Organisation gestalten – Stabile und dynamische Unternehmensstrukturen. Götz Schmidt
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Neben dem Abruf bzw. der Eingabe von Informationen in ein IT-System sind auch die Wege zum Transport von Informationen zu regeln, die auch als Kommunikationswege bezeichnet werden. Die Regelung der Transportwege kann gedanklich von den Regelungen des Informationssystems getrennt werden und wird in der Praxis meistens auch von unterschiedlichen Spezialisten (z. B. Netzwerkadministrator) bearbeitet.
Neben den Kommunikationswegen für Daten gibt es auch noch Wege für Sprache, Texte und Bilder. Dabei ist nicht nur an technische Einrichtungen wie z. B. Leitungen, Netzwerke, Telefonkonferenzen oder die netzbasierte Kommunikation zu denken, sondern auch an den physischen Transport von Briefen, Listen, Berichten etc. wie auch an persönliche Treffen zum Informationsaustausch wie Sitzungen, Meetings, Workshops, Konferenzen usw. Auch das sind Einrichtungen zur Kommunikation. Die Einrichtung dieser Wege zum Transport von Informationen ist ebenfalls Bestandteil der Aufbauorganisation. Die Regelungen und die zugehörige Infrastruktur werden als Kommunikationssystem bezeichnet. Auch diese Thematik soll hier nicht vertieft werden.
Jeder Mitarbeiter benötigt einen Arbeitsplatz, der mit Sachmitteln auszustatten ist. Andere Sachmittel werden zentral bereitgestellt, wie z. B. Kopierer, Transportmittel usw. Welche Sachmittel benötigt werden, hängt unmittelbar ab von den zu erfüllenden Aufgaben. Dieser Sachmitteleinsatz wird ebenfalls zur Aufbauorganisation gerechnet. Da es sich dabei um ein Spezialgebiet handelt, soll hier nur darauf hingewiesen werden, dass zu einer vollständigen Aufbauorganisation auch diese Sachverhalte geregelt werden müssen.
Informations-, Kommunikations- und Sachmittelsystem sollen hier unter dem Begriff „Unterstützende Systeme“ zusammengefasst werden.
Zur Aufbauorganisation gehören somit Regelungen über:
die Zuordnung von Aufgaben (Stellen-/Rollenbildung)
hierarchische und hierarchiearme Organisationsmodelle
unterstützende Systeme
- Informationssystem
- Kommunikationssystem
- Sachmittelsystem.
Hier wird von folgender Definition der Aufbauorganisation ausgegangen:
Die Aufbauorganisation beinhaltet Regelungen zur Zuordnung von Aufgaben auf Stellen, zur Bildung von Rollen, zur Verknüpfung von Stellen durch hierarchische Beziehungen oder durch andere Koordinationsregeln, zur Bereitstellung von Informationen und Kommunikationswegen sowie zur Auswahl und zum Einsatz von Sachmitteln. Dabei wird die Unternehmung im Ruhezustand betrachtet – logische, zeitliche, mengenmäßige und räumliche Folgebeziehungen werden der Prozessorganisation zugeordnet.
1.2 Beziehung zur Prozessorganisation
1.2.1 Primat der Prozessorganisation – wer folgt wem?
Ehe wir uns mit den Zusammenhängen zwischen der Aufbau- und der Prozessorganisation auseinandersetzen, soll eine Definition für einen Prozess vorangestellt werden (nach FISCHERMANNS, 2013).
Ein Prozess ist eine Struktur, deren Elemente Aufgaben, Aufgabenträger, Sachmittel und Informationen durch logische Folgebeziehungen verknüpft sind. Darüber hinaus werden deren zeitliche, räumliche und mengenmäßige Dimensionen konkretisiert. Ein Prozess hat ein definiertes Startereignis (Input) und Ergebnis (Output) und dient dazu, einen Wert für Kunden zu schaffen.
Prozessorganisation bedeutet dann, die Strukturen solcher Prozesse zu bestimmen.
