Für Freiheit, Lincoln und Lee. Michael Schenk
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Friedrich sagte nichts. Die Selbstverständlichkeit der Drohung hätte ihn eigentlich nicht schockieren dürfen. Im Grunde war er sogar eher überrascht, dass er und seine Brüder überhaupt noch lebten.
Vor ihnen auf dem Niedergang ertönten erneut Schritte und schon sah Bernd Kahlmann sie grinsend an. Dieser schien überhaupt nicht mitbekommen zu haben, was sich an Deck ereignet hatte. Der Zimmermannsgeselle lachte Lerousse an und die Brüder sahen, wie ihr Freund seine Hose zuknöpfte. Dann lachte er auf und zuckte die Achseln. „Auch nicht anders, als die Tochter eines Herzogs.“
Friedrich erbrach sich über die Reling und seine Brüder stützten ihn.
So ging die lange Reise weiter und die Brüder waren sich an keinem der Tage sicher, ob sie lebend an ihrem Ziel ankommen würden. Die Marbelle befuhr nun den atlantischen Ozean. Manche Tage waren ruhig und die Baumgarts hätten die Fahrt genießen können, wäre ihnen nicht immer wieder bewusst geworden, auf was für einem Schiff sie sich befanden. Es wurde ihnen immer wieder vor Augen geführt. Etliche der afrikanischen Frauen wurden von der Mannschaft der Marbelle vergewaltigt, und nur die Gewissheit, damit Selbstmord zu begehen, hielt die Brüder davon ab, dagegen einzuschreiten. Sie sonderten sich von den anderen ab, so gut es ging, und versuchten, die Augen vor dem Elend und der Not zu verschließen. Gelegentlich wurde ein lebloser Körper über Bord geworfen, doch das geschah selten. Das schwarze Gold war zu kostbar, um sinnlos verschwendet zu werden. Der Hass der Geknechteten im Unterdeck schien selbst durch die Bohlen der Deckbeplankung spürbar und schließlich riskierten es selbst die Berber nicht mehr, sich alleine zu den angeketteten Gestalten zu begeben.
Neben dem inneren Ansturm ihrer Gefühle lernten die Deutschen auch die Stürme des Ozeans kennen. Der Kapitän und die Crew schienen ein Gespür dafür zu haben, aber für die Deutschen war es überwältigend, wie rasch der klare Himmel plötzlich schwarz wurde, und dann Blitze zuckten und peitschende Wellen das kleine Schiff herumzuwirbeln schienen. In solchen Momenten waren sie nicht die einzigen, denen es übel wurde. Auch wenn sie die Männer der Mannschaft aus tiefster Seele verachteten, so mussten sie doch deren Mut anerkennen. Klaglos hingen diese Seeleute in der Takelage, auch wenn das Schiff weit zur Seite kränkte und die Matrosen frei über dem tobenden Meer hingen. Mehr als einmal schlugen die Brecher über das Schiff, spülten alles lose mit sich und wer an Deck war, der musste sich an den sogenannten Sorgleinen sichern, um nicht selbst zum Treibgut zu werden.
Irgendwie überstand die Marbelle alle Unbilden und drängte unentwegt dem Kontinent Amerika und ihrem Ziel entgegen. Das Schiff brauchte für die Überfahrt fast zwei Monate und die Deutschen hatten keine Ahnung, ob das eine schnelle oder langsame Fahrt gewesen war, doch der Kapitän war offensichtlich zufrieden. Er blickte auf die Küstenlinie die vor ihnen auftauchte. „Amerika, meine Freunde. Ihr seid am Ziel. Im gelobten Land.“
Sie hatten erwartet, eine tiefempfundene Freude in sich zu spüren. Friedrich fühlte sich hin und her gerissen zwischen Erwartung auf das Neue, was sich ihnen bieten würde und dem Ekel über das, was er zugelassen hatte. Aber er wusste, dass sie sonst nicht überlebt hätten. Die Marbelle glitt auf die Küste zu, als der Ausguck oben im Mast einen lauten Schrei ausstieß und auf die ferne Küste wies. De Croisseux trat an die Reling und hob sein Fernglas an Auge. Er stieß einen innigen Fluch aus. Dann grinste er die Baumgarts und Kahlmann an.
„Zum Abschluss der Reise wird euch doch noch etwas Spannendes geboten.“ Er lachte leise auf. „Eine englische Dampffregatte. So wie es aussieht, eine der ganz neuen. Das wird ein aufregendes Rennen.“
Die Marbelle beschleunigte und die langsame Annäherung des englischen Kriegsschiffes erinnerte an die Verfolgungsfahrt vor der afrikanischen Küste. Aber diesmal stand die britische Fregatte zwischen dem Sklavenschiff und seinem Ziel.
