Gestalttherapie in der klinischen Praxis. Группа авторов

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Gestalttherapie in der klinischen Praxis - Группа авторов EHP - Edition Humanistische Psychologie

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klares Introjekt gebe und dass sie es annimmt, macht es uns möglich, mit weniger Angst in Kontakt zu sein.

      Diese sprachliche Neudefinition bewirkt bei der Patientin eine Entspannung des Atems und ein Öffnen ihrer Körperhaltung, die ihr sogar erlaubt, ihre Handtasche abzustellen. In der darauffolgenden Sitzung kann ich sie sogar dazu auffordern, ein paar Sätze aufzuschreiben, die das Wort »Tod« enthalten, und nachzuspüren, wie sie Macht über dieses Wort hat. Nach ein paar Wochen hat die Patientin das Problem ihrer Angst gelöst und beendet die Therapie. Sie erzählt mir, dass sie mit Zustimmung ihrer Ursprungsfamilie eine Umbettung ihrer Schwiegermutter arrangiert hat und dass es ihr viel besser geht. Sie hat das Gefühl, mehr Kontrolle über sich zu haben.

      6. Schlussfolgerung

      Wenn GestalttherapeutInnen mit psychopathologischem Leiden konfrontiert sind, müssen sie das, was sie bei der KlientIn sehen, hören und fühlen in eine Landkarte umsetzen, die ihr Verständnis erleichtert, wie die KlientIn ihr Erleben im aktuellen Phänomen entwickelt hat. Wir brauchen eine Theorie, um die Entwicklung der vorherigen Kontakte im Hier-und-Jetzt zu verstehen. Um dies zu erreichen, müssen wir die Idee der Entwicklungsphasen ablegen und über die Entwicklung von Bereichen nachdenken, Kontaktfähigkeiten, die sich während des gesamten Lebens autonom entwickeln und als momentane Gestalt in der therapeutischen Situation auftauchen. Ich habe hier eine Landkarte der polyphonen Entwicklung von Bereichen gezeichnet, die es GestalttherapeutInnen ermöglicht, sich zu orientieren, indem sie die verschiedenen Verflechtungen der unterschiedlichen Bereiche im Hier-und-Jetzt des therapeutischen Kontakts erkennen. Auf diese Weise können sie die Kontaktintentionalität, das Motiv des Hilfegesuchs der PatientIn, besser unterstützen.

      Beim körperlichen Ansatz in der Gestalttherapie ersetzt das Konzept der Beziehungsmuster der Bewegung (Frank 2005) in gewisser Weise das, was das Konzept des Unbewussten für die Psychoanalyse ist. Die Suche nach dem unbewussten Impuls, der das Leben für soziale Beziehungen konditioniert, wird durch die phänomenologische Beobachtung ersetzt, wie die PatientIn ihre eigenen Muster konstruiert, nach denen sie sich Anderen annähert oder sich von ihnen entfernt. Auf diese Art wird das anatomische Wissen in die Bewusstheit einer Erfahrung in fieri10 integriert: Kurz gesagt geht es dabei um phänomenologischen Realismus, es geht nicht darum, den Konflikt zwischen den Ansprüchen einer erwachsenen Zivilisation und der urtümlich-wilden Spontaneität eines Kindes zu übersetzen.

      Widerstände [werden] in der üblichen Charakteranalyse »angegriffen«, die »Abwehrmechanismen« werden aufgelöst usw. Wenn die Bewußtheit dagegen schöpferisch ist, dann werden eben diese Widerstände und Abwehrmechanismen … als aktive Ausdrucksformen der Vitalität angesehen … (Perls / Hefferline / Goodman 2006, Bd. 1, 51)

      Das ist der Schlüssel zur Arbeit mit der Tiefe der Oberfläche, mit den körperlichen Prozessen, die im Hier-und-Jetzt den therapeutischen Kontakt bedingen: Es hat einen Grund, dass die körperliche Empfindung der PatientIn in der Beziehung besteht. Und das Gefühl, in diesem gutgemeinten Prozess unterstützt zu werden, macht es der PatientIn im Kontakt mit der TherapeutIn möglich, die körperliche Anspannung zu lösen und das Auftauchen von Bewusstheit, der Unmittelbarkeit der Sinne, der spontanen Gefühle zuzulassen. Das alte Konzept von Übertragung und Gegenübertragung kann auch durch die TherapeutIn als »an der Grenze sein« neu definiert werden: Die dichotome Mentalität, nach der die TherapeutIn den Erfahrungen der PatientIn gegenüber »neutral« bleiben muss, kann so völlig überwunden werden. Die TherapeutIn-/PatientIn-Dyade reguliert sich in dem Setting selbst und die TherapeutIn hat gelernt, dass ihre Gefühle zu diesem Feld gehören und dass sie sie für therapeutische Zwecke nutzen kann, anstatt sie als Hindernisse für die Behandlung zu betrachten.

      Wenn wir dieser Perspektive in der Psychotherapie einnehmen, können wir sogar den schwersten psychischen Störungen begegnen, die heutzutage immer weiter verbreitet sind und bei denen die primäre Beziehung zwischen Körper, Geist und Umwelt eine grundlegende Rolle spielt.

