Kirchliches Leben im Wandel der Zeiten. Группа авторов
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Kirchliches Leben im Wandel der Zeiten - Группа авторов страница 46
![Kirchliches Leben im Wandel der Zeiten - Группа авторов Kirchliches Leben im Wandel der Zeiten - Группа авторов Erfurter Theologische Studien](/cover_pre983180.jpg)
Im Blick auf das Priesterseminar in Rottenburg, das unter Regens Benedikt Rieg (1858-1941), dem Schüler, Freund und Nachfolger Stiegeles, ohnehin ganz im strengkirchlichen Sinne geprägt war, brauchte Keppler nicht viel zu sagen. Die Seminarausbildung dauere aber leider nur ein Jahr (nicht zwei, wie von Rom vorgesehen), weil die Regierung nicht mehr bezahle. Bei diesem Punkt sowie in der Ordensfrage regte der römische Rezess dann auch an, Keppler solle vorsichtig versuchen, eine Änderung zu erreichen.46 Mit einer gewissen Befriedigung konnte Keppler vermerken, dass sich außerhalb von Tübingen mit seinen 150 Wilhelmsstiftlern und einigen zusätzlichen Stadtstudenten und Rottenburg mit den 30 Alumnen des Seminars keine Priesteramtskandidaten für den Dienst im Bistum vorbereiteten. Nicht im Blick hatte Keppler dabei die große Zahl von Rottenburgern, die in andere Diözesen, vor allem nach Augsburg, ausliefen – vielleicht weil sie die Entbehrungen und Anforderungen einer württembergischen Konviktslaufbahn scheuten. Zeitweise stammte ein Drittel des Augsburger Klerus aus Rottenburg.47
Mit seinem Klerus war Keppler auch sonst zufrieden. Außerhalb der Kirche, der kirchlichen Funktionen und Schule werde keine Soutane, sondern ein angemessener schwarzer Anzug getragen, wobei es keine Skandale oder Redereien gebe. Lobend hob Keppler auch die Fortbildung des Klerus bei den (aus der Zeit der Wessenberg’schen Pastoralreform herkommenden) Kapitelskonferenzen hervor, zu denen sich der Klerus des Dekanats zwei Mal im Jahr traf. Im Vorfeld stellten die Dekane Themen aus der Dogmatik, Moraltheologie, Liturgiewissenschaft, Pastoraltheologie, dem Kirchenrecht und der Exegese, die von den Pfarrern, Kaplänen und Vikaren schriftlich zu bearbeiten seien und auf der Konferenz dann diskutiert würden. Die Akten gingen dann an das Ordinariat, das die Autoren entsprechend lobe oder tadele. Daneben verwies Keppler auf die freien Kapitelskonferenzen, auf denen aktuelle pastorale Themen besprochen werden konnten. Eine richtige Synode sei seit Beginn der Diözese nie gehalten worden; aber Keppler habe stattdessen die zweijährlich stattfindende Dekanekonferenz eingeführt. Diese wurde 1909 noch erweitert, indem Keppler es jedem Kapitel erlaubte, einen zusätzlichen gewählten Delegierten zu der Konferenz zu entsenden.48
Bei der großen Zahl an Priestern hatte Keppler nur von relativ wenigen „schwarzen Schafen“ zu berichten. „Skandale gibt es sehr selten und wenn sie geschehen, werden sie streng bestraft.“49 Ausführlicher schreibt er 1913, dass er in den vergangenen Jahren gegen einen Priester wegen Trunkenheit und gegen vier weitere wegen Keuschheits-Delikten habe vorgehen müssen. Zwei von ihnen mussten die Diözese verlassen, zwei verloren ihr Benefizium und wurden nach einer Bußzeit mit einer weniger bedeutenden Stelle versehen. Gefallene Priester schickte Keppler zu Exerzitien in ein Kloster. Der Skandal in der Pfarrei werde durch sofortige Entfernung und die Sendung eines guten Nachfolgers repariert.50 Etwas bewegter war dann offenbar der Fünfjahreszeitraum von 1913 bis 1918, nicht zuletzt wegen des Krieges. Keppler berichtet, dass er, um einen Skandal zu vermeiden, einen Pfarrer wegen unsittlicher Gespräche und Berührung von Frauen sowie wegen Trunkenheit zur Resignation auf seine Stelle gedrängt habe. Er sei nach der Pensionierung dann bald gestorben. Ein anderer Pfarrer habe mit einer jungen Frau ein Kind gezeugt, habe die Stelle dann verlassen, sich im Krieg bewährt und erhalte nunmehr eine neue Stelle. Zwei Pfarrer hatten Verhältnisse mit Frauen, deren Männer im Krieg waren. Einer von ihnen sei suspendiert und zum Sanitätsdienst eingezogen worden, der andere habe seine Stelle aufgegeben und sich auf Dauer in ein Kloster zurückgezogen. Ein weiterer Pfarrer habe seinen guten Ruf verloren, sei aber, da die Regierung eine Pensionierung verweigert habe, nach Ablauf eines Jahres auf eine andere Stelle versetzt worden. Schließlich hätten zwei Priester schwer gegen das sechste Gebot gesündigt. Da ihr Verbrechen aber geheim geblieben sei, seien ihnen nach einer Bußzeit andere Stellen bzw. Aufgaben übertragen worden. Hier muss aufgrund der Ausdrucksweise von Keppler offenbleiben, wobei genau es sich bei dem sexuellen „crimen“ gehandelt hat.51 Die Relation von 1913 weist übrigens ausdrücklich – aber in einem anderen Kontext – darauf hin, dass der Bischof den geheimen Teil der Dokumente bei sich aufbewahrt; insofern sind die Statusrelationen der wohl einzige historische Anweg zu diesem Thema.52
Wenn die württembergische Regierung auch nicht alle seine Pensionierungswünsche erfüllte, so konnte Keppler 1913 immerhin nach Rom melden, dass sich die Besoldungssituation für die Geistlichen beträchtlich verbessert hätte: Seit 1911 sei eine altersabhängige Progression eingeführt worden, so dass Pfarrer neun Jahre nach der Ordination 2.500 Mark pro Jahr erhielten, nach 27 Jahren 3.800 Mark, Kapläne stiegen entsprechend von 2.000 auf 2.800 Mark. Für die Besetzung der Pfarrstellen wurde im Übrigen