Geburtsort: Königsberg. Ursula Klein

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Geburtsort: Königsberg - Ursula  Klein

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sondern streng und fordernd.

      Hannas erster Eindruck war: Bei dem Lehrer muss ich artig sein, sonst lerne ich den Rohrstock kennen. Gerade hatte sie das gedacht, da sagte er das auch schon: „Kinder, bei mir herrscht Ordnung! Wer nicht spurt, bekommt meinen Rohrstock zu spüren!“ Alle Kinder duckten sich ab. Nun wurde der allgemeine Ablauf trainiert: „Wenn ich in die Klasse komme, steht ihr sofort von euren Plätzen auf und antwortet mir ‚Guten Tag, Herr Lehrer.‘ Es heißt auch nicht einfach ‚Ja‘, sondern ‚Jawohl, Herr Lehrer!‘ Sagt einer von euch etwas unaufgefordert, also plachandert er, so steht er für den Rest der Stunde in der Ecke. Wenn ich einen von euch etwas frage, so steht er auf, stellt sich neben die Bank und antwortet mir klar und laut. Wenn einer etwas sagen will, so bleibt er artig auf seinem Platz sitzen und hebt die Hand, bis ich ihn aufrufe. Hat einer von euch die Arbeiten nicht ordentlich gemacht, so muss er das üben, also jede Zeile fünfzigmal schreiben, damit er es lernt. Habt ihr mich verstanden?“ Wie trainiert antworteten die Kinder: „Jawohl, Herr Lehrer!“ Hanna rutschte immer tiefer. Das konnte ja heiter werden. Und darauf hatte sie sich gefreut? Doch nach dieser Moralpredigt ging es endlich mit der Schule los, denn sie wollte ja lesen, schreiben und rechnen lernen.

      Und schon kam das Kommando: „Alle nehmen die Tafel und den Griffelkasten aus dem Ranzen. Jeder nimmt den Griffel in die rechte Hand! Wir schreiben ein A. Seht alle her, wie ich es mache.“ Noch eingeschüchtert versuchte jeder sein Bestes. Die Griffel quietschten und kratzten auf den Tafeln, denn jeder drückte mit voller Kraftanstrengung den Griffel auf die Schreibfläche. Je mehr sich Hanna Mühe gab, desto lauter war der Stift zu hören. Dann ging der Lehrer durch die Reihen und kontrollierte - auch Hanna. „Was hast du denn da für ein Gekritzel gemacht?“ Er nahm den Schwamm, der ja an der Seite herunter baumelte und wischte die ganze Mühsal einfach fort. Nun stand überhaupt nichts mehr auf der Tafel! Ihre ganze Arbeit war umsonst gewesen. Ihr standen die Tränen in den Augen. Sie hatte sich doch so große Mühe gegeben, besser konnte sie es nicht. Zu allem Überfluß sagte er auch noch: „Sieh her, so wird das geschrieben! Zuhause kannst du üben und die ganze Tafel mit dem Buchstaben vollschreiben.“ Er zog ein kleines Notizbuch hervor, notierte den Namen von Hanna und überließ sie ihren traurigen Gedanken und Empfindungen. Sie wusste jetzt schon: diese Schule gefiel ihr nicht, da war die Sonntagsschule in der Kirche viel schöner. Da konnte sie den Geschichten lauschen und Lieder singen, die so schön waren. Verträumt dachte sie gerade daran, als sie vor ihren Augen auf der Bank den Rohrstock niedersausen hörte. „Hanna, träume nicht, schreibe lieber!“ Aber – Gott sei Dank – die Schulglocke wurde vom Hausdiener gerade geläutet.

      Zuhause erzählte sie der Mutter alles, was sie erlebt hatte, und zeigte traurig ihre Tafel. Tröstend hörte sie die Mutter sagen: „Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Setz dich gleich hin und schreibe so schön, wie es nur irgend geht.“ Dabei strich sie ihr liebevoll über die Haare und lächelte sie freundlich an. „Ich schaue mir deine Arbeit an, wenn du fertig bist, und dann können wir ja immer noch ein paar Zeichen erneuern.“ Die tröstenden und aufmunternden Worte von der Mutter hatten Hanna gut getan. Doch traurig malte sie Buchstabe für Buchstabe. Sie gab sich die größte Mühe beim Schreiben, aber ihr A war nicht so schön wie das vom Lehrer, das wie ein Vorbild leuchtete.

      Draußen war herrliches Wetter zum Spielen. Die anderen Kinder waren alle schon im Hof oder auf der Straße.

      Doch mit der Zeit gewöhnte sich auch Hanna an die Schule mit ihrer strengen Ordnung. Zuhause hatte sie immer genug Auslauf und konnte mit den anderen Kindern im Wirtschaftshof und im Garten prima spielen.

      Mit einfachen Mitteln wurden Verkleidungen erfunden: ein Kodder (Lappen) fand sich immer, das mit Fitzelband (Nahtband) zusammengebunden wurde, ein Stückchen Stoff war der Brautschleier. Ein Stückchen Holz stellte eine Puppe dar, ein Karton war das Bettchen oder ganz und gar das Haus für das Singspiel:

      Als wir kleine Kinder waren,

      spielten wir Soldatje,

      oder Braut und Bräutigamm,

      oder Muttchje, Vatje.

