Königs und Kaisers bestellt war.
Ein solcher Blick sorgt zunächst für eine Überraschung. Denn wer geglaubt hat, dass das Mainzer Kurfürstenschloss 1628 bereits hoffnungslos veraltet war und daher im Vergleich mit den Residenzen des Kölner oder Trierer Erzbischofs, des sächsischen, brandenburgischen oder pfälzischen Kurfürsten oder gar des Kaisers in Wien einer dringenden Auffrischung bedurfte, sieht sich mit einem überraschenden Befund konfrontiert: Im Jahr 1628 residierten noch nahezu alle der genannten Amtskollegen und politischen Konkurrenten in ihren alten, oftmals aus dem Mittelalter tradierten Burgen, Schlössern und Stadtresidenzen. Dies gilt beispielsweise für Dresden, wo der sächsische Kurfürst und immerhin Erzmarschall des Reiches immer noch im zuletzt 1548 erweiterten Stadtschloss (Abb. 6) residierte, oder für Berlin, dessen kurfürstliches Residenzschloss der brandenburgischen Markgrafen damals – 70 Jahre vor dem Umbau unter Andreas Schlüter – noch aus einer Anhäufung von unterschiedlichen Gebäuden unterschiedlicher Jahrhunderte bestand (Abb. 7), oder für das kurpfälzische Heidelberg (Abb. 8), auf dessen Schlossberg sich ähnlich wie in Berlin eine Vielzahl einzeln stehender Gebäude um den Schlosshof gruppierten.
Allerdings bemühte sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts besonders Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz, mit dem überaus ehrgeizigen und aufwendigen Projekt des Hortus Palatinus (Abb. 9) zumindest im Bereich der Gartenanlagen ein im Reich damals einzigartiges und umso prestigeträchtigeres Bauprojekt zu verwirklichen.21 1616 nach Plänen des Gartenarchitekten Salomon de Caus begonnen, sollte der Hortus Palatinus vor allem im Medium des Bildes – durch de Caus‘ 1620 publiziertes und mit 31 ganzseitigen Abbildungen ausgestattetes Stichwerk sowie Jacques Fouquières‘ Gemälde und Matthäus Merians danach angefertigte Kupferstichdarstellung – europaweite Beachtung erfahren.22 Die werbewirksame Publikation dieses Bauprojekts im Medium der Bilder war auch dringend geboten. Denn vollendet wurde der Hortus Palatinus nie, da dies der Dreißigjährige Krieg und die politisch-militärische Niederlage Friedrichs V., der sich 1619 zum König von Böhmen hatte wählen lassen, gegen die katholische Liga in der Schlacht am Weißen Berg 1622 verhinderten. Inwieweit diese von der Forschung immer noch zu wenig beachtete mediale Form des fürstlichen Architekturwettbewerbs auf das Baugeschehen am Mainzer Kurfürstenhof Einfluss ausübte, kann nach derzeitigem Kenntnisstand nur unzureichend eingeschätzt werden und bedürfte einer genaueren Untersuchung. Vermutlich hatten der Mainzer Kurfürst und sein Domkapitel aber den pfälzischen Kurfürsten selbst kurz zuvor mit einem ausgesprochen ehrgeizigen Bauprojekt unter Druck gesetzt, indem sie mit dem von Georg Riedinger ab 1604 anstelle der mittelalterlichen Burg neu errichteten Schloss Johannisburg in Aschaffenburg (Abb. 10) einen im Reich damals singulären und Maßstäbe setzenden Schlossbau realisierten und zusätzlich durch eine aufwendige, von Riedinger gestaltete Kupferstich-Publikation ab 1616, und damit im Jahr des Baubeginns des Hortus Palatinus, öffentlich bekannt machten.23
Abb. 8: Heidelberg, Schloss, Innenhof nach einer Ansicht des 17. Jahrhunderts vor der Zerstörung im Pfälzischen Erbfolgekrieg
Abb. 9: Heidelberg, Schloss mit Hortus Palatinus in einer Ansicht von Jacques Fouquières aus dem Jahr 1620
Abb. 10: Aschaffenburg, Schloss Johannisburg
Die Situation von nicht oder nur wenig modernisierten Residenzschlössern gilt aber erstaunlicherweise selbst für das wichtigste Residenzschloss des Kaisers aus dem Hause Habsburg, die Wiener Hofburg (Abb. 11), die nach den letzten Erweiterungen im 16. Jahrhundert bis etwa 1665 – und damit fast vierzig Jahre länger als das Mainzer Schloss – auf ihre Erweiterung durch Neubauten warten musste.24 Nur in Trier und Koblenz war einige wenige Jahre vor den Mainzer Erweiterungsmaßnahmen damit begonnen worden, die Residenzschlösser der Trierer Kurfürsten durch Neubauten zu ergänzen. So wurde in Trier ab 1615 unter der Bauherrschaft von Fürstbischof Lothar von Metternich die bestehende, noch aus dem Mittelalter überlieferte Schlossanlage einer tiefgreifenden Veränderung unterzogen und in das Areal der konstantinischen Palastaula eine neue Vierflügelanlage gesetzt.25 Von diesen Baumaßnahmen haben sich noch der Nord- und Ostflügel (Abb. 12) im heutigen Bestand erhalten. In Koblenz (Abb. 13), das in der Folge des Dreißigjährigen Krieges an die Stelle von Trier als Hauptresidenz der Trierer Kurfürsten trat, ließ Fürstbischof Philipp Christoph von Sötern ab 1626 am Rheinufer, gegenüber der Stadt und unterhalb der Festung Ehrenbreitstein, eine komplett neue, in ihren Ausmaßen monumentale Schlossanlage errichten – die Schaufassade besaß die eindrucksvolle Länge von 160 Metern!26