Schule aus, Neuseeland ruft 2.. Philip Raillon

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Schule aus, Neuseeland ruft 2. - Philip Raillon

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So kann es nicht weitergehen, da sind wir uns einig. Die Alternativen sind für einige Zeit getrennte Wege zu gehen, so dass ich außerhalb von Christchurch einen Job auf dem Land finden kann, oder die Zelte in der Stadt abzubrechen und weiterzureisen. Wir entscheiden uns für Letzteres; die andere Möglichkeit haben wir wohl beide nie wirklich in Erwägung gezogen. Ich schreibe daher erneut Wwoofing-Farmen an, so habe ich in den Büchereien wenigstens etwas Sinnvolles zu tun und kann das kostenlose Internet nutzen. Unsere präferierten Adressen reagieren nicht, dafür lädt uns eine andere Familie für das Wochenende zu sich ein. An Marias letztem Arbeitstag meldet sich dann bei mir doch noch ein Supermarkt, der einen Bäckerassistenten für zwei Jahre braucht, was natürlich viel zu lang ist. Wir verlassen also Christchurch. Zum Abschied am New Brighton Parkplatz kriege ich noch den Schiss eines Albatros ab – schlimmer wird’s wohl nimmer. Obwohl, und das ist ein Zeichen für Heimatgefühl, ich die Wege mittlerweile schon ohne Karte finde, wollen wir so schnell nicht mehr zurückkommen. Ob das klappt?

      Unwetter über Lake Ohau

      Tekapo, Aoraki/​Mount Cook und Twizel: Richtung Cromwell

      Unser Ziel für die nächste Wwoofing-Station ist Cromwell in Central Otago. Um dorthin zu kommen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Wir haben uns für den Weg durchs Inland entschieden und brechen Richtung Lake Tekapo auf. Wir fahren über den „Scenic Drive“, State Highway 72, um etwas zu sehen. Tun wir aber nicht, denn der Mount Hutt, die anderen Berge samt Skigebieten und auch sonst vieles verschwinden im Regen und den tiefhängenden Wolken. Immerhin ist der Rakaia River mit seinem milchigen Wasser noch immer beeindruckend türkis. Das Wasser strahlt trotz des schlechten Wetters in dem unnatürlichen Blauton – und das über die gesamte Breite: Ein Stopp ist ein Muss! Wir fahren sogar mit dem Van auf das Flussbett und stellen ihn auf dem Schotter, nur zwei Meter vom Wasser entfernt, ab. Ja, das ist möglicherweise etwas leichtsinnig, aber es waren ja schon vorher (Geländewagen-)Spuren dort. Bei der Weiterfahrt sehen wir immer wieder Vans, die irgendwo an diesem nur spärlich befahrenen Highway campen. Auch wir schauen uns zwei Picknickstellen an. Allerdings liegen dort die Bäume entweder schon auf dem Boden oder hängen noch gefährlich ineinander fest. Der Sturm hatte offenbar auch hier in den Ausläufern der Southern Alps seinen Kräften freies Spiel gelassen. Wir fahren also weiter – bis es fast böse geendet wäre: Ich ärgere mich gerade über die Unordnung in unserer Mittelkonsole und werkle darin herum. Mit der Konzentration bin ich damit nicht mehr auf der Straße und mit meinen Augen auch nicht. Ich verlasse langsam meine Spur und der Wagen zieht nach rechts herüber. Anders als in Deutschland ist dort nicht der Graben, sondern der Gegenverkehr. Im letzten Moment schaue ich auf und reiße das Lenkrad wieder zurück. Wäre der entgegenkommende Truck nicht zur Hälfte auf den Grünstreifen ausgewichen, hätte es bei etwa 80 km/​h einen Frontalzusammenstoß gegeben. Hat es aber nicht, so dass wir mit einer ordentlichen Portion Adrenalin im Blut uns weiter durch den Regen schieben. Kurz bevor wir den Lake Tekapo erreichen, wird es trocken und die Sonne kommt sogar heraus. Da das Campen auf den Parkplätzen per Schild am See verboten ist, beißen wir in den sauren Apfel und gehen auf einen kommerziellen Campingplatz, der sich aber wegen der Lage direkt am See lohnt. In der Küche kocht neben mir Stefan. Der 28-Jährige bereist zusammen mit seiner Freundin in einem Mietwagen für knapp sechs Wochen die neuseeländische Südinsel. Vorher habe ich wohl noch nie mit jemandem aus Taiwan gesprochen – auch das ist eben Backpacker-Leben. Egal woher, egal was für eine Person: Man redet einfach ganz unbedarft über alles Mögliche. Am nächsten Morgen verschwindet Stefan dann auch schon wieder aus unserem Blickfeld, wie das meistens mit Leuten ist, die man unterwegs trifft.