      Ein anderes Mal wurde aus einfachen Mitteln ein Ball selbst angefertigt, z. B. ein Stück Stoff mit Heu und Stroh und einem Stein gefüllt und kunstgerecht zusammengenäht. Das Nähen mussten immer die größten Mädchen übernehmen, die sowieso nicht so oft mitspielten, weil sie im Haushalt helfen mussten. Mit so einem Ball konnten herrliche Spiele gemacht werden. Besondere Freude bereitete immer das Balltreiben. Leider waren die Jungens bei diesem Spiel immer am besten, weil sie am weitesten werfen konnten, aber das machte nichts. Beim Völkerball dagegen waren die Mädchen wieder gefragt, weil sie flink ausweichen konnten. Doch manchmal flog der Ball im hohen Bogen über das Ziel hinaus und landete in einer Fensterscheibe. Brummend setzte der Vater die Scheiben dann wieder ein, um die Mieter nicht zu verärgern. Doch die Folge für Hanna war in solchen Situationen, dass sie der Mutter mehr helfen musste oder auf ihre Geschwister aufpassen. Und Mutter konnte immer Arbeit verteilen, sie hatte genug. So musste die Wäsche in der Waschküche, die auf dem Hof war, gewaschen werden. Dafür musste aus dem Brunnen, der zwischen Vorder- und Hinterhaus stand, das Wasser geholt und in Eimern über den Hof getragen werden. Damit das Wasser erwärmt werden konnte, wurde das Brennmaterial aus dem Holzstall geholt. Die Asche wurde im Garten verstreut und damit als Düngung verwendet. Das Helfen beim Essenkochen, Abwaschen, Fegen, Wischen, Aufräumen usw. war immer an der Tagesordnung. So ein Waschtag war aber jeden Donnerstag und hatte es in sich. Er war aber auch immer notwendig, denn jedes Kind hatte für den Alltag nur einmal Wechselkleidung und für den Sonntag die Sonntagssachen. Selbstverständlich wurde die Kleidung von allen nachwachsenden Geschwistern aufgetragen, so dass eigentlich immer nur die Größeren neue Sachen bekamen.

      Doch die Arbeit war ja mit dem Waschen und Trocknen nicht beendet. Kleidung und Wäsche wurde ausgebessert, verkürzt oder verlängert, je nach dem, wer die Garderobe bekam.

      Für das Bügeln musste auch der Herd in der Küche geheizt werden, damit das Bügeleisen erwärmt werden konnte. Mutter hatte zwar ein ganz modernes Bügeleisen vom Vater bekommen, das mit glühenden Kohlen gefüllt wurde, aber es hatte auch seine Tücken. Es war zwar länger heiß, aber wenn es zu heiß war, konnte die Wäsche beim Glätten auch verbrennen.

      Da war es für Hanna schon einfacher, auf Fritz und Lotte aufzupassen als im Haushalt zu helfen. Da wurde sie ja nie fertig!

      Und darum schmeckte ihr die Arbeit im Haushalt nicht. Die Mutter klagte dann nur: „Ach, Hanna, an dir ist ein Junge verloren gegangen.“

      Und das war begründet, denn für Hanna gab es keinen Unsinn, den sie nicht mit ihren Cousins ausprobiert hätte. Stallungen und Wirtschaftshof boten viele Möglichkeiten. So nahmen sie wie eine verschworene Gemeinschaft die Forke und trieben das Schwein mit „Hallo“ aus dem Stall, um es dann quiekend wieder einzufangen. Die Häsin wurde heimlich gedeckt und der Vater wunderte sich, warum sie schon wieder tragend war. Im Gemüsegarten wurden die Karotten heimlich gegessen und das Kraut wieder kunstgerecht in die Erde gesteckt, damit der Verlust nicht auffiel. Birnen und Äpfel wurden vom Baum geschüttelt, damit sie „molsch“ waren und gegessen werden durften. Die Hühnereier wurden abgenommen und ausgetrunken, obwohl sie die Mutter dringend für die Versorgung brauchte. Der Ideenreichtum auf diesem Gebiet war unerschöpflich.

      Wurden Wettkämpfe ausgetragen, strengte sich aber jeder wie zu Wettbewerbsbedingungen an und hatte am Abend einen hochroten Kopf, wenn es hieß: „Reinkommen! Abendbrot essen!“ Das war meist eine Milchsuppe, die schnell sättigte und außerdem billig war. Denn zwei Liter Milch wurden mit so viel Wasser verdünnt, bis die Menge für 7 Personen reichte. Ein Löffel Zucker und Mehlklunkern machten die Sache dick und schmackhaft.

      Oft machte die Mutter erst eine Inventur bei Hanna: „Was hast du denn da für eine Brusche (Bäule)? Deine Schlorren (Holzschuhe mit Lederoberteil) sind ja so moddrig (verschmutzt) – du musstest wohl wieder unbedingt durch ein

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