Liselotte Welskopf-Henrich und die Indianer. Erik Lorenz

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Liselotte Welskopf-Henrich und die Indianer - Erik Lorenz

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Liselotte Welskopf-Henrich, Autorin, Wissenschaftlerin und international engagierte Menschenrechtskämpferin nur fünf Monate nach ihrem Mann, während eines Urlaubs in Garmisch-Partenkirchen.5

      * * *

      Bis zu ihrem dreizehnten Lebensjahr der Jugendliteratur von Autoren wie Karl May und vor allem Cooper zugetan, wandte sich Welskopf-Henrich später Werken wie Schillers philosophischen und historischen Schriften sowie Lessings Schriften zu Kunst und Dramatik zu. Shakespeares Tragödien sah sie im Reinhardt-Theater in Berlin. In den folgenden Jahren galt ihre Aufmerksamkeit zunehmend der russischen Literatur, der deutschen kritischen Literatur der frühen zwanziger Jahre und französischen, englischen und norwegischen Schriftstellern. Auch für das Gebiet der historischen Wissenschaft begeisterte Welskopf-Henrich sich bald – so studierte sie mit 14 Jahren Thukydides, einen der bedeutendsten Historiker der Antike. Überhaupt interessierte sie sich schon frühzeitig für Bücher über das frühe Griechenland und die griechische Mythologie und beschloss bereits in diesen jungen Jahren, Altertumswissenschaftlerin zu werden.

      Um das enorme Arbeitspensum der großen Projekte zu bewältigen, beschäftigte Welskopf-Henrich eine Anzahl wissenschaftlicher Mitarbeiter und Assistenten, die sie privat bezahlte. Diese Mitarbeiter waren Studierende und Studierte, die aus zahlreichen antiken Schriftquellen die entscheidenden Stellen heraussuchten und bei organisatorischen Fragen behilflich waren. Anfangs beschäftigte sie einen Mitarbeiter, später waren es drei oder vier, zwischenzeitlich sogar bis zu acht.

      Ein solcher Student war Gert Audring. Ihm gefiel das Päda­gogikstudium in Potsdam nicht, weil ihm die Ausbildung zu oberflächlich war. In seinem Verdruss wandte er sich an einen älteren Studenten, und dieser riet ihm: »Wenn du Probleme hast, dann musst du mal mit der Welskopf reden.« Welskopf-Henrich lud ihn bald darauf ein, ließ sich seine Zeugnisnoten zeigen und überzeugte sich von seinem Wissen, seiner Leistungsfähigkeit und -bereitschaft, auf die sie sehr großen Wert legte. Da sie mit dem jungen Mann zufrieden war, ermöglichte sie ihm, seinem Herzenswunsch entsprechend, den Hochschulwechsel nach Berlin; allerdings knüpfte sie daran einige Bedingungen. Ursprünglich wollte Audring nur Geschichte studieren und war auch bereit, den Marxismus zu akzeptieren; für Welskopf-Henrich als überzeugte Marxistin von grundlegender Wichtigkeit. Sie verlangte aber zusätzlich von ihm, dass er Latein studiere, was ihm zunächst völlig fern lag, wogegen er gar eine Abneigung hegte. Von dieser Forderung ließ sich Welskopf-Henrich jedoch keinen Deut abbringen, denn sie wusste: Wenn man in die Alte Geschichte eindringen wollte, musste man sein Handwerk beherrschen. Also hat Audring Latein studiert und abends noch Griechisch gelernt, weil er sonst die Quellen nicht hätte lesen können; er wäre sonst nur einer von vielen gewesen, die auf die Darstellungen anderer angewiesen waren und lediglich den Marxismus hinzufügten. Und das war für Welskopf-Henrich nicht akzeptabel. Sie wollte gründliche, marxistische Forschung auf der Grundlage von exakten Sprachkenntnissen. Diese Vorstellung setzte sie konsequent durch. Mit allen Mitteln versuchte sie zu verhindern, dass der Wissenschaftszweig Alte Geschichte, wie vorgesehen, in der DDR abgeschafft würde und dass dann nur noch die entsprechenden russischen Bücher übersetzt würden. Welskopf-Henrich wollte eine eigenständige Alte Geschichte in der DDR, neu begründet auf marxistischer Basis, und in diesem Sinne hat sie publiziert.

      Um die marxistische Geschichtsforschung in der DDR zu etablieren, förderte Welskopf-Henrich besonders junge Menschen, von denen sie annahm, dass sie sich engagierten, Marx gründlich lasen und zur Weiterentwicklung beitragen würden. So holte sie Audring nach Berlin, wo er wie gewünscht studieren, sein Staatsexamen machen und in die Wissenschaft gehen konnte. Auch in ihre eigenen Forschungsprojekte bezog Welskopf-Henrich ihn mit ein.

      Audring: »Für mich bleibt sie nach wie vor diejenige Frau, die mir ermöglicht hat, mir meinen Berufswunsch zu erfüllen. Das werde ich ihr nie vergessen.«

      Welskopf-Henrich war eine mutige Frau, auch in Bezug auf ihre wissenschaftlichen Bücher. Sie hat sich vom Stalinismus distanziert, wo der Sklave lediglich als antiker Proletarier angesehen wurde. Dabei hat sie auch moderne Auffassungen in die Alte Geschichte hineingetragen. Das war der Schwung des Marxismus: Alles strebte vorwärts, auch in der Antike, was zu dem gewagten Vergleich »Spartakus war der Liebknecht der Antike« führte, wie er zu jener Zeit gern gebraucht wurde.

      Trotzdem hat sie sich von der sowjetischen Forschung abgegrenzt, weswegen einige ihrer Veröffentlichungen in der DDR wenig beachtet wurden.

      Über das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses gab Schulz ebenfalls Auskunft:

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