      Ruella Frank

      In ihrem Kapitel stellt Margherita Spagnuolo Lobb einen wichtigen Bereich zur Diskussion, der vor der Mitte der 1980er für GestalttherapeutInnen mehr oder weniger »verboten« war. Die Zeiten – und die Gestalttherapie – haben sich verändert und Spagnuolo Lobb ist eine der EntdeckerInnen in diesem neu eröffneten Territorium. Die Abhandlung, die sie hier präsentiert, stellt einige ihrer Forschungsergebnisse vor. Lassen Sie mich kurz die wichtigsten Punkte in diesem Kapitel zusammenfassen und als in diesem Kapitel erwähnte Forscherkollegin kommentieren, um hoffentlich noch mehr Relevantes zu diesem Thema beizutragen.

      Das Herzstück von Spagnuolo Lobbs Theorie ist ihr Konzept der polyphonen Entwicklung von Bereichen. »… das Konzept der Bereiche [geht] von klar differenzierten Kompetenzen aus. Sie entwickeln sich im Laufe des gesamten Lebens kontinuierlich weiter und interagieren, was die Harmonie (wir könnten auch sagen: die Gestalt) der aktuellen Kompetenzen eines Menschen fördert.« Ich bin ebenfalls der Ansicht, dass die Art zu Sein von Kleinkindern und Kindern nicht primär auf die Befriedigung von Bedürfnissen abzielt (was einer individualistischen Perspektive entspräche), sondern vielmehr darauf, Bedeutung mit dem/der Anderen zu schaffen (eine beziehungsorientierte Perspektive). Und ich teile die Ansicht, dass die Entwicklung keine Frage von sequentiell-phasisch ablaufenden Erfahrungen ist, sondern eher ein Phänomen von Fähigkeiten, die mit der Zeit – nicht unabhängig voneinander, sondern als eine Gesamterfahrung – eine größere Komplexität entwickeln. Als Beziehungsfähigkeit bleibt jeder Bereich im Hintergrund, bis er auf unterschiedliche Weise und mit verschiedenen Fähigkeiten, alles in Interaktion mit dem/der Anderen, abgerufen wird. Die Bereiche im Rahmen einer klinischen Behandlung zu beobachten, bedeutet nicht, sie einer bestimmten zeitlichen Entwicklungsphase zuzuordnen, was nicht unserer gegenwartszentrierten, phänomenologischen Theorie entspräche, sondern vielmehr zu verstehen, »wie die aktuellen Fähigkeiten der PatientIn zu projizieren, zu retroflektieren usw. (die sich im Laufe der Zeit entwickelt haben) sich zu einer Gestalt kombinieren, die jetzt von dem »In-Therapie-Sein« der PatientIn repräsentiert wird.« Spagnuolo Lobb integriert hier mühelos ihre Idee der sich entwickelnden Bereiche in unseren theoretischen gestalttherapeutischen Bezugsrahmen und zeigt, wie die Nachwirkungen von früheren Kontakterfahrungen – die historischen und verkörperten Beziehungsthemen – in der Gegenwart existieren und an der Kontaktgrenze klinisch erforscht werden können.

      Doch ich würde gerne genauer wissen, wie sich diese Bereiche als neu entstehende Fähigkeiten des Organismus-Umwelt-Feldes innerhalb dieses Felds formen. Welche spezifischen Elemente von Organismus und Umwelt interagieren zu einer bestimmten Zeit in der Entwicklung, sodass diese Bereiche entweder mühelos entstehen oder »entgleisen«? Und wenn sie entstehen, wie unterstützt der vorhergehende Bereich den nachfolgenden (feed-forward) und auf welche Weise unterstützt der nachfolgende den vorhergehenden (feed-back)? Antworten auf diese Fragen würden mir helfen zu verstehen, wie wir uns in einer Spirale der Entwicklung, die sich im Wachstumsprozess ausdehnt, auf Autonomie und Beziehungsreife zubewegen.

      Zusätzlich dazu leistet Spagnuolo Lobb hervorragende Arbeit, indem sie das ganze Kapitel hindurch die untrennbare Verbindung zwischen geistigen und körperlichen Prozessen betont. Ich würde mir eine detailliertere Beschreibung davon wünschen, wie dies in das Beziehungsfeld eingebettet ist, in dem die Bereiche ko-kreiert werden. Die phänomenologische Beschreibung der Bereiche in den ersten drei Jahren ihrer Entstehung auszuarbeiten, würde die hier präsentierten Konzepte verdeutlichen und noch mehr wichtige Daten liefern, die auf Aspekte der klinischen Bezugnahme angewendet werden können, z. B. der Bereich der Konfluenz; die Fähigkeit, zu sein, ohne Grenzen wahrzunehmen; die Fähigkeit des Kindes: die Fähigkeit des Kindes, den/die signifikante(n) Andere(n) intersubjektiv und intuitiv zu erkennen.

      Lassen Sie mich diesen Bereich in einem kurzen Einschub noch genauer umreißen.

      Die Mutter öffnet die Tür zum Zimmer des

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