Brennpunkt Ukraine. Christian Wehrschütz

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Brennpunkt Ukraine - Christian Wehrschütz страница 11

Brennpunkt Ukraine - Christian Wehrschütz

Скачать книгу

vorlag. Wie Sie gut wissen, erkenne ich das schreckliche humanitäre Problem an, das wir damals hatten, aber: Wenn wir auf absolute Rechtmäßigkeit in unseren internationalen Maßnahmen bestehen, waren es die NATO und die USA, die diese dann verletzten – so ja auch der Vorwurf Putins. Er geht allerdings noch einen Schritt weiter und annektiert tatsächlich die Krim, anstatt sie einfach als unabhängig anzuerkennen. Und natürlich verletzte auch die amerikanische Invasion im Irak die völkerrechtlichen Standards. Damals dachten wir, dass wir einen guten Grund dafür hätten. Ich persönlich habe dies nicht geglaubt, aber die Sache ist, denke ich, die: Putin kann nun diese Präzedenzfälle, nicht streng nach den völkerrechtlichen Normen zu handeln, nehmen, um zu sagen: Dies gibt mir das Recht, auch die Normen zu brechen, wenn ich sehe, die Situation rechtfertigt dies. Ich glaube nicht, dass diese Logik richtig ist, aber besonders wir Amerikaner und auch andere NATO-Mitglieder sollten bedenken, dass wir selbst in der Vergangenheit bei der Einhaltung all dieser abstrakten Prinzipien nicht so streng waren.

      Abgesehen von einem abstrakten Interesse am Recht des ukrainischen Volkes auf seine Unabhängigkeit, haben wir kein wesentliches Interesse an der Ukraine. Und es scheint mir, dass der Versuch, die Haltung von jenen Kreisen im Westen zu stärken, die eindeutig anti-russisch in ihrer Sicht sind, keine kluge Politik war. Denn entsprechend ihrer Lage wird die Ukraine immer wichtiger für Russland sein als für die weiter entfernten USA. Genauso wie auch Nordkorea viel wichtiger für China ist als für die USA.

      Aber ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass die USA und die EU vollständig transparent mit den Russen arbeiten, um die Ukrainer zu ermutigen, ihre eigenen Bereiche zu entwickeln und das Land nicht zu teilen. Der wirtschaftliche Druck, den Russland auf die Ukraine ausübte, vor allem im letzten Jahr, und der Versuch, sie vom Abkommen mit der EU abzuhalten, denke ich, war absolut unangebracht. Ich glaube nicht, dass das tatsächlich im Interesse Russlands ist. Aber es scheint mir, was all das treibt, sind die Aussicht, dass, wenn jene im Westen die Kontrolle über die Ukraine weiterhin halten, die Ukraine ein NATO-Mitglied werden dürfte, und die Tatsache, dass wir noch nie bereit waren, diese Linie wirklich zu ziehen – ich meine mit „wir“ die NATO als Ganzes. Ich kann mir nicht vorstellen, wie die europäischen Verbündeten der NATO jemals erlauben werden, die Ukraine einzubinden. Dennoch denke ich, dass die Russen dies befürchten. Putins Aussagen über die Marinebasis in Sewastopol machten ziemlich klar, dass er bei den Verhandlungen mit der EU einfach die Art von Vorteil sah, die Ukraine in die NATO einzubinden – und das Nächste, was passieren würde: Sewastopol würde zu einer US-Marinebasis. Das war sein Albtraum und er machte Aussagen in diese Richtung. Ich glaube nicht, dass das je realistisch sein könnte, aber einige unserer Maßnahmen und Strategien haben diese Wahrnehmung wohl unterstützt. Ich verstehe nicht, warum Kiew nicht verstehen konnte, wer immer in Kiew war, dass das eine Sache ist, die sie nicht tun können: um die Mitgliedschaft in der NATO zu buhlen. Keine russische Regierung kann das akzeptieren.

       Aber auf der anderen Seite ist Georgien zwar nicht NATO-Mitglied, aber es gibt eine sehr enge militärische Zusammenarbeit zwischen den USA und Georgien. Auch wenn die Ukraine nicht Mitglied der NATO wird, kann diese eine sehr enge militärische Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten anpeilen. Das wäre wohl ein weiterer Albtraum für die Russen?

      Sie würden sich darüber Sorgen machen, ja. Ich denke, dass wir in Georgien zu weit mit unserer militärischen Zusammenarbeit gegangen sind. Zuerst haben wir Putins Genehmigung erhalten, als wir einige Ausbilder schickten, denn das war, um eine gewisse Kontrolle über die Grenzen wiederzuerlangen. Die ganze Situation ist sehr komplex, aber es scheint mir, dass vor allem während der Bush-Regierung, als Georgien Truppen in den Irak schickte, die Georgier zu einem bestimmten Zeitpunkt das drittgrößte Kontingent dort waren. Wir haben viel in militärische Hilfe gesteckt. Ich glaube, wir haben Saakaschwili40 nicht geraten, Südossetien anzugreifen, aber Tatsache ist, dass die georgischen Aktionen in der Wahlkampagne von McCain41 2008 Unterstützung fanden. Die Sache war, so denke ich, ein Fehler. Wir hätten den Georgiern klarmachen sollen, dass sie nicht in der Lage sein werden, das Problem in Abchasien oder Südossetien mit Gewalt zu lösen. Sie hätten ihre Wirtschaft aufbauen und ihre Seite der Grenze attraktiver als die andere machen müssen. Schewardnadse42 hat das wohl verstanden, aber Saakaschwili offenbar nicht. Ich denke, wir haben auch zu viel Militärhilfe gegeben. Ich glaube aber nicht, dass der Zweck der war, dort amerikanische Stützpunkte zu errichten. Zumindest unser Militär ist den Russen aus dem Weg gegangen, um sicherzustellen, dass die Russen verstanden, dass wir die Dinge nicht heimlich hinter ihrem Rücken taten.

