Schule aus, Neuseeland ruft 2.. Philip Raillon
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Auch für Bergsteiger ist der Aoraki/Mount Cook eine gerne gewählte Herausforderung. Die Erstbesteigung fand 1884 durch drei Einheimische statt. Sir Edmund Hillary übte schließlich 1948 zusammen mit seinem Kollegen Tenzing Norgay am Mount Cook für seine Everest-Expedition. Bekanntermaßen erfolgreich: Hillary und Norgay waren 1953 die nachweislich ersten Menschen auf dem Everest.
Wer nicht der große Bergsteiger ist, dafür aber das nötige Kleingeld hat, kann mit einem der zahlreichen Unternehmen einen „Scenic Flight“ buchen. Die nicht ganz billigen Panoramaflüge starten im Flugzeug oder im Helikopter von allen möglichen Orten. Uns fehlen allerdings sowohl die bergsteigerischen Ambitionen und Fähigkeiten als auch besagtes Kleingeld, so dass wir lediglich an den vielen Werbetafeln für das teure Panorama vorbeifahren. Im Mount Cook Village wollen wir das „Sir Edmund Hillary Alpine Centre“ besuchen. Das Museum – so erfahren wir vor Ort – ist allerdings nicht ganz billig. Daher entscheiden wir uns dazu, das Geld zu sparen und stromern stattdessen nur durch den Souvenir-Shop. Vielleicht die falsche Entscheidung, denn so sitzen wir später wieder im Wagen und sind von unserem eigenen Tagesprogramm enttäuscht. Wir waren weder wandern noch im Museum. Immerhin entscheiden wir uns spontan, dem Wegweiser zum Tasman Glacier zu folgen. Über eine kurvige Schotterpiste – zu diesem Zeitpunkt noch ein Novum und eine Besonderheit für uns – fahren wir zum Parkplatz und laufen den 15-minütigen Weg bergauf. Oben bietet sich uns nicht nur ein toller Blick auf die Rückseite des Mount Cook, sondern auch ein See mit Eisbergen. Eisberge? Also fast: Der Tasman Glacier verlief einst durch das gesamte große Tal bis zum Lake Pukaki. Heute, im Jahr 2013, ist das Eis schon weit zurückgeschmolzen. Dort, wo der Gletscher noch vor wenigen Jahren war, lag er allerdings waagerecht in seinem Becken. Durch die Erderwärmung taute er daher nicht wie andere Gletscher, von unten nach oben, sondern von oben nach unten. Dadurch wirkt es heute so, als würden die letzten Eisreste wie Eisberge aus dem Gletschersee des bereits geschmolzenen Eises herausragen. Außerdem brechen immer wieder größere Eisbrocken vom Ende des Gletschers ab und schwimmen dann im Lake Tasman, dem beschriebenen See, bis sie wegschmelzen. Ein Naturschauspiel, das so äußerst selten ist und wohl in wenigen Jahren gänzlich verschwunden sein wird. Drumherum liegt viel Geröll, das durch das schmelzende Eis freigelegt wurde. Dieses Geröll bedeckt aber nicht nur Erde, sondern vor allem Tonnen von Eis, das es gleichzeitig gegen die Sonneneinstrahlung schützt. Man geht davon aus, so lernen wir, dass der Gletscher an manchen Stellen noch etwa 600 Meter dick ist. Wir verlassen den Tasman Glacier und fahren weiter. Anstatt am DOC-Campingplatz „White Horse Hill“ zu nächtigen, fahren wir wieder entlang des Lake Pukaki in Richtung State Highway nach Cromwell, wo unsere nächste Wwoofing-Stelle liegt.
Manche Aussichten in Neuseeland müssen einfach nicht kommentiert werden!
Nach einigem Überlegen ringen wir uns dazu durch, zum ersten Mal wild zu campen. Wir parken den Van auf einem kleinen Schotterplatz, etwa doppelt so groß wie der Wagen. Auf der einen Seite die Straße, von der man uns erst im zweiten Moment sehen kann, auf der anderen Seite ein toller Blick auf den unter uns liegenden Lake Pukaki. Uns ist etwas mulmig zumute. Dürfen wir nun hier campen oder riskieren wir 200 Dollar Strafe? Sehr vorsichtig kochen wir mit zugezogenen Vorhängen und machen unsere Campinglaterne bei jedem sich nahenden Auto aus. Wir wollen schließlich nicht erwischt werden, und ein wenig unheimlich ist dieses Campen im Nirgendwo auch. Letztlich kommen insgesamt vielleicht drei oder vier Autos vorbei. Allerdings rauscht der Wind immer wieder über die umliegenden Hügel, so dass wir alle paar Minuten aus Angst vor einem Auto oder Bus das Licht ausknipsen. Zum Essen setzen wir uns in die offene Seitentür. Über dem Wagen leuchten Millionen von Sternen, die Milchstraße erstreckt sich über weite Teile des Himmels. Wären wir vom Sternenhimmel im australischen Outback nicht derartig verwöhnt, würde ich wohl aus dem Staunen nicht mehr herauskommen.
