Das Mainzer Schloss. Группа авторов
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Abb. 11: Die Wiener Hofburg in einer Ansicht des 16. Jahrhunderts
Abb. 12: Trier, Kurfürstliches Residenzschloss, Ostflügel (ca. 1615–1635), links anschließend der Südflügel von 1756 ff.
Damit wird deutlich, dass die Neubaumaßnahmen am Mainzer Schloss von 1628 ff. zeitlich unmittelbar auf die entsprechenden Maßnahmen im benachbarten Kurtrier erfolgten und es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine direkte Reaktion des mit Kurtrier konkurrierenden Mainzer Erzbischofs und Erzstifts auf die Neubauprojekte in Trier und Koblenz handelte. Man könnte auch sagen, dass Kurmainz durch Kurtrier unter Zugzwang gesetzt wurde, das Erscheinungsbild seines nach Aschaffenburg wichtigsten Residenzschlosses in Mainz dem durch Trier und Koblenz vorgegebenen Anspruchsniveau anzupassen, um so weiterhin den von den Staatstheoretikern und Zeremonialwissenschaftlern des 17. und 18. Jahrhunderts formulierten Anspruch zu erfüllen, in der Pracht der Residenzarchitektur zugleich die Autorität und Würde des Fürsten widerzuspiegeln.27 Weitere wichtige Gründe dürften in Mainz die beengten Räumlichkeiten der alten Schlossanlage und die dringend benötigten repräsentativen Wohn- und Zeremonialräume gewesen sein, um auch künftig Staatsgäste in gebührender Weise empfangen und unterbringen zu können. Auf diesen Aspekt wird abschließend nochmals zurückzukommen sein.
Abb. 13: Koblenz-Ehrenbreitstein, Residenzschloss „Philippsburg“ des Kurfürsten von Trier unterhalb der Festung Ehrenbreitstein (Joseph Gregor Lang: Reise auf dem Rhein, 1789)
Abb. 14: Victori van Prag is seer kranck / Zustant des H. Römischen Reichs im Jahr 1622, Kupferstich 1622 (Herzog August-Bibliothek Wolfenbüttel, Inv. Nr. IH 102)
Nach allem was sich anhand der historischen und baugeschichtlichen Überlieferung erkennen lässt, war der Kurtrierer Fürstbischof gewissermaßen der Stachel im Fleisch des Mainzer Amtskollegen als Bauherr und trieb diesen zur Erneuerung seiner Residenz. Andererseits hatten der Mainzer Kurfürst Johann Schweickardt und das Mainzer Erzstift mit dem Neubau ihres Residenzschlosses Johannisburg in der Nebenresidenz Aschaffenburg (vgl. Abb. 10) erst wenige Jahre zuvor selbst Kurtrier unter Zugzwang gesetzt. Darauf reagierte nun offensichtlich ab 1615 bzw. 1626 Kurtrier, was wiederum Kurmainz zu einer erneuten Reaktion – dieses Mal in der Hauptresidenz Mainz – zwang. Bezeichnenderweise kamen die bedeutenden Bauprojekte aller anderen deutschen Fürstenhöfe erst mit gebührendem zeitlichem Abstand zum Zuge, was nicht zuletzt eine Folge des Dreißigjährigen Krieges und – in Wien – der Bedrohung durch die Türkenheere war.
