Marattha König Zweier Welten Gesamtausgabe. Peter Urban

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Marattha König Zweier Welten Gesamtausgabe - Peter Urban

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»Das Schwarze Loch von Kalkutta« in die Geschichte des Landes einging.

      Clive war einer der Männer gewesen, die lebend entkommen waren. Der damals unbedeutende Schreiber der Ostindischen Kompanie war von nun an so sehr vom Wunsch nach Rache erfüllt, dass er zum Militär ging. Ein Jahr später besiegte er die Inder in einer glorreichen Feldschlacht bei Plassey, stellte Englands Vorherrschaft im Lande wieder her und befahl den Bau der Festung Fort William an den Ufern des Hoogley.

      Die Blicke des Obersten schweiften mit dem fachmännischen Blick des gut ausgebildeten Berufssoldaten über die schweren Außenmauern, die Lünetten, die gut positionierten Schießscharten und das eindrucksvolle Glacis, das sich vor dem steinernen Meisterwerk erstreckte. Als er durch das Hauptportal schritt, machte er einen kurzen Abstecher hinter den zweiten Befestigungsring und strich beinahe liebevoll über das Mauerwerk. Arbeitskräfte gab es mehr als genug in diesem Land, und Clive hatte jeden Stein an der Oberfläche bearbeiten lassen, ähnlich wie Edelsteine.

      Arthur hatte die letzten vierzehn Tage nicht nur damit zugebracht, der kleinen britischen Kolonie in Kalkutta seine Aufwartung zu machen, in der Machtzentrale der Krone und bei der »John Company« für gutes Wetter zu sorgen und seine Studien von Sprache, Sitten und Gebräuchen Indiens voranzutreiben. Wann immer er Zeit hatte und sich unbeobachtet glaubte, verschwand er irgendwo in den Straßen und Gassen der turbulenten, fremden Stadt. Er beobachtete die Menschen und versuchte zu begreifen, wo der Unterschied zwischen seinen klugen Büchern und der Realität Indiens lag. Eines hatte er in den wenigen Tagen in Kalkutta schon begriffen: Anders als Frankreich oder seine Inseln war Indien ein unermessliches Land! Indien war ein Kontinent, auf dem die verschiedensten Volksstämme lebten, zwischen denen mitunter ein größerer Unterschied bestand als zwischen einem Franzosen und einem Preußen, einem Iren oder einem Schweden. Indien blickte auf eine Geschichte zurück, die weitaus älter war als die seiner Heimat.

      Als er an den beiden britischen Wachsoldaten vorüberkam und den Palast des Gouverneurs betrat, krampfte Arthurs Magen sich plötzlich zusammen, und all seine philosophischen Betrachtungen über seinen neuen Kriegsschauplatz verflogen, um einem einzigen, alles beherrschenden Gedanken Platz zu machen: Er wollte einen ordentlichen Eindruck auf Sir John Shore machen, den höchsten britischen Beamten im Lande. Arthur hatte bereits den Vertreter der Ostindischen Kompanie getroffen, William Hickey, und diesen für sich eingenommen. Nun musste er noch den verlängerten Arm seines Königs überzeugen und sein Regiment von den Fleischtöpfen Kalkuttas an eine Front versetzen lassen, wo die Männer für Englands Ruhm und ihre Soldatenehre kämpfen konnten.

      Er reichte einem indischen Bediensteten seinen federgeschmückten

      Zweispitz und die weißen Handschuhe. Dann zog er die rote Jacke glatt, wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn und klopfte energisch an die Tür. Eine hohe, beinahe weiblich klingende Stimme bat ihn einzutreten. Das Arbeitszimmer des Gouverneurs war ein großer, sechseckiger Raum. Fünf Wände waren von Bücherregalen bedeckt, auf denen in endlosen Reihen unzählige Bände standen. Der Schreibtisch von Sir John war riesig und so mit Papieren beladen, dass der Gouverneur hinter ihm puppenhaft klein erschien. Arthur schlug schneidig die Hacken zusammen und legte die Hand zum Gruß an die Stirn. Die hohe, schwere Tür schloss sich wie von Geisterhand hinter dem Offizier.

      »Das 33. Regiment!« Sir John strahlte den jungen Offizier an, der in Hab-acht-Stellung vor ihm verharrte. »Ich freue mich, Sie zu sehen, Oberst Wesley! Stehen Sie bequem! Setzen Sie sich! Wir sind nicht in den finsteren Gemäuern der Horse Guards in London. Möchten Sie einen kühlen Zitronentee oder ein Glas Pfefferminzlimonade?« Ein freundlicher Wortschwall ging auf den verdutzten Arthur nieder. Er war solch lockere Umgangsformen von seinen Vorgesetzten nicht gewöhnt. Bestenfalls erlaubte man einem Offizier, bequem zu stehen, nicht aber, sich zu setzen oder gar mit dem Gouverneur ein Glas Limonade zu trinken und dabei zu plaudern ...

