Marattha König Zweier Welten Gesamtausgabe. Peter Urban
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Orford räusperte sich. »Wesley, ich werde Ihnen natürlich ein Empfehlungsschreiben für Sir Charles mitgeben. Ich glaube, Sie sollten ihn unbedingt sehen und sich ausführlich mit ihm unterhalten. Er ist ein intimer Kenner der gesamten politischen Lage in den unabhängigen Gebieten, und er kann Ihnen sicher viele Dinge über Tippu, den Rajah von Bullum oder den Peshwa erklären, die mir als einfachem Finanzbeamten Seiner Majestät verschlossen geblieben sind.«
Henrietta lächelte Sir Marmaduke wie eine Verschwörerin an. Sie war der Idee, den jungen Oberst des 33. Regiments als Gast ihres Vaters in seinem Haus in Poonamallee zu sehen, nicht abgeneigt. Schließlich hatte Sir Charles seine Töchter zu sich nach Indien geholt, um sie zu verheiraten.
Arthur hatte seine Enttäuschung mit Miss Pakenham zwar noch nicht überwunden, aber dieser Schmerz machte ihn nicht blind. Der Blick war seinem wachsamen Augenpaar nicht entgangen, und noch weniger entgingen ihm die vielen anderen Blicke, die Miss Henrietta ihm ganz unverfroren und selbstbewusst zuwarf. Wie alt mochte die Kleine sein? Achtzehn, vielleicht neunzehn Jahre. Er würde Ashton fragen. Diskret natürlich. Er hatte keinesfalls vor, auf das Fohlen hereinzufallen. Aber nichts sprach dagegen, sich im Rahmen des Anstands und der Ehre eines Gentlemans mit ihr zu vergnügen.
Als er sie aus dem Augenwinkel betrachtete, ging ihm durch den Kopf: »Du bist viel zu gut für einen Soldaten, bei dem du nicht weißt, ob er zurückkommt, oder ob er dich an deinem zwanzigsten Geburtstag bereits zur Witwe macht.« Er zog seine Uhr aus der Tasche und ließ den Deckel aufschnappen. Es war bereits nach fünf am Nachmittag, und es ziemte sich nicht, Sir Marmaduke und Lady Julia weiter zu belästigen. »Mit Ihrer Erlaubnis«, er verbeugte sich leicht vor Orford, »werden Oberstleutnant Sherbrooke und ich die Ladys jetzt nach Hause geleiten. Oberst Ashton hat Sir Charles versprochen, gut auf Miss Henrietta und Miss Jemima aufzupassen, und wir möchten nicht, dass er sich um seine beiden Schutzbefohlenen sorgt!«
Henrietta konnte ihre Enttäuschung über Wesleys vernünftigen Entschluss nur mit Mühe verbergen. Sir Marmaduke erwiderte die Verbeugung mit einem Augenzwinkern. »Kommen Sie morgen zum Dinner, Oberst! Ich würde mich freuen, wenn ich Ihnen ein paar Freunde vorstellen dürfte, die Ihren Wissensdurst über Indien besser zu befriedigen verstehen als ich! Um sieben Uhr also, und selbstverständlich sind Oberst Ashton, Oberstleutnant Sherbrooke und die beiden jungen Damen ebenfalls eingeladen. Lady Julia und ich genießen es, in geselliger Runde zu speisen.«
»Zu gütig von Ihnen, Sir. Sherbrooke und ich nehmen Ihre Einladung mit Freuden an, und was Miss Henrietta und Miss Jemima betrifft, werden wir Oberst Ashton um seine Zustimmung bitten!« Arthur bot der jüngeren der beiden Smith-Töchter seinen Arm an. Dann ging er mit ihr zu Lady Julia, um sich für die Einladung zu bedanken und sich zu verabschieden.
John Sherbrooke verstand ohne Worte, dass sein Kommandeur beschlossen hatte, den vergnüglichen Teil des Tages zu beenden. Er verbeugte sich galant vor der alten Dame und folgte Arthur durch den Garten der Orfords.
Kapstadt war eine reiche und europäisch geprägte Stadt. Es bereitete zu dieser Tageszeit keine Schwierigkeiten, eine Droschke zu bekommen. Noch vor sechs Uhr abends befanden Jemima und Henrietta sich wieder in Henry Harvey Ashtons Obhut, die Einladung für den folgenden Tag war abgestimmt worden, und die beiden Offiziere des 33. Infanterieregiments machten sich auf den Weg zu ihren eigenen Quartieren am Hafen, unweit des Kais, an dem die Transportschiffe der Soldaten festgemacht waren.
Arthur hatte sich für diese bescheideneren und weniger eleganten Unterkünfte entschieden, um näher bei seinen Männern zu sein.
