Tatort Oberbayern. Jürgen Ahrens

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Tatort Oberbayern - Jürgen Ahrens

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sie fertig war, sagte er: »Du musst Rosa Adelhofer allein erwischen, die soll dir Lukas’ Zimmer zeigen. Eltern wissen in der Regel so gut wie nichts über ihre erwachsenen Kinder, und in dem Fall ja wohl erst recht nicht. Drum musst du in das Zimmer.«

      Katharina grinste. »Olli, danke, stimmt, du hast recht. Deswegen will ich morgen Vormittag fahren, da sitzt Max Adelhofer nämlich am Stammtisch.«

      »Wunderbar, wir sehen uns morgen Abend, tschüss Katharina.« Und aufgelegt – keine Frage nach irgendwelchen Krankheitssymptomen. Sie vermisste es fast ein bisschen.

      München Bogenhausen

      »Du kriegst die Kohle. Gleiche Zeit, gleicher Ort. Wer sie bringt, weiß ich noch nicht.«

      Jana runzelte die Stirn. Etwas freundlicher könnte er schon sein. Sie war schließlich nicht schuld an dem Schlamassel. Sie wollte nur ihren gerechten Lohn. Wie es vereinbart war. Sie hatte den Preis klar genannt. Dass die Stimmung ihr gegenüber nicht besser geworden war, nicht ihr Problem.

      Ein böses Grinsen ging über ihr Gesicht, verwandelte sich aber sofort, als sie eine gerade eingegangene E-Mail in ihrem offiziellen Account entdeckte. Thomas Herbinger meldete sich brav zurück. Sie hatte es gewusst. Männer waren alle gleich. Sie überprüfte mit einem schnellen Griff den Sitz der blonden Welle und las:

      »Liebe Jana, danke für den Support bei meinem neuen Smartphone. Klappt super. Herzliche Grüße, Thomas.«

      Sprachlos starrte sie auf ihren Laptop. Was sollte das heißen? Ein verlängertes Vorspiel? Sollte sie mit ähnlichem Geplänkel über moderne Technik antworten? Oder war das das Ende, bevor es überhaupt angefangen hatte? Das würde sie nicht zulassen. Sie musste eben mit härteren Bandagen ran.

      »Das freut mich, lieber Thomas. Ich wünsche dir weiterhin viel Spaß mit deinem neuen Phone.« Wenn er die Mail öffnete, würde sich die Schadsoftware installieren. Und dann würde er sich melden – melden müssen. So schnell gab Jana Waldemat nicht auf. Sie hatte schon andere Typen rumgekriegt, es hatte immer funktioniert, immer.

      Breitbrunn am Chiemsee

      »Frau Adelhofer, sind Sie zu Hause?« Katharinas Ruf hallte durch das Erdgeschoss des alten Bauernhofs. Aus der Küche am Ende des breiten, mit alten Steinfliesen ausgelegten Ganges hörte man Musik – Radio, vermutete Katharina. Wie das auf dem Land üblich war, ging sie einfach rein und klopfte an die Küchentür.

      »Ja«, hörte sie Rosa Adelhofers Stimme. »Kommens rein.«

      Katharina betrat die Küche und fand Lukas’ und Roberts Mutter mit mehlbestäubter Schürze beim Teigkneten vor.

      In der Spüle eine Schüssel mit geschälten Äpfeln, neben der Teigschüssel warteten die Mandelstifte.

      »Hallo, Frau Adelhofer, ich bin noch mal vorbeigekommen, weil ich Sie etwas fragen wollte. Ich störe beim Backen, das tut mir leid.«

      Die alte Frau Adelhofer drehte sich um und ein kleines Lächeln erschien auf dem traurigen alten Gesicht, als sie Katharina erkannte. Sie wischte sich die Hände an der Kittelschürze ab und deutete auf den Küchentisch. »Naa, Sie stören mich gar nicht. Wissens, ich back immer einen Kuchen, wenn’s Leben dunkel is’. Und wenn jemand mit mir a Stückerl isst, is’ des a kleine Freud. Setzens sich hin und in einer halben Stund’ gibt’s einen frisch gebackenen Apfelkuchen mit Streusel und Mandeln.«

      »Hm, lecker, Frau Adelhofer, gern. Ihr Mann freut sich bestimmt auch über Ihren Apfelkuchen, oder?«

      Rosa Adelhofers Miene verdüsterte sich. »Ach der Max, der kann meine Kuchen nimma sehn, wissens. Waren halt zu viel in letzter Zeit. Haben Sie denn was rausgfunden?«

      »Leider noch nicht so richtig, Frau Adelhofer. Ich habe mir das Heftchen vom Lukas angeschaut.«

      Rosa Adelhofer nickte und belegte weiter den Kuchenteig mit Apfelschnitzen.