      »Mylord ...?« Arthur legte beide Hände vorschriftsmäßig, wie aus dem Drillbuch der britischen Landstreitkräfte, an die linke und die rechte Außennaht seiner ledernen Reithosen. Die joviale Art Sir Johns hatte den jungen Offizier so überrumpelt, dass er seine Unsicherheit hinter der Dienstvorschrift verbergen musste.

      Der Gouverneur schüttelte den Kopf, erhob sich hinter seinem Schreibtisch und ging zu seinem Besucher. »Na, kommen Sie, Oberst Wesley!« Eine schmale, schneeweiße Hand legte sich leicht wie eine Feder auf Arthurs Schulter und schob ihn zu zwei bequemen Sesseln und einem niedrigen Tisch aus dunklem Edelholz.

      Sir John hatte einige Mühe gehabt, die Hand auf Arthurs Schulter zu legen, ohne sich auf die Zehenspitzen stellen zu müssen. Er war klein und zierlich wie eine Balletttänzerin. Seine Vorgänger in Kalkutta waren imposantere Männer gewesen: Lord Clive, der mit dem Schwert in der Hand die Vormachtstellung Englands in Indien erkämpft hatte – ein harter, machtbewußter Soldat. Warren Hastings, sein Nachfolger, der die Errungenschaften Clives erfolgreich gegen äußere und innere Feinde verteidigt und nie einen Hehl daraus gemacht hatte, dass auch er den Weg des Schwertes dem des Wortes vorzog. Und Lord Cornwallis, Sir Johns Vorgänger, war ein bewährter Staatsmann und kampferprobter Soldat, der Indien so verwaltet hatte, wie er es für richtig befand. Wer Cornwallis nicht zu Willen gewesen war, dem hatte er mit Feuer und Schwert Vernunft beigebracht.

      Der Mann jedoch, der an diesem Nachmittag neben Wesley stand, zählte nicht zu dieser Kriegerkaste, der England üblicherweise seine überseeischen Besitzungen anvertraute. Bevor man Sir John zum Generalgouverneur ernannt hatte, war er ein hoher Beamter im Finanzministerium gewesen, dessen größte Errungenschaft die Ausarbeitung und Einführung eines funktionierenden Steuersystems für Britisch-Indien war. Sir Johns Waffen waren der Abakus, das Wort und die Feder. Er regierte die Kolonie getreu seinen Anordnungen aus London und mischte sich so wenig wie möglich in die innere Politik der Fürstentümer und Gebiete ein, die man ihm anvertraut hatte. Seine größte Sorge war, einmal im Jahr eine peinlich genaue Abrechnung der Gewinne der »John Company« zusammen mit prall gefüllten Geldtruhen in die Leadenhall Street nach London zu schicken, nachdem er zuvor pflichtbewusst den Anteil des Königs abgezogen und an das Schatzamt überstellt hatte.

      Als er Wesley endlich mit sanfter Gewalt in einen der bequemen Sessel gedrückt hatte, klatschte er in die Hände, und wie aus dem Nichts tauchte ein indischer Bediensteter neben dem niedrigen Tisch auf und servierte den beiden Männern Zitronentee. »So, und nun müssen Sie mir die letzten Neuigkeiten aus England erzählen, junger Freund!« Der Generalgouverneur lächelte.

      Arthur saß genauso steif im Sessel, wie er zuvor im Zimmer gestanden hatte. Die Leutseligkeit Sir Johns brachte ihn noch immer aus dem Gleichgewicht, und einer alten Gewohnheit folgend, richtete er den Blick auf den Boden. Doch plötzlich gewann sein Mut die Oberhand über diese Gewohnheit aus den Jugendtagen in Dublin, und er blickte Sir John in die Augen. Zwei Stunden später beendete er seinen Bericht und wagte es sogar, nach der inzwischen lauwarmen Limonade zu greifen und davon zu nippen.

      Der Generalgouverneur strahlte ihn zufrieden an. »Sehr interessant, Oberst! Sie dürfen nicht vergessen, dass wir hier sieben Monate Seeweg von London entfernt sind und unser erstes Interesse bei den

      Neuankömmlingen sich natürlich auf die Nachrichten und Informationen aus unserer geliebten Heimat richtet.«

      »Verzeihen Sie, Mylord! Ich hatte nicht daran gedacht.«

      »Ach was! Entschuldigen Sie sich nicht wie ein Schuljunge«, tadelte Sir John den Offizier freundlich. »Im guten alten England sind Sie – nicht zuletzt aufgrund Ihres Alters – einer unter vielen. Zumindest glauben Sie das, weil die hohen Herren in den Horse Guards es Ihnen eingebläut haben, nicht wahr?«

      Arthur entfuhr ein leises: »Natürlich, Mylord.«

      Der Generalgouverneur überrumpelte Arthur mit einer unerwarteten Frage. »Wie stehen Sie dazu, dass Spanien im August 1796 einen Bündnisvertrag mit der französischen Republik

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