„Wir sind noch außerhalb der amerikanischen Hoheitsgewässer“, knurrte Lerousse. „Die Engländer sind schneller und wollen uns abdrängen. Und sie sind darauf aus, uns zu entern.“ Er grinste sie an. „Sind vielleicht scharf auf das Prisengeld. Ein aufgebrachtes Schiff wird von der Admiralität verkauft. Da fällt was ab für die Crew, die das Schiff eingebracht hat.“
Lerousse blickte zu dem Engländer. Friedrich trat neben ihn. „Er hat keine Schaufelräder.“
„Nein.“ Lerousse seufzte. „Schraubenfregatte. Hat am Heck einen Propeller im Wasser, der das Schiff antreibt. Kein Wasserwiderstand an den Radschaufeln. Ja, die sind schneller als wir.“
Dem Kapitän war bewusst, dass der Engländer sie erreichen würde, bevor die Marbelle amerikanische Hoheitsgewässer erreichte. De Croisseux rief ein paar Befehle nach unten. Die Baumgarts und Kahlmann wichen zurück, als Mannschaftsmitglieder verdreckte und verängstigte Schwarze an Deck zerrten und zur Reling schoben.
„Was soll das?“, fragte Karl unsicher.
„Ihr werdet es gleich sehen“, sagte Lerousse angespannt.
Die Fregatte kam näher und es wurde deutlich, um wie viel größer sie war. Von der Gaffel des Schiffes flatterte eine übergroße weiße Fahne, mit dem roten Georgskreuz und einem kleinen Unionjack in der oberen Ecke. „Welche Ehre“, spottete Lerousse. „Sie haben sogar die Kriegsflagge für uns gehisst.“
„Nah genug!“, rief der Kapitän. „Sie können alles sehen.“
Matrosen hoben die schwarzen Sklaven auf die Reling. Friedrich stöhnte auf, als ihm klar wurde, was geschehen würde und dass er und die anderen erneut hilflos waren. De Croisseux gab einen Wink und mit einem Aufschrei wurde der erste Sklave ins Wasser hinabgestoßen. Noch immer in eisernen Handfesseln verschwand er rasch unter der Oberfläche. Der Kapitän wartete einen Moment, winkte erneut, dann wieder und wieder. Jedes mal starb ein hilfloser Mensch und es ließ die Besatzung der Marbelle scheinbar völlig ungerührt.
Plötzlich drehte die englische Fregatte ab. De Croisseux nahm seine Schirmmütze ab und winkte spöttisch hinüber. „Verdammt, diese englischen Bastarde haben sich Zeit gelassen. Das hat uns eine Menge Geld gekostet.“ Er sah die Baumgarts an. „Sie drehen jedes Mal ab, wenn ihnen klar wird, dass wir sonst alle Schwarzen über Bord werfen. Sind zu weich, die Briten. Natürlich werden sie sich bei den Yankees über uns beschweren, aber Sklaverei ist hier noch nicht verboten. Und außerdem, “ er blickte zum Bug und lächelte erneut, „sind wir jetzt in amerikanischen Gewässern. Willkommen in Amerika.“
Hinter ihnen verlangsamte das englische Kriegsschiff seine Fahrt und drehte ab, während vor ihnen die Küste Amerikas immer größer wurde. Der Verkehr wurde dichter. Immer mehr Schiffe liefen auf einen bestimmten Punkt an der Küste zu oder entfernten sich von ihm.
„Da vorne liegt Charleston“, erklärte Lerousse. „Manche sagen, die Stadt sei das Herz Amerikas und nicht dieses kalte Washington, oben im Norden.“
Sie fuhren in eine Bucht ein und erkannten an ihren Rändern Befestigungsanlagen. Meist waren es nur die typischen Schanzen von Küstenbatterien, aber vor ihnen, im Hafen selbst, erhob sich eine wuchtige Kontur über der das Sternenbanner flatterte.
„Fort Sumter“, sagte der Kapitän.
Sie musterten die Festung, während die Marbelle an ihr vorüber glitt. Das Fort war ein unschöner eckiger Kasten mit dicken Mauern. Als kleine Insel ragte es mitten im Wasser auf, ohne jegliche feste Verbindung zum Land. Die Wände schienen gespickt mit Schießscharten. Die Marbelle grüßte die amerikanische Hoheit durch das Dippen ihrer Flagge. De Croisseux wies auf die vorbei gleitende Festung. „Die Yankees lieben es, sich mit anderen zu schlagen. Erst haben sie mit den Engländern gegen die Franzosen um den Kontinent gekämpft,