Der rote Feuerstein. Kim Scheider
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Читать онлайн книгу Der rote Feuerstein - Kim Scheider страница 9
Paul zeigte auf den hochgetürmten Stapel. „Die werd’ ich wohl gleich mal wieder zurückbringen, vielleicht haben die ja noch andere Sachen da.”
„Wie wär’s, wenn du dir einen Augenzeugen besorgst?” Augenzwinkernd sah seine Mutter ihn an und grinste. „Dann kannst du ja um ein Exklusivinterview bitten.”
Irgendwie konnte Paul nicht mitlachen, als seine Eltern in schallendes Gelächter ausbrachen.
Enttäuscht trat Paul bald darauf aus der Bücherei und sah sich um. Die Sonne strahlte am Himmel, als wolle sie schon im Frühling die Sonnenscheinstunden für das ganze Jahr zusammenbringen und nur ein leichter Wind spielte mit Pauls Haarspitzen. Es war ein richtig idyllischer Tag und nichts Auffälliges war zu sehen, weder auf der Düne, noch auf der Insel. Als wolle die allgemeine Atmosphäre Pauls Erlebnisse vom Vortag Lügen strafen. Lediglich die Ankündigung eines Unwetters vorhin im Radio passte zu seiner miserablen Laune, und der Besuch in der Bücherei hatte diese nicht gerade verbessert. Kein einziges Buch hatte er mehr ergattern können. Alles, was die Bücherei zu bieten hatte, hatte er gestern schon bekommen.
Einen Augenzeugen finden, sehr witzig!, dachte Paul verärgert, als er darüber grübelte, wie er sonst noch an Informationen kommen könnte. Mein Augenzeuge hat offenbar beschlossen, den Kontakt zu mir abzubrechen.
Gemächlich stieg er die 181 Stufen der Haupttreppe vom Unterland zum Oberland hinauf und blickte von oben erneut zur Düne. Die Dünenfähre tuckerte gerade gemütlich hinüber. An den Stränden der Düne spazierten vereinzelt ein paar Touristen und versuchten sich darin, Bernsteine zu finden und Seehunde zu beobachten. Alles war so wie es sein sollte. Vielleicht war ja doch einfach nur seine Phantasie mit ihm durchgegangen und er hatte letzten Endes alles nur geträumt.
Bestimmt sogar!
Zwar wusste Paul ziemlich genau, dass dem nicht so war, aber ein Eingeständnis hätte auch bedeutet, dass er es akzeptiert hätte und soweit war er einfach noch nicht. Er stapfte nachdenklich und auch etwas ärgerlich durch die Gassen des Oberlandes und bemerkte erst, als er davor stand, dass seine Füße ihn mit traumwandlerischer Sicherheit zu dem einzigen offiziellen Eingang der Bunkeranlagen geführt hatten. Dort unten hatte er den Stein gefunden, der ihm nun all diese unglaublichen Ereignisse bescherte. Und irgendwo hier unter ihm sollte es also liegen, das geheime Tor nach Atlantis.
Laut Vicki.
Einer kleinen geflügelten Fee, die behauptete, nicht nur eine Prinzessin mit Zauberkräften zu sein, sondern obendrein noch bald zur Königin der sagenumwobenen Insel gekrönt zu werden.
So wirklich konnte Paul es immer noch nicht glauben.
Sein Blick fiel auf ein kleines Plakat neben dem Bunkereingang. Die Termine für die Führungen waren dort angeschlagen, nebst Kontaktperson, Preisen und Treffpunkt zur jeweiligen Veranstaltung.
Vielleicht sollte ich noch einmal eine mitmachen, überlegte Paul. Die nächste wäre noch am gleichen Nachmittag. Der Zugang muss doch eigentlich ganz in der Nähe von der Stelle sein, wo ich den Schlüsselstein gefunden habe. Ich brauche also nur noch das richtige Loch zum Schlüssel finden. Vielleicht? Wenn man in etwa weiß, wonach man sucht... Das kann doch nicht so schwer sein, ich will ja nur mal gucken!
Gerade hatte Paul den Gedanken zu Ende gebracht, da war ihm, als hätte er eine Bewegung hinter dem Gitter gesehen, das den Zugang zum Bunker versperrte. Aufgeregt ging er ein Stück näher heran. War da nicht was? Etwas, das noch dunkler war, als das sowieso schon trübe Licht im Bunker?
