Brennpunkt Ukraine. Christian Wehrschütz

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Brennpunkt Ukraine - Christian Wehrschütz

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andernfalls werden sie in einem oder zwei Jahren eine sehr enttäuschte Bevölkerung haben. Es ist schwer abzusehen, wie sie alle diese Erwartungen erfüllen werden. Auch wer immer die Kontrolle über den Donbass erhält, wird das tun, was diese Leute erwarten, und das wird eine Menge Geld kosten.

      Ich sehe eine Menge Ärger voraus und denke, dass Putins Sorgen intern viel ernster sein werden als alle Sanktionen, die der Westen ihm auferlegen kann. Obwohl ich verstehe, dass der Westen, wenn er entscheiden sollte, dies zu tun, das russische Finanzsystem schwächen kann. Das ist etwas, wo sie echte Hebelwirkung haben. Ich glaube nicht, dass es klug wäre, dies zu tun. Ich bin mir sicher, dass die meisten Mitglieder der EU es nicht zu weit treiben wollen – natürlich wie wir alle. Die EU hat ein viel stärkeres wirtschaftliches Engagement in Russland als die USA und würde einen viel höheren Preis zahlen, wenn es zentrale Sanktionen geben würde, die wirklich der russischen Wirtschaft schaden würden. Die bisherigen Sanktionen zielen hauptsächlich auf Personen und sind nicht so wichtig. Ich denke, sie sind vor allem für inländische Wahlkreise – damit man etwas tut. Aber ich hoffe, dass der Westen auf zentrale Sanktionen verzichtet, weil ich denke, dass man am Ende dem ganzen Land schadet, es weiter isoliert und einen wirklich „kranken Mann“ im Osten schafft.

       Aber auf der anderen Seite scheint mir das sehr deutlich, und Sie haben erwähnt, dass Russland ein enormes finanzielles Problem haben wird, die Krim, Donezk und Lugansk aus wirtschaftlicher Sicht wiederherzustellen. Ich sehe daher keinen realistischen Grund, warum Russland daran interessiert sein sollte, den Donbass zu übernehmen. Auf der anderen Seite, wie kann man eine Lösung finden, bei der Putin sein Gesicht nicht verliert?

      Nun, ich würde zunächst sagen, die Einheit der Ukraine muss in der ersten Instanz von Ukrainern selbst geschaffen werden. Solange sie dies nicht tun, gibt es nicht viel, was irgendjemand von außen, ob es nun die Russen sind oder die EU oder die USA, für sie tun kann. Das, denke ich, müssen wir bedenken. Wenn ich die amerikanische Politik machen würde, hätte ich die ganze Zeit die Ukrainer dahingehend beraten, dass sie, wenn sie unsere Unterstützung wollen, sich zur Neutralität verpflichten müssen. Ich meine, wir haben die Russen aus Wien weggeholt, indem Österreich nach dem Schweizer Vorbild zu dieser Zeit neutral wurde. So gibt es jede Menge Präzedenzfälle – und warum wir nicht drängen, das weiß ich nicht. Aber bisher, Sie wissen es, ist die Antwort, dass jedes Land das Recht haben sollte, die Mitgliedschaft zu beantragen. Das mag so sein, aber das bedeutet nicht, dass man sie nehmen muss. Und sicherlich würde ich vor dem amerikanischen Kongress argumentieren, dass wir nie ein Land wie die Ukraine in die NATO nehmen und seine Sicherheit garantieren sollten, weil es nicht eine völlig einheitliches Land ist. Es hat interne Probleme. Warum sollten wir unseren eigenen guten Glauben auf das Spiel setzen, wenn sie nicht ihre eigenen Probleme gelöst haben? Es geht wirklich darum: Können es die Ukrainer?

      Was die Russen erbeten haben, war zumindest an der Oberfläche nicht unvernünftig. Es scheint mir, dass wir, die EU und die USA, die Ukrainer dahingehend hätten drängen sollen, das zu akzeptieren. Das war erstens, dass Russisch den gleichen Status wie Ukrainisch als Amtssprache haben sollte, vor allem in jenen Bereichen, in denen diese Sprache weit verbreitet gesprochen wird. Zweitens, dass das Land entweder ein föderales System übernimmt oder ein System mit sehr erheblicher lokaler Kontrolle über die lokale Politik. Es scheint mir, es gibt keinen Grund dafür, dass die Provinzen der Ukraine nicht mindestens so viele Rechte haben sollten, wie sie die US-Bundesstaaten haben. Warum das für die Ukrainer im Westen des Landes so nicht nachvollziehbar ist, verstehe ich nicht. Denn das ist der einzige Weg, auf dem sie ein Gefühl der Einheit im Land schaffen können: die Vielfalt in vielen Bereichen zu erlauben, aber dabei immer noch die Treue zum Gesamtstaat zu bewahren. Dann war die dritte Bedingung, dass es dort eine Zusage – eine rechtlich bindende Zusage – der Neutralität geben sollte, dass die Ukraine nicht Teil eines anderen Militärbündnisses werden darf. Ich sehe da nichts, was an diesen Prinzipien falsch sein sollte. Die Ukrainer meinen, Russland erstelle ein föderales System, um zu versuchen, die östlichen Provinzen von ihnen wegzuziehen – ich weiß nicht, wie man das beantworten soll.