      Tristes Wetter und schlechte Sicht auf der Scenic Route 72

      Leider ist es in der Nacht noch leicht bewölkt, so dass wir nicht den Sternenhimmel über Lake Tekapo genießen können. Die leuchtenden Himmelsobjekte sollen hier neuseelandweit mit am besten zu sehen sein. Der Grund: Die wenigen Ortschaften und Städte dieser Region können kaum Licht in die Atmosphäre strahlen. Daher sind auch alle Straßenlaternen des Ortes Tekapo nach oben hin abgedunkelt, damit auch die Arbeit des sich auf dem Mount John befindenden Observatoriums nicht beeinträchtigt wird. Strahlender Sonnenschein weckt uns am nächsten Morgen, so dass wir gut gelaunt mit Blick auf den tiefblauen See frühstücken. Die zweistündige und steile Wanderung auf den Mount John sparen wir uns – stattdessen fahren wir lieber hinauf. Die Straße geht allerdings nicht weniger bergauf und ist für unseren Wagen eine harte Prüfung. Vorher fahren wir aber noch zu der kleinen Kapelle, der „Church of the Good Shepherd“, direkt am See: Eines der bekanntesten Postkartenmotive Neuseelands ist tatsächlich so malerisch schön, wie oft abgedruckt. Das kleine Häuschen liegt am Ufer, dahinter erstrecken sich der See und die alpinen Berge. Betritt man die Kapelle, schaut man über den Altar mit einem kleinen Kreuz darauf auf den See. Einen solchen Ort mal für eine halbe Stunde ohne all die Touristen zu erleben, wäre ein unglaublicher Moment, der uns aber, wie erwartet, verwehrt bleibt.

      Mit nur 14 km/​h bringt uns der Van schließlich den Mount John hinauf. Oben überprüfen wir sicherheitshalber nochmals das Kühlwasser, denn das verlieren wir überraschend schnell. Vom Gipfel des Berges aus bietet sich zwischen den wissenschaftlichen Gebäuden der Canterbury Universität ein toller Blick über den Lake Tekapo. Die blaue Farbe ist absolut faszinierend – wenn nun das Gras noch saftig grün wäre und etwas weniger Touristen hier wären. Aber es soll ja jeder etwas von diesem Naturschauspiel mit Blick auf die schneebedeckten Gipfel der Southern Alps haben.

      Die „Church of the Good Shepherd“ liegt direkt am Ufer des Lake Tekapo

      Keine Wasserfarbe, keine Fotomontage – einfach Gletscherwasser

      Der nächste Halt ist der nächste See: Der Lake Pukaki ist größer, türkiser und irgendwie noch beeindruckender. Spätestens hier ist die Farbe so unnatürlich, dass ich mir sicher bin, irgendwer hat einen großen Eimer Wasserfarbe dazu gekippt. Hat zwar niemand, ganz natürlich sind die Seen trotzdem nicht: Manche wurden komplett aufgestaut, andere sind nur als bestehende Seen für die Energiegewinnung mit Staumauern vergrößert worden. Am großen Parkplatz, direkt am Lake Pukaki, kann man teuren Lachs kaufen oder campen – geht wohl beides. Wir machen allerdings nur Pause und fahren dann weiter entlang des Sees zum Mount Cook Village. Der Aoraki/​Mount Cook selbst, der höchste Berg Neuseelands, zeigt sich uns zunächst nicht, weil er in Wolken eingehüllt ist. Eigentlich war die Idee gewesen, eine zweistündige Wanderung zu einem Aussichtspunkt zu machen, die unser Reiseführer beschreibt. Als wir dann den Wagen parken, fällt uns auf, dass wir schon einen Großteil der Wanderung gefahren sind. Also bleibt ein zwanzigminütiger Gang zum Kea Point. Am Ende des Weges geht es senkrecht hinunter mit Blick in die Moräne des Mueller Glacier. Man sieht nicht nur eine riesige Geröllwand auf der anderen Seite, sondern auch Wasseransammlungen, die wie kleine Teiche in unterschiedlichen Blautönen wirken – all das ist Schmelzwasser des weitestgehend verschwundenen Gletschers. Dafür ragen oberhalb die Eismassen des Huddleston Glacier heraus. Erst als wir zurück am Wagen sind, lassen die Wolken den Gipfel des Aoraki/​Mount Cook doch noch frei, und wir haben den gesamten Abend einen Blick auf den majestätischen Berg. Der Aoraki/​Mount Cook National Park ist ein echter Touristenmagnet. In dem über 700 Quadratkilometer großen Nationalpark stehen neben dem namensgebenden Gipfel noch 21 weitere Dreitausender. Der Aoraki/​Mount Cook ist mit 3724 Metern der höchste Berg des Nationalparks und des gesamten Landes. Allerdings schrumpfte er während unseres Aufenthalts um dreißig Meter: Eine Expedition der University of Otago hatte im November 2013 den Berg neu und erstmalig in jüngerer Zeit

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