Das Mainzer Schloss. Группа авторов

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Das Mainzer Schloss - Группа авторов страница 12

Das Mainzer Schloss - Группа авторов

Скачать книгу

19: Die Wiener Hofburg in einer Ansicht des 18. Jahrhunderts, Gesamtanlage mit der alten staufischen Kastellburg (sog. Schweizerhof) und dem Leopoldinischen Trakt, Ausschnitt aus einer Ansicht Wiens von Joseph Daniel Huber, 1769–1772 (Albertina, Wien)

      Abb. 20: Salzdahlum, Residenzschloss, Ansicht um 1700, Kupferstich (Berlin, Staatliche Museen, Kupferstichkabinett)

      DAS ANFÜGEN VON LANGGESTRECKTEN FLÜGEL - BAUTEN ALS MUSTER FÜR SCHLOSSERWEITERUNGEN IM 17. UND 18. JAHRHUNDERT

      Nachdem die architekturgeschichtliche Bedeutung oder, um in der höfischen Terminologie der Frühen Neuzeit zu sprechen: der architekturgeschichtliche „Rang“ des Mainzer Kurfürstenschlosses geklärt werden konnte, gilt die abschließende Frage der konkreten baulichen Gestalt, die der Neubaumaßnahme in Mainz zugrunde lag. Denn anders als beim Aschaffenburger Schloss Johannisburg, das nur wenige Jahre vorher, ab 1604, die vorhandene ältere Burganlage nahezu vollständig dem Erdboden gleichmachte und nur noch den mittelalterlichen Burgturm im Neubau bewahrte, wurde in Mainz die nach der Mainzer Stiftsfehde von 1461/1462 ab 1477/1478 errichtete und ab 1556 nach Kriegszerstörungen umfassend erneuerte Martinsburg weitgehend unangetastet belassen und stattdessen von Süden her ein neuer Flügel an die spätmittelalterliche Burg angebaut (Taf. 1). Dass dieser Verzicht auf einen weitgehenden Abriss der Martinsburg sich nicht einfach mit ökonomischen Gründen erklären lässt, sondern vermutlich dem politischen Symbolcharakter der alten Bischofsburg geschuldet war, belegt ein Blick auf die bereits gezeigte Wiener Hofburg (vgl. Abb. 11).31 Schon im 17. und 18. Jahrhundert wollten eine Reihe namhafter Architekten, darunter so klangvolle Namen wie Fischer von Erlach und Lukas von Hildebrandt, die bestehende, im Kern noch stauferzeitliche Hofburg abbrechen, um an ihre Stelle ein Prachtschloss zu setzen, dessen imperiale Ausmaße selbst Schloss Versailles in den Schatten gestellt hätten. Doch nichts geschah. Jeder Kaiser, von Leopold I. über Kaiserin Maria Theresia bis hin zu Joseph II. ließ sich zwar immer wieder verlockend schöne Entwurfszeichnungen vorlegen, doch der vor ihnen in Gestalt der Pläne ausgebreiteten Verführung zu einem radikalen Bruch mit dem Altüberlieferten erlagen sie nie. Stattdessen ließen sie an die mittelalterliche Hofburg moderne langgestreckte und prachtvoll durchfensterte Flügelbauten anbauen, als Erstes um 1665 den sogenannten Leopoldinischen Trakt (Abb. 22), ganz so, wie es auch bei der Mainzer Martinsburg geschah!32

      Wie lässt sich dieses Verhalten selbst kaiserlicher Bauherren, denen es ganz sicher nicht an finanziellen Ressourcen für komplette Neubauten gemangelt hat, erklären? Wie die Quellen zeigen, ist das im deutschen Reich, aber auch in den anderen europäischen Territorien der Frühen Neuzeit übliche Verfahren, traditionsreiche Schlossbauten nur in seltenen Fällen für Neubaumaßnahmen komplett abzureißen, vor allem dem familien- oder institutionengeschichtlich geprägten Verständnis von Schlossarchitektur geschuldet.33 So waren Schlossbauten – wie auch Ahnengalerien und fürstliche Sammlungen – Teil der adligen „Erinnerungskultur“34 und hatten Anteil am dynastischen oder institutionellen Gedechtnuß.35 In diesem System des dynastischen oder institutionellen Gedechtnuß wurde das Schloss wie ein architektonischer Körper – beispielsweise eines Erzstiftes – verstanden.36 Als ob die Mauern des alten Schlosses eine materielle Hülle, eine Art architektonischer corpus für den von alters her bestehenden Familien- oder Institutionenverband bilden sollten, wurden sie in der Regel bei Neubaumaßnahmen zwar verjüngt und aufgefrischt und auch mit Neubauten ergänzt, doch nie vollkommen zerstört. Man könnte auch von einer besonderen Form adeliger bzw. fürstlicher Denkmalpflege sprechen und hierin eine wichtige Grundlage der modernen staatlichen Denkmalpflege erkennen!