      Abgesehen davon: Angesichts der Unterschiede, welches andere System würde fair sein? Welches andere System wird die Einheit schaffen? Aber ich habe keinen der führenden EU- oder US-Unterhändler gesehen, der in der Tat diese Prinzipien befürwortet, und ich verstehe nicht, warum. Jetzt kann es sein, dass Dinge leise geschehen, über die ich nichts weiß. Ich will also kein Urteil fällen, aber wenn man sagt, wie es umgesetzt werden könnte, scheint es mir, dass diese Grundprinzipien, die die Russen vorgebracht haben, wenn sie wirklich durchgeführt würden, einen Rahmen bieten könnten, den Russland akzeptieren würde. Und wenn das stimmt, dann sollten Außenstehende wirklich Druck auf die Ukrainer ausüben, einen Weg zu finden, dies zu erreichen.

       Selbst wenn dieser Konflikt nächste Woche stoppen würde, haben wir enorme Probleme vor uns – die Abrüstung von verschiedenen militärischen Gruppen, Wiederaufbau und Sozialwirtschaft, die Rückkehr der Flüchtlinge. Wer könnte dies organisieren und in welcher Weise? Könnte die OECD eine solche Rolle spielen, weil jemand eine Art neutraler Beobachter sein muss?

      Sie haben recht. Nun, ich weiß nicht – es gibt einen UN-Ausschuss für Flüchtlinge, aber dieser wird natürlich vollständig von Syrien, Irak, Palästina in Anspruch genommen. Es gibt schon so große Probleme in der Welt, vor allem im Nahen Osten … Aber ich würde eine aktivere Rolle der OECD begrüßen, weil Russland ein Teil davon ist. Und ich denke im Allgemeinen, dass es sinnvoll wäre, wenn alle Seiten eine Vermittlung annehmen würden. Vielleicht ist es besser, wenn diese Organisation, und nicht die EU, einen Großteil der Verhandlungen führt. Wenn Außenstehende nur die eine Seite oder die andere unterstützen, spaltet man weiterhin die Ukraine. Die Ukrainer müssen irgendwie einen Weg finden, sich auf eine Weise wieder zusammenzutun, die akzeptabel ist.

      Wenn man die Situation vor acht oder neun Monaten betrachtete, hatte ich den Eindruck, dass Janukowitsch die Vereinbarung mit der Europäischen Union unterzeichnen wollte. In dieser Zeit gab es eine hohe Ignoranz auf Seiten der Ukraine, der Vereinigten Staaten und des IWF. War die Ukrainekrise nicht auch ein Zeichen für eine große Katastrophe der EU-Außenpolitik? Für ihre Politiker und für die USA, aber vor allem für die EU? Hätte man diese Krise nicht verhindern können, wenn die EU der ukrainischen Regierung angeboten hätte, was sie nun anbietet?

      Mir sind nicht alle diplomatischen Details, insbesondere das, was Moskau nicht gesagt wurde, bekannt genug, um dies zu beurteilen. Alle Seiten haben Fehler gemacht, indem sie zuließen, dass die Krise zu einem Ost-West-Konflikt geworden ist und dies zur Teilung der Ukraine geführt hat. Auf dieser Basis gibt es, realistisch gesehen, keine gemeinsame Lösung.

      Vielleicht wurden ja große Anstrengungen unternommen, um die Russen zufriedenzustellen, und die Russen waren dennoch nicht zufrieden, ich weiß es nicht. Die Ukraine muss erst einmal intern eine Einigung bei diesen Fragen finden, die die meisten Ukrainer in Ost und West unterstützen können. Und dann müssen sie zumindest Duldung von Russland bekommen. Es scheint mir, dass es diplomatische Wege gibt, durch die dies in der Vergangenheit hätte erarbeitet werden können. Immer dann, wenn die Dinge total zusammenbrechen, wird es viel schwieriger.

      Die Mechanismen sind immer noch da. Lawrow und Kerry treffen sich offenbar noch, der Mechanismus für die Beratung ist da, zweifellos treffen sich die westlichen Führer noch – auch mit Putin und auch mit den Ukrainern. Wir haben die Kommunikation nicht völlig abgeschnitten. Ich denke schon, dass die echte Verhandlung ruhig verlaufen muss und nicht auf einer öffentlichen Plattform stattfinden soll, weil die Reaktionen auf die Innenpolitik in der Öffentlichkeit häufig nicht zu einer Einigung verholfen haben. Gefragt ist nun die stille Diplomatie. Sie muss die Russen mit einschließen, aber das Entscheidende ist, was die Ukrainer bereit sind, unter sich zu entscheiden. Das, was Russland fordert, sollte etwas sein, was die Ukrainer auch einhalten können. Und wenn der Westen, die USA und die EU, als Bedingung für ihre Hilfe diese interne Klärung von der Ukraine als Voraussetzung fordern, könnte das ebenfalls hilfreich sein. Aber nach dem, was ich an öffentlichen Äußerungen sehe, ist die Krise immer noch zu

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