Als ihm bewusst wurde, was das zu bedeuten hatte, fixierten ihn auch schon zwei giftgrün leuchtende Augen aus dem Dunkel heraus. Eiskristalle schienen sich in Pauls Haut bohren zu wollen. Er fühlte sich plötzlich von der Außenwelt wie abgeschnitten. Eine selbst für Helgoland ungewöhnliche, fast schon schmerzhafte Stille umgab ihn. All die sonst so charakteristischen Geräusche - Meeresrauschen, Möwengeschrei, ein vorbei tuckerndes Fischerboot, das Gebrabbel der ihn umgebenden Menschen - einfach ausgeblendet. Eine Stimme, wie das dunkle Grollen eines Erdbebens, dröhnte ihm aus der Tiefe entgegen.
„Bring mir die Fee und du hast nichts zu befürchten!” Bis dicht an den Bunkereingang war das Untier inzwischen aus der Tiefe hervorgekrochen.
„Niemals!”, schrie Paul, obwohl die Angst ihm wie eine Würgeschlange den Brustkorb zerquetschen wollte.
„Dann hat sich dein Schicksal entschieden”, fauchte der Rochusmensch wutentbrannt, während der Junge die Flucht vor dem Dämon antrat. Als er um die nächste Ecke rannte, konnte er gerade noch erkennen, wie sich der Rochusmensch einem Gespenst gleich durch das Gitter gleiten ließ und die Verfolgung aufnahm.
Wieder rannte Paul um sein Leben, und wieder bewies ihm sein Muskelkater, dass er hellwach war und keineswegs träumte. Er flog geradezu die Stufen der Treppe zum Unterland hinab und versuchte dabei, die Schmerzen in seinen Schenkeln zu ignorieren.
Die anderen Leute auf der Treppe starrten ihn irritiert an. Den einen oder anderen schien er in der Hast auch über den Haufen gerannt zu haben, aber die Panik hatte ihn so im Griff, dass er das Geschimpfe kaum wahrnahm. Er fragte sich vielmehr, warum keiner der anderen Anstoß an dem schwarzen Ungetüm nahm, das inzwischen ebenfalls die Stufen erreicht hatte und ihn mit den grün leuchtenden Augen auszumachen suchte.
Ein älterer Mann, scheinbar ein Insulaner, hielt Paul am Arm fest und redete entrüstet auf ihn ein. Was für ein ungehobelter Rüpel er doch sei, ob er sich nicht wenigstens mal entschuldigen wolle und so weiter. Doch das alles interessierte Paul herzlich wenig. Er nahm nur wahr, dass jemand ihn an der Flucht hindern wollte, wo der Rochusmensch ihn doch fast schon erreicht hatte. Er konnte bereits wieder die Eiskristalle in seine Haut stechen spüren. Ruckartig riss er sich von dem alten Herrn los und rannte wie ein gehetztes Tier weiter.
„Eingebildeter Festlandaffe!”, zeterte ihm der Alte hinterher, doch Paul hörte ihn schon gar nicht mehr.
Wohin nur? Wohin?
Zur Ferienwohnung war es zwar nicht mehr weit, aber er wollte nicht auch noch seine Eltern in Gefahr bringen. Also lief er nach rechts, die Siemensterasse entlang. Wieder musste der eine oder andere „Im-Weg -Rumsteher” dran glauben, unter anderem auch Frau Piel, die aber auch wirklich blöd dastand.
Wenn das so weiter geht, kann ich mich hier bald nicht mehr blicken lassen!, dachte Paul, während sein Herz gegen den Brustkorb hämmerte und er verzweifelt überlegte, wie er den Verfolger am besten würde abhängen können.
Paul bog in eine Seitengasse ab, schlug Haken wie ein Kaninchen und landete schließlich am Südstrand, wo er an den ganzen Hotels vorbei lief und sich in einen der zollfreien Läden am Lung Wai, Helgolands „Hauptstraße” flüchtete. Noch völlig außer Atem tat er so, als würde er die Auslage im Schaufenster bewundern, doch in Wirklichkeit wollte er natürlich wissen, ob der Rochusmensch es geschafft hatte, seiner Spur zu folgen.
Drei, hatte Vicki gesagt, gäbe es von diesen Alptraumgestalten. Ob sie sich wohl alle drei auf Helgoland aufhielten? Was, wenn sie ihn bereits umzingelt hatten? Er würde wohl kaum eine plausible Erklärung finden, warum er sich spätestens zum Ladenschluss nicht aus dem Geschäft bewegen lassen würde. Zumal er offenbar der einzige war, der die Rochusmenschen überhaupt sehen konnte. Von Vicki mal abgesehen. Vielleicht lag das an dem Feuerstein, der ihn mit Atlantis und damit seinen Wesen verband.
Doch zunächst sah auch er keinen einzigen von