      »Weitergeholfen hat das leider nicht. Es ist traurig, was er schreibt, es schien ihm wirklich schlecht zu gehen.« Die akribische Zusammenstellung verschiedener Selbstmordarten, die Lukas sich offenbar aus dem Internet zusammengesucht hatte, ersparte sie seiner Mutter lieber.

      »Des hab ich schon gmerkt, dass ihm schlecht gegangen is’, und ich hab ihm nicht helfen können. Des werd’ ich mir nie verzeihen.« Verstohlen wischte Rosa sich ein paar Tränen mit der Kittelschürze von der Wange. »Wissens, was des Schlimmste is’, Frau Langenfels? Ich weiß ned, was ich mit seinem Zimmer machen soll. Jeden Tag geh ich hoch und setz mich rein und bet’ für den Lukas, und danach bin ich noch viel trauriger als vorher. Des Zimmer, des schaut schlimm aus, aber ich will’s ned ausräumen. Der Max sagt die ganze Zeit, dass wir des machen müssen, damit’s mal ein End hat. Aber ich schaff’s nicht. Können Sie des verstehen?« Frau Adelhofer schaute Katharina so traurig und zugleich hoffend an, dass sich ihr der Magen zusammenzog vor lauter Mitgefühl.

      »Natürlich verstehe ich das, Frau Adelhofer, der Lukas ist Ihr Kind. Seine Sachen sind eine Erinnerung für Sie. Vielleicht wäre es besser, wenn Sie die guten Dinge in Erinnerung behalten und nicht die traurige letzte Zeit. Sie könnten sich alte Fotoalben anschauen, das ist zwar auch traurig, aber Sie sehen, dass der Lukas viele schöne Zeiten in seinem Leben hatte.«

      Rosa Adelhofer schob den Kuchen in den Ofen, dann drehte sie sich zu Katharina um: »Wenns wollen, zeig ich Ihnen Bilder, die beiden Buben waren goldig, wies klein waren.«

      Eine Stunde später saßen die alte Frau Adelhofer und Katharina in der »guten Stube« – Rosa hatte extra das blau-weiß geblümte Sonntagsporzellan herausgeholt – bei frisch gebackenem Apfelkuchen und schauten sich Kinderfotos der Adelhofer-Buben an:

      Robert und Lukas in der Badewanne, Robert und Lukas beim Klettern, Robert und Lukas im Sonntagsstaat mit Lederhosen und Trachtenhemd, Robert und Lukas in einem Berg von Geschenken unter dem Weihnachtsbaum – eine glückliche Familie offenbar, zumindest damals, dachte Katharina.

      »Zwei hübsche Buben haben Sie, Frau Adelhofer, Sie können stolz sein.«

      »Ja, hübsch sinds beide, nur dem Lukas war des wurschd. Der Robert hat des halt ausnutzen wolln und des macht er bis heut’. Wissns, Frau Langenfels, ich hab so eine Angst, dass der Robert Geld verdienen will mit dem Lukas seim Tod. Neulich hat er den Max nach dem Computer vom Lukas gfragt. Ob er den haben könnt’. Der Max hat’s ihm nicht erlaubt, er hat gsagt, dass den noch die Polizei hat. Weil er weiß, dass ich des nicht ertragen würd’, wenn irgendwas aus dem Lukas seinem Zimmer fehlt. Aber die Polizistin hat ihn ja zurückbracht, und irgendwann nimmt der Robert den mit, des weiß ich genau, und dann macht er irgendwas Schlimmes mit den Sachen, die da drinstehen.«

      Katharina schwieg und wusste, dass Rosa Adelhofer mit ihren Befürchtungen vollkommen richtiglag. Sie sah den Buchtitel förmlich vor sich: »Die Trauer bewältigen – Robert Adelhofer und der Tod seines Bruders«.

      »Sagens, Frau Langenfels, könnten Sie den Computer vielleicht mitnehmen? Ich sag dem Robert, ich hab ihn beim Sperrmüll mitgebn, weil ich nicht wollt’, dass irgendjemand des liest, was der Lukas gschrieben hat.«

      Woher nahm die alte Frau das Vertrauen zu ihr? Katharina staunte.

      »Wenn Sie das wirklich möchten, Frau Adelhofer, mache ich das natürlich. Ich werde nichts davon lesen, was er dort gespeichert

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