Die vor allem durch den Dreißigjährigen Krieg verursachten katastrophalen politischen Verhältnisse, die im Reich für längere Zeit größere Bauprojekte in den Residenzstädten behinderten, wenn nicht gar verhinderten, vermag auf pointierte Weise ein Flugblatt zu illustrieren, das 1622 entstand, nur sechs Jahre vor Beginn der Neubaumaßnahmen am Mainzer Schloss.28 Das Flugblatt (Abb. 14) zeigt Germania, die Personifikation des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation, auf dem Krankenlager liegend, umstanden von Reichsvertretern, die sich auf der linken Seite scheinbar hingebungsvoll mit Aderlass und Wadenwickeln um ihre Genesung bemühen (gleichwohl sich der Kaiser von links mit einem Giftfläschchen nähert), während ihr von der rechten Seite genau das Gegenteil widerfährt und ihr mit offensichtlich roher Gewalt in Herz und Kopf der Todesstoß versetzt wird. Victori van Prag is seer kranck ist dieses Flugblatt am oberen Rand betitelt, und die Fußzeile weist den Betrachter ganz unverblümt darauf hin, dass er auf den Zustant des H. Römischen Reichs im Jahr 1622 blickt. Es ist das Schicksalsjahr 1622, in dem die kaiserlichen Truppen der katholischen Liga in der Schlacht am Weißen Berg die Truppen der aufständischen protestantischen böhmischen Stände vernichtend schlugen und in der Folge nicht nur die Vertreter der böhmischen Stände, sondern auch der zum böhmischen König gekrönte Friedrich V. von der Pfalz, der sogenannte Winterkönig, aus Prag flüchten mussten.
Abb. 15: Gotha, Schloss, Ansicht von der Landseite
Abb. 16: Das Weimarer Schloss als Dreiflügelanlage, Stahlstich von J. W. Appleton nach einer Vorlage von Otto Wagner, um 1845
Abb. 17: Schloss Weißenfels (Sachsen-Anhalt), Ansicht des Schlosshofs mit restaurierten und nicht restaurierten Flügeln (Zustand 2007)
Angesichts solcher Zustände ist es nicht weiter verwunderlich, dass außer in Trier und im wenig später nachfolgenden Mainz bedeutende Neubaumaßnahmen an bestehenden fürstlichen oder königlich-kaiserlichen Residenzschlössern im Reich erst kurz vor und nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges in Angriff genommen wurden. Hierzu gehören in dieser zeitlichen Reihenfolge folgende Schlossbauten, von denen auffälligerweise die meisten in den ehemaligen Herzog- bzw. Kurfürstentümern Thüringen und Sachsen liegen: 1642 das anstelle einer auf kaiserlichen und kursächsischen Befehl geschleiften Burganlage neu errichtete Schloss Friedenstein oberhalb von Gotha (Abb. 15), das den Herzögen von Sachsen-Weimar-Gotha als Residenz diente; 1651 das nach einem Brand neu errichtete, ebenfalls den Herzögen von Sachsen-Weimar-Gotha zugehörige Residenzschloss in Weimar (Abb. 16); 1660 Schloss Neu-Augustusburg oberhalb von Weißenfels (Abb. 17), dass als Residenzschloss der sächsischen Sekundogeniturherrschaft von Sachsen-Weißenfels diente; ab 1664 das als Nebenresidenz der brandenburgischen Kurfürsten genutzte Schloss in Potsdam (Abb. 18); gegen 1665 schließlich die Wiener Hofburg, an die Kaiser Leopold I. einen neuen Flügel, den nach ihm benannten Leopoldinischen Trakt (Abb. 19), anbauen ließ. Erst ab 1688 errichtete Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel sein neues und durch Stichwerke weithin bekanntgemachtes Residenzschloss Salzdahlum (Abb. 20),29 und noch später, ab 1697, erfolgte der monumentale Ausbau der Residenz des Bamberger Fürstbischofs (Abb. 21), Lothar Franz von Schönborn, der seit 1695 in Personalunion zugleich Kurfürst von Mainz war.30 Damit kann mit hinreichender Deutlichkeit aufgezeigt werden, dass das Mainzer Kurfürstenschloss mit seinen Erweiterungsmaßnahmen von 1628 ff. eines der wichtigsten und frühesten Neubauprojekte höfischer Regierungsarchitektur im deutschen Reich des 17. Jahrhunderts überhaupt gewesen ist. Wie gesagt: Nur die Neubauten der Residenzschlösser in Trier bzw. Koblenz erfolgten wenige Jahre früher.
Abb. 18: Potsdam, Stadtschloss, Ansicht um 1700, Kupferstich (Amsterdam, Rijksmuseum)