Während die jungen Offiziere Sherbrooke, West und Shee das muntere Nachtleben von Kapstadt genießen durften, zog er es vor, gemeinsam mit dem Zahlmeister des Regiments, Sergeant-Major John Dunn, zu arbeiten. Viele Dinge mussten besorgt werden, bevor die riesigen Schiffe wieder in See stachen. Auf der Überfahrt von England nach Afrika hatten sich einige Nachlässigkeiten eingeschlichen, die Wesley missfielen und derer er für das längere Stück der Reise Herr zu werden gedachte.
Der Teil des Regiments, der Major West anvertraut und auf drei Schiffen untergebracht worden war, befand sich in Bestform. Die Männer sahen ausgeruht und gesund aus und besaßen eine glänzende Moral. Die, die unter Shee nach Kapstadt gekommen waren, machten einen anderen Eindruck auf den Offizier. Er kannte jeden seiner 733 Soldaten mit Namen. Er wusste um die Vergangenheit seiner Männer, um ihre Vorzüge und um ihre Charakterschwächen. Wenn er sich ein bisschen anstrengte, gelang es ihm sogar, fast wörtlich die Einträge auf den 733 Blättern des Regimentsbuches aufzusagen: Größe, Gewicht, Physiognomie, Bestrafungen und Auszeichnungen, Dienstjahre und Familienstand. Arthur hing mit derselben Leidenschaft und Liebe an seinem West Riding, die ein Mann in seinem Alter normalerweise der Dame seines Herzens zuteilwerden ließ. Nachdem er sicher war, dass all seine Offiziere fort waren und die Soldaten sich vollständig auf den Transportschiffen befanden, gab er Sergeant-Major Dunn ein Zeichen, ihm zu folgen.
John war der dienstälteste Unteroffizier des Regiments und ein Mann mit makelloser Vergangenheit. Bevor er den Rock des Königs angezogen hatte, war er ein wohlhabender Bauer in den schottischen Bergen gewesen. Nur der Tod seiner Frau und seiner drei Kinder, die von einer schlimmen Pockenepidemie dahingerafft worden waren, hatte ihn dazu bewogen, in die Armee einzutreten. Er war nicht aus Not oder wegen eines kriminellen Aktes den Trommeln des Anwerbungssergeanten gefolgt, sondern weil er – aus Trauer – mit seiner Heimat und seiner Vergangenheit brechen wollte. Als Arthur zum 33. Regiment gekommen war, hatte Dunn dem jungen, unerfahrenen und linkischen Offizier oft diskret geholfen. Im Verlauf der letzten drei Jahre waren aus dem Vertrauensverhältnis gegenseitige Wertschätzung und Respekt geworden. Arthur und Dunn hatten sich auf eine für die britischen Landstreitkräfte ungewöhnliche, ja gefährliche
Gratwanderung begeben: Wenn niemand in der Nähe war, gestanden sie sich ein, dass sie eigentlich gute Freunde waren!
Der Oberst schloss sorgfältig die Tür seines Zimmers, während der Sergeant-Major sich aufmachte, Kerzen in dem kleinen Raum anzuzünden. »Sir, ich glaube, die Männer verstehen nicht, dass es in diesem warmen, schwülen Klima notwendig ist, sich täglich mit Seewasser gründlich zu waschen und mindestens einmal pro Woche die Hängematten zu säubern. Sie schlafen so dicht gedrängt, dass der kleinste Floh, den der eine hat, sofort auf die restlichen 149 Rotröcke überspringt. Major Shee versteht es auch nicht. Er war die ganze Überfahrt nur damit beschäftigt ...« Er stockte und warf Arthur einen gequälten Blick zu, während dieser seinen Uniformrock auszog und sich bequem in einen Sessel fallen ließ.
»Sprechen Sie es doch einfach aus, John! Wir beide wissen es, und jeder bis hinunter zum jüngsten Trommlerjungen weiß es: Shee hat seine Tage mit Kartenspielen und seine Nächte mit Saufen zugebracht.« Der Oberst wies mit der Hand auf den zweiten Sessel im Raum und gebot seinem Zahlmeister, Platz zu nehmen.
Dunns Reaktion auf die harte und geradlinige Aussage seines Kommandeurs war nur ein leichtes, trauriges Lächeln.
»Sie sollten mir alles erzählen, mein Freund. Ich war diese fünfzehn langen Wochen nicht mit dem Regiment auf See, deswegen werde ich Major Shee gegenüber nicht mit der Faust auf den Tisch schlagen ... noch nicht.«
Dunn fuhr sich müde mit der Hand über die Augen und schüttelte den Kopf. »Sir, wenn Rob Seward weiterhin in einer von Shees Kompanien bleibt, wird der junge Mann bald keine Sergeantenstreifen mehr auf dem Ärmel tragen, sondern die Striemen der Neunschwänzigen auf dem Rücken!«
»Zwischen Shee und einem Tanz mit der Katze stehe immer noch ich, John. So leicht bindet man mir Seward nicht zwischen die Hellebarden.«
»Rob wird Shee in den nächsten Tagen den Schädel einschlagen, wenn dieser nicht aufhört,