Emilie. Angela Rommeiß

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Emilie - Angela Rommeiß

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viermal sagen, wie lange es noch dauert. Wann backen wir Plätzchen, Mutterle?“

      „Ach“, seufzte Wilhelmine, „ich muss sehen, ob ich überhaupt noch genug Zucker habe. Wenn doch nur die Hühner mal ein Ei legen wollten! Na, wir rühren schon was zusammen, gell?“

      Emilie nickte. Sie warf den fertiggestopften Fäustling auf den Tisch und streckte sich. Vor zwei Wochen hatte sie Geburtstag gehabt und war nun elf Jahre alt. Ihre Mutter befand den Zeitpunkt für günstig, sie unter vier Augen über das Frauentum aufzuklären und was es mit dem Kinderkriegen auf sich hatte. Einiges hatte Emilie schon vorher geahnt oder sich zusammengereimt, aber jetzt, wo sie über alle Zusammenhänge Bescheid wusste, fühlte sie sich sehr erwachsen. Wilhelmine musste oft lächeln, mit welch herablassender Geduld Emilie jetzt manchmal mit ihren jüngeren Geschwistern umging. Gerade so, als wäre sie schon eine reife, abgeklärte Frau, die sich großmütig mit kleinen Kindern abgab. Meistens aber vergaß sie dieses Gehabe schnell wieder und dann war sie wieder das unbeschwerte Kind, das fröhlich spielte und lachte- und das war der Mutter auch lieber so. Ohnehin hatte das Mädchen schon viel zu oft die Pflichten einer Erwachsenen zu übernehmen, sei es bei der Feld- und Hausarbeit oder beim Kinderbetreuen. Außerdem ertappte sich Wilhelmine immer öfter dabei, wie sie ihrer ältesten Tochter ihr Herz ausschüttete und sie an ihren eigenen Problemen und Ängsten teilhaben ließ. War das gut für ein Kind? Wilhelmine wusste es nicht.

      Es wurde wirklich Zeit, dass sie wieder unter Menschen kam. Ob sie noch einmal einen Mann fand? Sie war ja erst fünfunddreißig und eigentlich noch recht ansehnlich, wenn auch ein bisschen zu mager. Aber welcher Mann wollte schon eine Frau mit fünf Kindern heiraten? Wenn Jacob nur ein bisschen älter wäre! Der Junge wurde im Frühjahr dreizehn. Konnte ein Dreizehnjähriger seine Mutter und vier Geschwister ernähren? Wilhelmine blickte zu Jacob und Eduard hinüber, die auf dem Boden saßen. Jacob schnitzte. Eduard türmte geduldig kleine Holzscheite übereinander. Wenn er mal nicht hinsah, schubste Jacob den wackeligen Turm schnell mit dem Fuß um und freute sich diebisch, wenn der Kleine mit einem empörten Schrei herumfuhr. Edi hatte schon so eine Ahnung, dass sein Bruder hinter den Anschlägen steckte, aber mit unschuldigen Augen verstand es Jacob immer wieder, den Kleinen glauben zu machen, der Turm sei von allein umgefallen. Dieses Spiel konnte stundenlang so gehen, denn Edi wurde nicht müde, sein Türmchen immer wieder aufzubauen. Paula hatte sich in der Kammer zu Selma ins Bett gekuschelt und erzählte ihr Schauergeschichten von Hexen und Räubern.

      „Das Holz ist alle, Jacob!“, meldete Emilie und sah ihren Bruder auffordernd an. Holzholen fiel in dessen Aufgabenbereich. Als Jacob sich widerwillig erhob und sein Schnitzmesser weglegte, stieß ihn Emilie verstohlen in die Seite. Schnell packte daraufhin Jacob seine Werkzeuge in ein Tuch und nahm sie mit hinaus. Emilie ging ein Weilchen später hinterher. Die Mutter stutzte, als sie bemerkte, dass Emilies Nähkörbchen fehlte. Die Beiden hatten wohl Heimlichkeiten? Da kam Selma im Hemdchen in die Stube getappt.

      „Paula heia!“, krähte sie und klatschte in die Händchen.

      „Selma, Kind!“, rief die Mutter. „Du sollst doch nicht aufstehen!“ Sie nahm die Kleine hoch und wickelte sie schnell in ihr Umschlagtuch. Als sie sie in die Kammer trug, lag Paula tatsächlich schlummernd in den Kissen. Die Wärme des Federbettes hatte sie schläfrig gemacht.

      „Na, Traumsuse!“, rief die Mutter neckend und strich dem Kind über die Wange. „Willst wohl heute kein Abendessen, was?“ Verschlafen richtete sich Paula auf.