      Wie sehen Sie jetzt die Entwicklung, nachdem die Ukraine das Assoziierungsabkommen unterzeichnet hat? Denken Sie, dass dieser Zeitraum von zehn Jahren, in dem die Ukraine ihre Wirtschaft an die europäischen Standards anzupassen hat, eine Art von Entscheidung für die weitere Orientierung der Ukraine bringen wird? Gibt es etwas, das getan werden kann, dass Russland endlich damit leben kann? Denn die Russen argumentieren damit, dass die US-Wirtschaftsinteressen durch diese Vereinbarung versteckt werden. Wie denken Sie darüber?

      Das ist schwer vorherzusagen. Es ist offensichtlich: Solange die Ukraine nicht zusammenwächst und ein Land ist, wird es sehr schwer sein, diese Reformen durchzuführen. Auch unter den besten Umständen. Ein Problem ist, denke ich, das wirtschaftliche Defizit des ganzen Landes und das Ausmaß der Unterstützung, das es von außen bekommen wird. Ein weiteres Problem ist, dass vor allem die östliche Ukraine sehr abhängig von russischem Gas und russischer Energie ist, die für einen Großteil dieser Zeit unterhalb der Marktpreise geliefert wurde. Viel davon wurde einfach verschwendet, es gab keine Entwicklung der Wirtschaft. Viele dieser wirtschaftlichen Gründe bedeuten, dass die Art von Reformen, welche die EU und der IWF fordern werden, äußerst schwierig durchzuführen sein werden, selbst wenn man Russland nicht miteinbezieht. Nun, wenn man versucht, die Reformen in einer Weise durchzuführen, dass Russland der Auffassung ist, sie seien gegen seine Interessen, dann hat es offensichtlich die Mittel, sie undurchführbar zu machen. Lassen Sie uns realistisch sein, auch hier weiß ich nicht, wie man es vorhersagen kann.

      Aber es scheint mir, wenn die EU und die USA von Anfang an (ich meine, mindestens ein Jahrzehnt zurück) abgestimmt hätten, welche Vorschläge wir als Unterstützung für die Modernisierung der Wirtschaft in der Ukraine zu machen hätten, hätten wir Russland die gleichen Vorschläge gemacht. Denn Russland braucht die gleichen Reformen. Wenn Russland die Ukraine in so etwas wie die Wirtschaftsunion sperrt, die Putin vorschlägt, wird das das ganze Gebiet zurückhalten. Ich meine, es wird in einem viel kleineren Bereich, etwa der Sowjetunion, sein und es wird scheitern. Das ist schade, weil man vor Ort einfach die Kontrolle der Oligarchen stützt und man sieht ein korruptes System, das sich von beiden Ländern ernährt. Sie leiden beide unter einer unzureichenden Reform des Sowjetsystems. Seien wir ehrlich, in vielerlei Hinsicht ist die Ukraine nicht so weit wie Russland in den Reformen gegangen. Daher ist dies eine sehr schwierige Frage. Ich denke, es ist bedauerlich, dass offenbar nicht erkannt wurde, dass es praktisch gesehen keine Alternative dazu gibt, diese Dinge in Zusammenarbeit mit Russland zu tun. Denn wenn sie sie als unvereinbar mit ihren Interessen ansehen, haben sie viele Mittel, sie zu untergraben und nicht zu unterstützen. Zudem war die Elite in beiden Ländern bis vor fünfundzwanzig Jahren die gleiche, die gleiche Einrichtung, die gleichen Sicherheitsleute usw.

      Es erscheint mir daher sehr bedauerlich, dass sich dies aufgrund der Aktionen vor allem von Russland, aber auch der EU und den USA, zu einem Tauziehen entwickelt hat, wer die Kontrolle über die Ukraine bekommt. Und Russland wird dem Westen, und insbesondere den USA, nicht erlauben, vorherrschenden Einfluss über eine vereinte Ukraine zu gewinnen. Sie haben die Mittel, um zu vermeiden, dass das geschieht. Ich meine, in realistischer Anerkennung dessen hätte man in erster Linie bei der letzten Stufe der NATO-Erweiterung sagen sollen: „Okay, das ist es, es geht nicht mehr weiter, es sei denn, Russland wird dabei miteinbezogen.“ Mit anderen Worten: Die NATO hätte nicht engere Beziehungen mit der Ukraine oder, ich würde sagen, Georgien als Russland haben sollen. Ich denke, das ist einfach nur realistisch, denn solange es bezüglich der damit verbundenen Sicherheitsaspekte keine Entspannung gibt, werden sie die wirtschaftliche Integration nicht akzeptieren. Nun, denke ich, sie haben mit Finnland und mit Schweden gezeigt, wenn es keine Frage der NA-TO-Erweiterung

Скачать книгу