Unter diesem Himmel ist das Wildcampen unfassbar berauschend. Allein im schwarzen Nichts der neuseeländischen Nacht. Die nächsten Menschen sind mindestens zehn Kilometer in alle Richtungen entfernt. Ein solches Erlebnis von Weite, Stille und Einsamkeit kostet anfangs Überwindung, aber hat man sich dran gewöhnt, wird es zu einem reizvollen und wunderschönen Abenteurer-Erlebnis mit einer gewissen Romantik, die unsere Zeit, unsere Gesellschaft weitestgehend verlernt hat.
Sonnenaufgang beim Wild Campen
Ein rotglühender Himmel weckt uns am Morgen. Noch ist kein Auto auf der achtzig Kilometer langen Sackgasse unterwegs gewesen. Die ersten Sonnenstrahlen kämpfen sich im Osten über die Bergkette hinter dem See. Ein atemberaubender – und das ist keine Floskel – Sonnenaufgang am Lake Pukaki. Dazu der Blick auf den angeleuchteten Aoraki/Mount Cook, von dessen Spitze in einer großen Wolke der Puderschnee gepustet wird. Keine Worte unserer Sprache können diese Atmosphäre beschreiben, keine Bilder zeigen die Pracht dieses Moments zur Gänze. Und wir haben es erlebt!
Lachsfütterung
Bald geht es weiter zurück zum State Highway und nach Twizel, das auf der Strecke liegt. Das kleine Städtchen, das sich laut Reiseführer von einer Bauarbeitersiedlung zu einem kleinen Touristenort gehamstert hat, beeindruckt nur wenig. Abgesehen von zwei (!) der kleinen Four Square Supermärkte gibt es noch einige Geschäfte, die um einen Platz herum im Quadrat angeordnet sind. Wir nutzen die öffentliche Toilette, um uns frischzumachen und loggen uns dann im kostenlosen Internet ein. Dabei sitzen wir auf dem Marktplätzchen und lauschen dem lokalen Radiosender. Blechern tönt das aktuelle Programm, mit einer interessanten Musikmischung aus aktuellen Pop-Hits und Country-Musik aus alten Lautsprechern. Der gesamte Platz wird beschallt. Warum sich der Radiosender einen Bungalow mit der Toilette teilt, bleibt mir unerschlossen – so bescheiden ist das Programm jedenfalls nicht. Bei Twizel liegt auch eine der vielen Lachsfarmen, die ihre Fische in den künstlichen und hochgelegten Kanälen zwischen den Seen aufziehen. Dort kann man kostenlos einige Lachse füttern, die in einem großen Netzkäfig im Kanal schwimmen, und zwar den ganzen Tag im Kreis, denn viel Platz ist hier nicht. Das Füttern ist dennoch amüsant, da die Lachse beim Fressen aus dem Wasser herausspringen.
Eddie kämpft am Abgrund
Aller guten Dinge sind drei – so ist es auch bei den blauen Seen in der Mitte der Südinsel. Nach Tekapo und Pukaki besuchen wir daher auch den Lake Ohau. Es ist der kleinste der drei Wasserreservoirs und Energieträgern und liegt vom State Highway etwas abgelegen, so dass sich kaum Touristen und keine Busse hierher verirren. Wir hatten ursprünglich mal vor, eine Wanderung an einem der steilen Hänge, die um den See herum liegen, zu machen – allerdings sehe ich an der Straße ein Hinweisschild auf das Lake Ohau Skifield. Schon vor unserer Ankunft in Neuseeland wollte ich gerne einmal in dieser Zeit Ski laufen, quasi im deutschen Sommer. Ist dies nun meine Chance? Schnell google ich mit dem Handy das Skigebiet: Ein kleines Gebiet mit nur zwei Liften und erschwinglichen Preisen. Geöffnet ist es auch, wie ich über das Telefon herausfinde. Maria, die weniger skibegeistert ist, gibt ihr „okay“ und möchte so lange im Wagen oder auf einer Hütte warten. Also nichts wie hin! Wandern können wir ja danach immer noch. Da die Pisten oberhalb des Sees liegen, etwa 400 Meter höher, muss man hinauf fahren. Direkt nach der Abzweigung ist die Straße nicht mehr asphaltiert, sondern führt über Felsen und Schotter. Schafft unser Van das? Sicherheitshalber rufe ich nochmals an. „Natürlich, da sind viele Vans auf dem Parkplatz“, lautet die Antwort. Also los. Noch bevor es bergauf geht, müssen wir durch einen etwa 25 Zentimeter tiefen Fluss. Na klasse! Wir machen das, was wir zu Hause nie gemacht hätten