      „Mama?“, fragte sie, sich die Augen reibend. „Ist das Christkindl jetzt da?“

      Es wurde ein schönes Weihnachtsfest, wenn auch das Festessen recht kärglich ausfiel. Am Heiligen Abend nahmen sie am Gottesdienst mit anschließender Abendmahlsfeier in der kleinen Kirche teil und besuchten danach Wasile und seine Eltern. Die Kinder bekamen süßes Gebäck geschenkt und bedankten sich artig.

      Wilhelmine hatte für Wasiles Mutter eine hübsche Linnenhaube genäht und schön bestickt.

      Die alte Frau freute sich sehr und setzte die Haube auch gleich auf. Zu Wilhelmines Verblüffung band sie aber anschließend ihr großes, wollenes Kopftuch darüber. Wie haben sie zu Hause über diesen Vorfall gelacht!

      Für alle Kinder hatte Wilhelmine eine Kleinigkeit vorbereitet. Jacob und Emilie bekamen schöne, warme Wollstrümpfe und fanden jeder ein glänzendes Geldstück darin. Paula freute sich über eine große Puppe aus Stoff, die ‚richtige‘ Augen aus Knöpfen hatte und ein rotes Kleidchen trug. Die beiden Kleinen bekamen neue Mützchen und dazu passende Handschuhe, außerdem zusammen ein Säckchen voller Bausteine. Die Klötzchen hatte Jacob in liebevoller Kleinarbeit aus verschiedenen Holzarten geschnitzt und geschmirgelt. Da war der Jubel groß! Sie schütteten die Bausteine auf den Boden und spielten den ganzen Abend damit. Edi machte später, als er Schlafen gehen sollte, solch ein Gezeter, bis er einen mit ins Bett nehmen durfte.

      Auf dem Tisch stand ein großer Teller mit Äpfeln, Nüssen, Trockenpflaumen und Plätzchen. Die Kinder durften davon essen, soviel sie mochten.

      Jacob und Emilie hatten für die Mutter in Gemeinschaftsarbeit ein Nähkästchen hergestellt. Es hatte mehrere Fächer und einen Deckel. Innen war es mit Stoff ausgeschlagen und ein hübsches Nadelkissen lag auch darin. Wilhelmine freute sich sehr und weinte sogar ein bisschen. Gleich räumte sie ihre Garne, Nadeln und die Schere in das Nähkästchen ein und versicherte den strahlenden ‚Großen‘, noch niemals solch ein schönes Geschenk bekommen zu haben. Dieses Weihnachtsfest war eines der schönsten, an das sich Emilie später erinnerte.

      * * *

      Es war ein klarer, kalter Morgen im Februar des Jahres 1906.

      Die Wintersonne lugte gerade über den Hügel jenseits des Flusses, der fast zugefroren war. Als sie höher stieg, wurde aus der roten Sonne eine goldene, die blitzende Strahlen schickte. Ein paar davon erreichten soeben die Haustür der kleinen Hütte und spiegelten sich in den Scheiben des Fensters, als knarrend die Türe ein kleines Stück aufging und die winterliche Stille unterbrach. Emilie erschien mit einem Eimer. Hu, war das kalt! Sie stellte den Eimer ab und band schnell das Tuch um Kopf und Schultern, dann stemmte sie sich gegen die Tür, um mit ihr den Schnee wegzuschieben. Mit großen Sprüngen hüpfte das Mädchen über den frischgefallenen Schnee und hinterließ ihre Spuren im jungfräulichen Weiß. Am Brunnen zerbrach sie die Eisschicht, schöpfte Wasser in den Eimer und eilte schnell zurück ins Haus. Bald stieg Rauch aus dem Schornstein, es klapperte Geschirr und Stimmen ertönten. Ein Tag begann. Es sollte ein besonderer Tag werden, aber davon wussten sie noch nichts. Am Frühstückstisch diskutierte Jacob mit seiner Mutter darüber, ob er heute in die Schule gehen sollte oder nicht.

      „Es ist kein Durchkommen draußen, sieh doch selbst!“, ereiferte sich Jacob gerade und zeigte aus dem Fenster, als tobe dort ein Orkan. Wilhelmine sah mit ihm hinaus. Friedlich hüpften die Spatzen über die zarte Schneedecke im Hof.

      „Niemand wird da sein, wir werden wieder die einzigen sein!“ So schnell gab Jacob nicht auf.

      „Wieder?“, fragte die Mutter und zog zweifelnd die Augenbrauen in die Höhe. „Warst du je der Einzige in der Schule? Ehrlich!“

      Jacob wand sich. „Na ja, neulich haben drei Kinder gefehlt ...“

      „Erkältet!“, warf Emilie im Vorübergehen ein, als sie die Kanne zum Tisch trug. Jacob warf ihr einen zornigen Blick zu.

      „Na und, jedenfalls haben sie gefehlt!“

      „Aber du wirst heute nicht fehlen!“, bestimmte die Mutter und goss Tee in die Tassen. Maulend ließ sich Jacob am Tisch nieder und schubste Emilie mit dem Ellenbogen.

      „Wegen

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