Kirchliches Leben im Wandel der Zeiten. Группа авторов
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Orden und Kongregationen
Insgesamt lobt der Bischof aber die außergewöhnliche Spendenbereitschaft und den religiösen Eifer der Diözesanen. Dieser zeige sich vor allem auch bei den Volksmissionen, die in großer Zahl von der Regierung erlaubt und von Benediktinern, Redemptoristen, Franziskanern, Kapuzinern und Jesuiten durchgeführt würden. Kepplers besondere Vorliebe für Beuron tritt hervor, wenn er betont, dass gerade die dortigen Benediktiner diesen Eifer bestätigten. Denn nach dem nahegelegenen Beuron pilgerten im Übrigen viele Tausend Diözesanen, und die Patres würden gerne als Beichtväter in die Pfarreien geholt. Insofern gab es, trotz der von Keppler ebenfalls ausführlich beklagten hysterischen Gegnerschaft der Protestanten zur Einführung von Männerorden (nescio quo furore correpti timore paene tabescant, quandocunque hujus rei mentio fit)27, eine nicht zu vernachlässigende Präsenz von Regularklerikern in der Diözese. Eine Frucht davon sei der große Ordensnachwuchs aus der Diözese, nicht nur bei den Frauenkongregationen im Bistum, sondern auch in vielen Ländern außerhalb – gerade letzteres Faktum bedürfte der weiteren Erhellung. Aufgrund der Forschungen von Klaus Schatz kann wenigstens für den Bereich des Jesuitenordens eine quantitative Angabe gemacht werden. Im Zeitraum von 1849 bis 1914 sind 122 Württemberger als Scholastikernovizen in die Gesellschaft Jesu eingetreten (einschließlich derer, die als Novizen wieder weggingen). Der Anteil der Württemberger war im ersten Zeitraum (von 1849 bis 1872) außergewöhnlich hoch: mit 63 Eintritten (9,4% aller Eintritte in den beiden Scholastikaten) lag Württemberg im süddeutschen Raum an der Spitze, vor Bayern und Baden. Dieser Anteil schwächt sich in den folgenden Perioden ab: 1873-95 sind es 34 (5,1%, bereits hinter Bayern), 1896-1914 25 (3,8%), was angesichts der Größe der Diözese aber immer noch eine Überrepräsentierung darstellt. Was die Brüdernovizen angeht, so erlaubt die lückenhafte Quellenlage keine exakte Angabe: Man kann nur sagen, dass 1852-72 mindestens 15 und 1873-95 27 eingetreten sind. Generell ist bei den Brüdernovizen der süddeutsche Raum noch schwächer repräsentiert als bei den Scholastikernovizen; aber innerhalb des süddeutschen Raumes scheint Württemberg auch hier stark überrepräsentiert zu sein.28 Mit dem aus Rottweil gebürtigen Kanonisten Franz Xaver Wernz (1842-1914), der 1906 zum General des Ordens gewählt wurde, und dem aus Isny stammenden Theologiehistoriker Franz Ehrle, der von 1895 bis 1914 Präfekt der Vatikanischen Bibliothek war und 1922 zum Kardinal erhoben wurde, hat die Diözese auch zwei prominente Jesuiten hervorgebracht.
Wesentlich breitenwirksamer waren hingegen die „barmherzigen Schwestern“, also die Frauen-Kongregationen im Bistum. Die neuere Forschung hat sich ausführlich mit ihrem „Catholicisme au féminin“ (Claude Langlois) beschäftigt;29 sie boten jungen Katholikinnen ein geistlich-berufliches Feld außerhalb von Ehe und Familie und können in ihrer Bedeutung für die Sozialfürsorge, Krankenpflege, Kinderpflege und -erziehung (in Krippen und Kindergärten) sowie für die Mädchenbildung kaum überschätzt werden. Insbesondere die Herausbildung des modernen Krankenhauswesens, wie es im Bistum exemplarisch durch das 1890 von den Untermarchtaler Vinzentinerinnen gegründete Stuttgarter Marienhospital verkörpert wird, wäre ohne die Hingabe und Professionalität der Schwestern nicht denkbar gewesen. Eine besondere Rolle spielten sie auch in den „Pfleg- und Bewahr-Anstalten“, also der Fürsorge für behinderte Menschen, wie sie ebenfalls von den Vinzentinerinnen in Rottenmünster (seit 1898) oder unter Mitwirkung der Reutener Franziskanerinnen in Liebenau verwirklicht wurde. Die Franziskanerinnen von Sießen widmeten sich dagegen besonders dem Bildungswesen mit Schulen in Stuttgart (1875), Mergentheim (1879), Friedrichshafen (1897), Rottenburg (1898) und Ellwangen (1895). Mit ihren zahlreichen Niederlassungen prägten die Schwestern die Diözese und ihre Pfarreien auch in der Breite. Im Jahr 1913 hatten die 1.085 Untermarchtaler Schwestern neben dem Mutterhaus 132 Niederlassungen, die 750 Reutener Franziskanerinnen 115, die 375 Sießener Franziskanerinnen 33. Hinzu kamen die Franziskanerinnen von Bonlanden (110 Schwestern) und Heiligenbronn (186 Schwestern) sowie die Notre-Dame-Schulschwestern in Ravensburg (74).30 Auch Bischof Keppler konnte mit großer Befriedigung auf die diözesanen Kongregationen blicken, die er auf seinen Firmreisen oft besuche: „Daher kann ich aus eigener Erfahrung bezeugen, dass für die in den Hospitälern und Einrichtungen der Sorge dieser Schwestern Anvertrauten in allen Dingen bestens gesorgt ist, die zum Heil des Körpers und der Seele notwendig sind.“31 Erfreut war Keppler auch über die Regeltreue in den Kongregationen, die jeweils ihren eigenen Superior und Beichtvater hatten.32
Priester und Priesterbildung
Mit einer gewissen Befriedigung konnte Keppler auch auf den Klerus des Bistums blicken. Nachwuchsmangel herrschte nicht: „Da in allen Teilen der Diözese der Zugang zu den höheren Studien leicht offensteht, steht immer die nötige Anzahl von gesitteten Knaben zur Verfügung, die zum Priestertum der heiligen Kirche hinstreben können.“33 Auffällig in seinem Bericht nach Rom ist, wie Keppler einerseits die Rottenburger Tradition der Priesterbildung bejaht, andererseits aber immer fest das römische Anforderungsprofil mit dem Ideal „Tridentinisches Seminar“ im Auge hat.34 Im Bereich der Knabenseminare konnte Keppler auf das Bischöfliche Knabenseminar (Martinushaus) in Rottenburg und das Seminar in Mergentheim verweisen. Daneben bestanden in Ehingen (Josephinum) und Ellwangen (Borromäum) private, von Priestern geleitete Gymnasialkonvikte. Hinzu kamen Lateinschulen in anderen Städten, welche die Schüler ebenfalls auf das sogenannte Landexamen vorbereiteten, das mit 14 Jahren als landesweiter Konkurs durchgeführt wurde und den Weg zu den niederen Konvikten in Ehingen und Rottweil ebnete. Jedes Konvikt hatte ca. 80 Alumnen im Alter von 14 bis 18 Jahren, die zwar am örtlichen öffentlichen Gymnasium studierten, wo aber auch geistliche Studienräte unterrichteten. Laudes und Vesper im Oratorium, tägliche Heilige Messe sowie gemeinsamer Sakramentenempfang gewährleisteten nach Kepplers Ansicht das „tridentinische“ Profil. Ähnliches galt für das Wilhelmsstift, in das man nach einem weiteren rigorosen Examen gelangen konnte. Auch dort gebe es täglich gemeinsames Stundengebet und Heilige Messe, jährliche Exerzitien, eine samstägliche Exhorte und die Teilnahme am sonntäglichen Gottesdienst in der Pfarrkirche (St. Johannes). Im Hinblick auf das römische Ideal der weltfernen Priesterbildung bat Keppler um Verständnis dafür, dass den Konviktoren Ausgang erlaubt werden müsse, denn das Haus sei eng. Auch die Vorlesungen könnten leider nicht alle im Haus stattfinden.
Mit hymnischen Worten pries Keppler sodann die Tübinger Fakultät: Diese habe von Anfang an die theologische Wissenschaft zur Spitze der Vollkommenheit bringen wollen. Überall auf der Welt würden noch die Namen von Möhler, Hefele und Kuhn gefeiert, die Theologische Quartalschrift werde von allen Theologen in hohen Ehren gehalten. Obwohl sie sich an einem schwierigen Ort befinde, habe sie doch immer die Rechte der Kirche verteidigt und sei auch dem Apostolischen Stuhl immer treu anhänglich gewesen, auch wenn es in der Vergangenheit bei manchen und bei manchen Aussagen an der klugen Zurückhaltung gemangelt habe. Keppler, der wie kein anderer Rottenburger Bischof seinem Stolz auf das Wilhelmsstift und die Fakultät Ausdruck zu verleihen vermochte,35 umschiffte also die Krise des I. Vaticanums und die nachfolgende Sterilisierung der Fakultät mit sehr großzügigen Worten. Dies war angesichts