      Mit diesen Prämissen der adelig-fürstlichen Erinnerungskultur lässt sich auch die Bewahrung der Mainzer Martinsburg erklären, wobei in Mainz noch der besondere Symbolcharakter als Erinnerung an die Mainzer Stiftsfehde von Bedeutung gewesen sein dürfte.37 Die überlieferten Quellen machen darüber hinaus sogar explizit deutlich, dass die alte Martinsburg das architektonische Sinnbild für die mit dem Erzbistum und Erzstift verbundene Landesherrschaft war, deren Rechte nach damaliger Rechtsauffassung materiell mit der Burg als Mittelpunkt des Territoriums verbunden waren.38 So betitelt ein gedrucktes Gratulationsschreiben, das anlässlich des Mainzer Stadteinzugs des neuen Erzbischofs Lothar Friedrich von Metternich-Burscheid am 13. März 1673 erschien, das steinnern Schloß/ zu Mayntz ahm Rhein=Strom als Schmuck deß Landes, in dessen Mauern in Gestalt des Erzbischofs das Liecht deß Ertzstifftes […] wohnt.39 Und nach der Aufhebung des Erzbistums durch Napoleon wies 1819 der Historiker Franz Joseph Bodmann – mit Blick auf die Inbesitznahme der Martinsburg durch einen neuen Fürstbischof als Höhepunkt der zeremoniell bedeutsamen Inthronisationsfeierlichkeiten – darauf hin, dass die feyerliche Überantwortung dieser […] Burg […] das Symbol der Besitzergreifung der gesammten erzstift. Landen, und der Stadt Mainz gewesen war.40

      Ungeklärt bleibt allerdings, weshalb sowohl in Mainz als auch in Wien bei den an die alten Burganlagen angefügten Neubauten die Form der auffällig langgestreckten Flügelbauten gewählt wurde. In Mainz sind es zwei Flügel: der unter Kurfürst Georg Friedrich von Greiffenclau 1628 begonnene Südostflügel und der unter Kurfürst Anselm Franz von Ingelheim 1687 begonnene und erst sehr spät, 1752, unter Kurfürst Johann Friedrich Carl von Ostein vollendete Nordwestflügel. Der Grund für die Errichtung langgestreckter Flügelbauten ist in neuen, gegenüber dem 15. und 16. Jahrhundert deutlich veränderten Raumansprüchen zu sehen, die nicht nur die Größe der Räume betraf, sondern vor allem auch deren Abfolge. Raumgröße und Raumabfolge wiederum waren nicht einfach nur dem Wunsch nach mehr Platz und Komfort geschuldet, sondern besaßen ihre Ursache in der repräsentativen und zeremoniellen Funktion eines Residenzschlosses als Regierungs- und Verwaltungsgebäude für den Fürsten und seine Regierung, bei nichtgeistlichen Fürstenherrschaften auch noch für die Familie des Fürsten. Und nicht zu vergessen ist die Funktion als Empfangsgebäude und Gästehaus für mehr oder minder hochrangige (Staats-)Gäste, die je nach Rang und Titel angemessen empfangen und unter Umständen auch für mehrere Nächte untergebracht werden mussten.41 Vor allem im 17. Jahrhundert hatte sich der Raumbedarf für diese vielfältigen Funktionen enorm gesteigert, was insbesondere den Bereich der Empfänge, Audienzen und der Unterbringung der Gäste betraf. Hier mussten die deutschen Fürsten sich seit dem 17. Jahrhundert zunehmend an den Maßstäben des französischen Königshofes und seines Zeremoniells sowie Protokolls orientieren, selbst wenn die jüngere Residenzenforschung nachweisen konnte, dass die deutschen Fürstenhöfe das französische Vorbild nur in eng begrenztem Umfang übernahmen.42 Im Vergleich zu den Ansprüchen des französischen Hofes wie sie in Paris oder später in Versailles zelebriert wurden, blieben die deutschen Höfe – selbst des Kaisers in Wien – immer noch bescheiden!

      Abb. 21: Bamberg, Neue Residenz, Ansicht vom Domplatz

      Abb. 22: Wien, Hofburg mit 1665 angebautem Leopoldinischem Trakt, Kupferstich, Ausschnitt aus Daniel Suttinger: Türkische Belagerung, 1683

      Zu den von Frankreich her übernommenen Raumansprüchen gehörte die dort schon seit längerem übliche Einrichtung von mehrräumigen Appartements, die sowohl aus der Aneinanderreihung als auch der Verbindung mehrerer Räume bestanden. Zu den charakteristischen Bestandteilen dieser Appartements gehörten mindestens eine den Haupträumen vorgelagerte Anti-Chambre, ein Vorzimmer, in dem der Fürst beispielsweise seinen Gast – je nach Rang und Status – warten lassen oder ihm entgegenkommen konnte,

Скачать книгу