In der klassischen Organisationslehre wie auch in der Wirtschaftspraxis wurde von folgendem Modell ausgegangen: Bei Unternehmen oder Verwaltungen gibt es – eine gewisse Mindestgröße vorausgesetzt – wichtige oder dominierende Personen, die sich hinsichtlich ihrer Ausbildung, ihrer beruflichen Erfahrungen, ihrer Interessen und Neigungen unterscheiden. Oft handelt es sich um klassische Berufsbilder wie z. B. den Kaufmann, den Fertigungsspezialisten, den Entwickler, oder bei einer Bank den Kreditspezialisten, den Wertpapierfachmann, den Experten für Außenhandel usw. Diese obersten Führungskräfte verteilen untereinander die insgesamt im Unternehmen wahrzunehmenden Aufgaben – sie legen ihren Geschäftsverteilungsplan fest. Dabei entstehen in aller Regel spezialisierte Einheiten wie der Einkauf, das Rechnungswesen, die Entwicklungsabteilung, der Vertrieb oder die Kreditabteilung, die Wertpapierabteilung, der Zahlungsverkehr usw.
Die Struktur der Aufbauorganisation beginnt also an der Spitze und setzt sich über mehrere Ebenen von oben nach unten fort. Dieses Vorgehen hat einen theoretischen und einen praktischen Hintergrund:
In der klassischen Organisationstheorie wurde die Auffassung vertreten, dass der organisatorische Aufbau aus einer hierarchischen Analyse der Aufgaben abgeleitet wird. Die Oberaufgaben in einem produzierenden Unternehmen, wie z. B. forschen, entwickeln, einkaufen, fertigen, verkaufen, verwalten, oder in Banken Passivgeschäfte, Aktivgeschäfte, Dienstleistungen, in Versicherungen Lebensversicherungen, Sachversicherungen usw., werden in immer kleinere Teilaufgaben hierarchisch zerlegt, bis sie schließlich Stellen übertragen werden können. Aus diesem Denkansatz folgt, dass nicht übergreifende Prozesse etwa vom Kunden zum Kunden für die Aufbauorganisation maßgeblich waren, sondern spezialisierte Funktionen mit entsprechend spezialisierten Berufsbildern. Nach dieser Abgrenzung waren dann die Vorgesetzten der so gebildeten spezialisierten Einheiten (Dezernate, Hauptabteilungen, Abteilungen, Gruppen etc.) dafür zuständig, dass innerhalb der Einheiten die dort zu erledigenden Prozesse möglichst gut bewältigt werden konnten. Die Optimierung der Prozesse begann und endete an den Grenzen der Organisationseinheiten. Dieser Ansatz förderte die Dominanz der Aufbau- über die Prozessorganisation, die Reihenfolge hieß also Aufbau- vor Prozessorganisation.
Abb. 1.03: Aufbauorganisation durch Zerlegung
Praktische, ja sogar sehr menschliche Gründe führten zu dem gleichen Resultat. Aus der Sicht der Beteiligten auf der obersten Ebene kann die Aufbauorganisation auch als ein Nullsummenspiel der Macht angesehen werden. Eine Zuständigkeit kann prinzipiell nur einmal vergeben werden. Je mehr Zuständigkeiten ein Mitglied erhält, desto weniger bleibt für alle anderen übrig. Aus der Menge und Qualität der Zuständigkeiten eines Mitglieds leitet sich sein Einfluss bei allen folgenden Entscheidungen ab. Also versucht jeder in einem ersten Schritt, einen möglichst großen Teil des Kuchens zu erhalten. Die so gewonnenen Einflussbereiche werden in weiteren Schritten sorgfältig abgesichert und verteidigt. Auf der darunterliegenden Ebene wiederholt sich das Ganze. Auch hier wird wieder verteilt, abgegrenzt und verteidigt, bis hin zu der untersten Ebene. Innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs versucht jeder, eine möglichst gute Organisation – auch mit möglichst guten Prozessen – aufzubauen. Die Interessen der zusammenarbeitenden Einheiten unterscheiden sich jedoch oft deutlich